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Kompaktlexikon der Biologie: Sucht

Sucht, allg. zusammenfassender Begriff, der sowohl stoffgebundene Abhängigkeiten im Sinne einer Drogenabhängigkeit als auch stoffungebundene Verhaltensstörungen, wie z.B. gestörtes Essverhalten (Bulimie, Magersucht), Spielsucht, Arbeitssucht, Kaufsucht, Sexsucht u.a. beinhaltet.

Sucht im Sinne der Drogenabhängigkeit ist nach Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Zustand der körperlichen und psychischen Abhängigkeit von einer Substanz mit zentralnervöser Wirkung, die zeitweise oder fortgesetzt eingenommen wird. Mit der S. verbundene Phänomene sind: psychische Abhängigkeit als unbezwingbares, gieriges Verlangen, die Droge fortgesetzt einzunehmen und sie sich zu beschaffen, eine körperliche Abhängigkeit, die zu Entzugserscheinungen führt sowie die Schädlichkeit der Droge(n) als Summe körperlicher Wirkungen, aber auch nachteiliger sozialer Folgen für den Abhängigen und die Gesellschaft. Unter die oben stehende Definition fallen nicht nur die illegalen Drogen (Ecstasy, LSD u.a. Halluzinogene, Cocain, Heroin sowie Designer-Drogen), sondern auch Nicotin (Rauchen), Alkohol (Ethanol), Medikamente, wie z.B. Barbiturate sowie Lösungsmittel, Lachgas und Anästhetika, sofern sie als Suchtmittel missbraucht werden. Charakteristischstes und der Abhängigkeit von allen genannten Substanzen gemeinsames Merkmal ist die psychische Abhängigkeit im Sinne eines „Nicht mehr aufhören könnens“. Körperliche Abhängigkeit wird insbesondere bei Morphin-Abkömmlingen (Heroin, Opium), Cocain, Barbituraten und Ethanol beobachtet.

Unter Drogenmissbrauch wird nach WHO-Definition die Verwendung jedweder Art von Drogen ohne medizinische Indikation bzw. in übermäßiger Dosierung verstanden. Die Abgrenzung zum Phänomen der Drogenabhängigkeit ist schwierig, der Drogenmissbrauch wird in der praktischen Drogenarbeit als eine Vorstufe in der Entstehung der Drogenabhängigkeit gesehen. Zur Entstehung von S. gibt es eine Vielzahl von Theorien bzw. Theorie-Entwürfen, die grob in vier Klassen eingeteilt werden können: 1) Theorien, deren Ausgangspunkt die Beziehung eines Menschen zu sich selbst ist, 2) Theorien, deren Ausgangspunkt die Beziehung des Menschen zu anderen Personen ist, 3) Theorien, die die Beziehung des Menschen zur Gesellschaft als Ausgangspunkt nehmen sowie 4) solche, deren Ausgangspunkt die natürliche Befindlichkeit des Menschen ist, wobei sich insbesondere letztere auf die Entstehung der Drogenabhängigkeit bezieht.

Zum Konsum von Drogen und damit unter Umständen zur Drogenabhängigkeit können ganz unterschiedliche Motive führen, wie z.B. Konfliktsituationen, Isolation, der Wunsch nach Steigerung des Lebensgenusses, Neugier, mangelndes Selbstwertgefühl, Milderung von Spannungen usw. Die Beweggründe für Drogenkonsum können grob drei Gruppen zugeordnet werden: 1) Der Konsum von Drogen gehört zum Umgang in der Gruppe, der eine Person angehört, 2) der Konsum einer Droge dient der Milderung von Spannungen, 3) der Konsum ist eine Form von Selbstbelohnung. Vor allem von Kindern und Jugendlichen wird Drogenkonsum i.d.R. über Nachahmung gelernt; dies betrifft insbesondere das Rauchen sowie den Konsum von Alkohol (Ethanol), aber auch die so genannten Partydrogen, zu denen in erster Linie Ecstasy, aber auch Cannabis und LSD zählen. Die Entwicklung von S. ist dabei nicht nur eine Frage des Angebots, sondern auch der Nachfrage. Der Umkehrschluss ist, dass S. nicht allein dadurch verhindert werden kann, dass Kinder und Jugendliche nicht mit Drogen in Berührung kommen. Im Mittelpunkt der Drogenpolitik und auch der Erziehung (sowohl in der Schule als auch im Elternhaus) steht daher die Suchtprävention. Dies bedeutet, Bedingungen zu schaffen, die die Entwicklung von Suchtverhalten möglichst verhindern. Für die Suchtprävention ist es genauso wichtig, über einzelne Suchtstoffe aufzuklären, wie auch ursächliche Zusammenhänge, in denen Abhängigkeit entsteht, bewusst zu machen. Darüber hinaus müssen Einstellungen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen, die vor Suchtverhalten schützen, gefördert werden. Dazu gehören Eigenverantwortung und Eigenaktivität, Selbstachtung, Erlebnisfähigkeit, Konfliktfähigkeit, eine gesunde Selbsteinschätzung, Frustrationstoleranz, die Möglichkeit, ein sinnerfülltes Leben zu führen und die Fähigkeit, „nein“ sagen zu können, notfalls auch gegen Gruppendruck.

Drogenabhängigkeit wird (wie viele andere Süchte auch) als Krankheit anerkannt, die durch eine Heilbehandlung behoben, gelindert oder zumindest vor einer Verschlimmerung bewahrt werden kann. Die Behandlung einer Suchterkrankung ist unabhängig davon, ob das Suchtmittel illegal oder legal ist. Während früher absolute Drogenfreiheit (Abstinenz) alleiniges Ziel der Drogenhilfe war, wird jetzt in erster Linie eine Minimierung der gesundheitlichen, sozialen und psychischen Risiken für Drogenkonsumenten angestrebt (so genannte akzeptanzorientierte Drogenarbeit). Drogenhilfe in diesem Sinne basiert auf Freiwilligkeit und versteht sich als zusätzliches Hilfsangebot zu den Einrichtungen, die Abstinenz anstreben. Es wird versucht, möglichst viele Drogenabhängige zu errreichen, indem möglichst wenig Hemmschwellen Drogenkonsumenten von der Inanspruchnahme von Hilfsangeboten abschrecken sollen. Zu den Maßnahmen in diesem Rahmen gehören u.a. die Substitutionstherapie (vor allem mit Methadon) und die Heroin gestützte Therapie von Langzeitabhängigen sowie die Einrichtung von Drogenkonsumräumen (mit dem Betäubungsmittel-Änderungsgesetz vom 28.3.2000), die nur für Langzeitkonsumenten vorgesehen sind. Sie sollen die Behandlungsbereitschaft von Abhängigen wecken, die Gesundheitsgefahren (insbesondere die Infektionsgefahr mit HIV und Hepatitisviren) mindern helfen und der sozialen Verelendung entgegenwirken.

Das Strafrecht (Betäubungsmittelgesetz) sieht für den Drogenkonsumenten Milde vor, hingegen wird angestrebt, Kontrolle und Repression vor allem auf den Drogenhandel zu konzentrieren. Der Gebrauch von Haschisch und Marihuana ist durch den so genannten Haschisch-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (April 1994) teilweise entkriminalisiert worden, Ecstasy und Amphetaminpräparate sind hingegen nach dem Betäubungsmittelgesetz illegale Drogen, werden in der Rechtsprechung jedoch als nicht so gefährlich angesehen wie Heroin und Kokain.

Weitere Informationen bei:

Bundesgesundheitsministerium: www.bmgesundheit.de/themen/drogen

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA): www.bzga.de

Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren: www.dhs.de

Landeskriminalamt NRW: www.lka.nrw.de/aktuell/Drogen.htm

INDRO e.V., Institut zur Förderung qualitativer Drogenforschung, akzeptierender Drogenarbeit und rationaler Drogenpolitik e.V. (Münster): E-Mail: INDROeV@t-online.de

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Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

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Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

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Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
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Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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