Direkt zum Inhalt

Kompaktlexikon der Biologie: Fototropismus

Fototropismus, Typ des Tropismus, bei dem Pflanzen Krümmungsbewegungen zu einem einseitigen Lichtreiz hin (positiver F.) oder von diesem weg (negativer F.) durchführen. Die meisten Sprossachsen und Blattstiele der höheren Pflanzen sind i.d.R. positiv fototrop, wohingegen sich negativ fototrope Phänomene eher selten beobachten lassen. Hierzu zählen z.B. Bewegungen von Haft- und Luftwurzeln oder aber bei einigen Pflanzen die Krümmung von Keimwurzeln, die wie bei in Hydrokultur angezogenen Senfkeimlingen in die entgegengesetzte Richtung der Blätter wachsen ( vgl. Abb. ). F. lässt sich auch bei bestimmten Pilzen, Moosen und Farnen beobachten. Wie alle anderen Tropismen auch, ist der F. auf Wachstumsvorgänge zurückzuführen, sodass fototrope Krümmungen nur an wachsenden Organen auftreten. Daher lieferten Untersuchungen an Keimlingen wie z.B. den Coleoptilen, Hypokotylen und Epikotylen der Gräser, wichtige Beiträge zur Aufklärung der physiologischen und molekularbiologischen Mechanismen des F. So führte C. Darwin seine klassischen Versuche zum F. an Hafercoleoptilen durch.

Die positiv fototrope Krümmung von Coleoptilen ist auf ein verstärktes Wachstum der so genannten Schattenflanke zurückzuführen, sodass sich die Lichtflanke nach innen einkrümmt. An diesem Prozess ist das Pflanzenhormon Auxin maßgeblich beteiligt. Im Aktionsspektrum zeigt sich, dass es sich beim F. um einen klassischen Blaulichteffekt handelt, da Licht im Bereich zwischen 400 und 500 nm fototropische Reaktionen auslöst. Als Fotorezeptor wurde das auch als Fototropin bezeichnete Flavoprotein NPH1 identifiziert. Allerdings scheinen Phytochrome unter bestimmten Bedingungen zum F. beizutragen. Die unterschiedliche Phosphorylierung des Proteins, das an der Spitze der Coleoptile in größerer Konzentration vorkommt als an deren Basis, scheint dabei für die Krümmung zum Licht hin verantwortlich zu sein.

Im Unterschied zu anderen durch Umweltfaktoren gesteuerten biologischen Prozessen, bei denen sich nach Überschreiten eines Schwellenwertes ein stabiler Zustand einstellt, zeichnet sich der F. durch eine so genannte Fluss-Effekt-Kurve aus. Werden z.B. Hafercoleoptilen mit ansteigenden Blaulichtmengen bestrahlt, kommt es nach dem Überschreiten des Schwellenwertes zur ersten positiven Krümmung in Richtung Lichtquelle hin. Sie ist auf den Spitzenbereich der Coleoptile beschränkt. Bei höherem Lichtfluss kommt es unter bestimmten Umständen zu einer negativen Krümmung, an die sich die zweite positive Krümmung anschließt, die eher im basalen Bereich der Coleoptile stattfindet. Erste und zweite Krümmungsreaktionen unterscheiden sich darin, dass die erste dem Reizmengengesetz entspricht: Eine kurze Belichtung bei hoher Lichtintensität führt zu demselben Ergebnis wie eine lange Bestrahlung bei Schwachlicht. Die zweite Krümmungsreaktion ist hingegen der Belichtungsdauer und Photonenflussrate proportional, sodass Krümmungen unter natürlichen Bedingungen i.d.R. hierzu zu zählen sind.

Die charakteristische Krümmungsbewegung ist auf einen Auxin-Gradienten zurückzuführen, dessen Entstehung auch auf molekularer Ebene untersucht worden ist. Offenbar besteht zwischen Spitze und Basis von Hafercoleoptilen ein NPH1-Konzentrationsgradient, der dafür sorgt, dass die Spitze lichtempfindlicher als die Basis ist. Da Licht zur Autophosphorylierung von NPH1 führt, ist dadurch eine gezielte Steuerung der Krümmungsbewegung möglich. An der Signalkette sind neben NPH1 noch weitere Proteine beteiligt, von denen das aus einer weiteren F.-Defektmutante isolierte Protein NPH3 als mögliches Signalmolekül diskutiert wird. Weitere Untersuchungen deuten zudem darauf hin, dass Blaulichtbestrahlungen zu Veränderungen des intrazellulären Calciumspiegels führen, sodass NPH1 nicht nur sich selbst, sondern auch in der Plasmamembran vorhandene Calciumkanäle phosphorylieren könnte. Weitere Untersuchungen sind jedoch erforderlich, um die Kontrolle des F. auf molekularer Ebene besser verstehen zu können.



Fototropismus: Fototropismus bei einem Senfkeimling. Die positiv fototrope Orientierung der Blattspreiten zum von links einfallenden Licht ist gut sichtbar. In Hydrokultur lässt sich bei einseitiger Beleuchtung auch eine negativ fototrope Krümmung der Wurzel erkennen

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.