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Kompaktlexikon der Biologie: Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?

ESSAY

Dr. Daniel C. Dreesmann, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Grün ist die Hoffnung – durch oder für Gentechpflanzen?

Bessere Nutzpflanzen, sichere Ernten und qualitativ hochwertigere Nahrungsmittel: Wünsche wie diese werden laut, wenn das Schlagwort „Grüne Gentechnik“ fällt. Doch wecken gentechnisch veränderte Pflanzen auch Ängste und nähren Befürchtungen. Denn während Befürworter der Grünen Gentechnik von Pflanzen reden, die sich selber vor lästigen Schädlingen schützen oder vom „goldenen Reis“, der die Vitamin A-Versorgung in Südostasien erheblich verbessern kann, sehen Gegner bereits nie da gewesene „Superunkräuter“ auf allen Feldern wachsen oder warnen vor der Zunahme von Allergien die durch den Verzehr gentechnisch veränderter Nutzpflanzen hervorgerufen werden. Hämisch führen sie den Hundert Millionen Dollar-Flop der „Flavr Savr-Tomate“ an, die weltweit als erste zum Verzehr freigegebene Gentech-Frucht Furore machte. Sie erfüllte nicht die Erwartungen der Tomaten verarbeitenden Industrie: Vollreif vom Strauch gepflückt, hielten sie dem Transport nicht unbeschadet stand, und das, obwohl sie zu dem Zweck verändert wurden, auch sonnengereift noch knackig fest zu sein. Von „Antimatschtomaten“ konnte folglich keine Rede sein.

In der Diskussion um die Grüne Gentechnik geht es vor allem um die gezielte Veränderung von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen und weniger um die vielen Tausend bereits mit gentechnischen Verfahren erzeugten transgenen Pflanzen, die von Wissenschaftlern bei der Erforschung der unterschiedlichsten biologischen Fragestellungen eingesetzt werden. Die meisten verlassen Labor und Gewächshaus nie.

Was bei Gentechnik-Befürwortern und Gegnern – dem Thema angemessen – die Köpfe tomatenrot anlaufen lässt und zu hitzigen Diskussionen führt, hat vor allem mit Aspekten der Grünen Gentechnik zu tun, die grundsätzliche ökologische Fragen betreffen oder in Verbindung mit der Verwendung als Nahrungsmittel stehen. So wird der Gebrauch von pflanzenfremden Genen wie bakteriellen Antibiotikaresistenzgenen, die als Selektionshilfsmittel bei der Genübertragung eingesetzt werden, kontrovers diskutiert. Darüber hinaus werden die Risiken, dass sich die Fremdgene nach der Freisetzung auf andere Pflanzenarten übertragen, als unterschiedlich hoch bewertet. Und schließlich stufen Kritiker die durch die Grüne Gentechnik entstandenen Produkte als für Menschen bedenklich ein, da ihrer Ansicht nach durch die Übertragung von Fremdgenen und den von ihnen codierten Proteinen bislang unbekannte Eigenschaften geschaffen werden, die z.B. Lebensmittelallergien auslösen könnten.

In diesem Zusammenhang tragen immer wieder medienwirksam gestaltete Berichte zur Verunsicherung von Laien bei, die auf Schäden durch den Verzehr gentechnisch veränderten Pflanzenmaterials hindeuten. Ganz gleich, ob die Raupen des amerikanischen Monarchfalters durch den Kontakt mit Pollen einer durch Gentechnik zur Produktion eines Insektizids befähigten Maissorte getötet werden oder aber Ratten der Verzehr transgener Kartoffeln nicht bekommt, lassen solche Forschungsergebnisse, wenn sie auch noch in angesehenen Fachzeitschriften publiziert wurden, aufhorchen. In einer Diskussion, die ganz nach dem Schwarz-Weiß-Prinzip keine „Ja, aber“-Argumente zuzulassen scheint, bleiben die auch von durchaus kritischen Forschern geäußerten Kommentare zur Art und Weise, wie diese Experimente durchgeführt wurden, auf der Strecke.

Die Grüne Gentechnik stieß bislang in Deutschland seitens der Verbraucher nicht auf große Akzeptanz. Auf dem Höhepunkt der BSE-Krise im Februar 2001 setzten die deutschen Behörden sogar die Gespräche mit der Biotechnologie-Branche auf unbegrenzte Dauer aus, um in Zeiten, in denen Verbraucher das Vertrauen in die Nahrungsmittelproduktion weitgehend verloren haben, dieses nicht noch weiter zu strapazieren. Ganz anders sieht die Situation hingegen in den USA aus, wo gentechnisch veränderte Pflanzen großflächig angebaut werden. Zwischen 1996 und 1998 stieg ihre Anbaufläche von gut 16 Millionen auf über 160 Millionen Hektar. Und im Jahr 1999 stammten 40 % der Maisernte und 60 % der Sojaernte von gentechnisch veränderten Sorten.

Gentechnik der ersten Stunde – einem Bodenbakterium in die Karten geschaut

Wer der Ansicht ist, dass die Übertragung von Genen in Pflanzen erst eine Erfindung der modernen Agrarindustrie ist, der irrt sich gewaltig. Denn eines der gängigsten Verfahren bei der Herstellung transgener Pflanzen greift auf ein Transformationssystem zurück, das als „ganz natürlich“ bezeichnet werden kann. Das Bodenbakterium Agrobacterium tumefaciens kann von Natur aus etwas, an das Pflanzenzüchter und Botaniker bis vor kurzem in ihren kühnsten Träumen nicht gedacht hätten: Es überträgt ein Stück seines Erbguts dauerhaft in die Zellkerne von Pflanzenzellen und verändert deren Stoffwechsel dabei so, dass bestimmte Aminosäureverbindungen produziert werden, von denen sich Agrobakterien ernähren. Man hätte diese „Pflanzenbiotechnologen unter den Bakterien“ wohl kaum entdeckt, wenn mit der Umprogrammierung des pflanzlichen Stoffwechsels nicht ein gleichzeitiges Wuchern des Gewebes einherginge und zu der als Wurzelhalsgallenkrebs bezeichneten Erscheinung an den Übergängen von Wurzeln zum Spross führen würde. Bereits zu Beginn des 20. Jh. war klar, dass Agrobakterien dessen Verusacher sind, doch erst im Jahr 1974 wurde entdeckt, was gut und gerne als ein Meilenstein auf dem Weg zur ersten transgenen Pflanze bezeichnet werden kann: Agrobakterienstämme, die die Entstehung von Pflanzentumoren auslösen, enthalten ein riesiges Plasmid, auf dem ein Großteil der für den Gentransfer erforderlichen Gene vorhanden ist. Diese Entdeckung war insofern wichtig, da sich Plasmide als ringförmige DNA-Moleküle unabhängig vom Bakterienchromosom in den Bakterienzellen befinden. Mit mikrobiologischen Methoden lassen sie sich isolieren, im Reaktionsgefäß bearbeiten und anschließend wieder in die Bakterien hineinbringen. Gleichsam als Nebenprodukt eines der spannendsten Kapitel aus den Anfängen der Pflanzenmolekularbiologie entstanden somit leicht handhabbare experimentelle Verfahren, mit denen sich prinzipiell jedes beliebige Gen in das Erbgut von Pflanzen einbauen lässt.

Dass dies möglich ist, ist letztlich der Universalität des genetischen Codes zu verdanken. Einfach ausgedrückt bedeutet dies, dass jedes Gen korrekt in ein Protein umgeschrieben wird, solange die Pflanzenzellen die Basensequenzen in Aminosäuresequenzen übersetzen können. Neben Pflanzengenen stehen somit auch bakterielle und tierische Gene zur Verfügung und erschließen Pflanzenbiotechnologen viele neue Möglichkeiten, die von dem reichlichen Angebot in unterschiedlichster Weise Gebrauch gemacht haben.

Alles ist möglich: herbizidresistente Pflanzen bis hin zu Pflanzen als Bioreaktoren

Zu den ersten und immer noch umstrittensten Ideen gehören all jene gentechnisch veränderten Mais- oder Sojapflanzen mit Herbizidresistenzgenen oder dem Gen für das Bt-Toxin, das als Bioinsektizid der Bekämpfung wirtschaftlich bedeutsamer Schadinsekten, wie z.B. des Maiszünslers dient. Die erste Generation dieser transgenen Pflanzen wurde unter Verwendung eines Antibiotikaresistenzgens hergestellt, das es den Forschern ermöglichte, unmittelbar nach der Transformation nur die Pflanzen auszuwählen, die das übertragene Gen enthielten. Zudem wurden dieses Gen unter die Kontrolle eines Promotors gestellt, der zwar für hohe Mengen des Insektizids in Blättern und Stängeln sorgen sollte, allerdings mit dem Nachteil, dass das Bt-Toxin überall in der Pflanze präsent war. Die bereits erwähnten Pollenfütterungsversuche legten nahe, dass die mit dem Wind verbreiteten Pollenkörner auch für andere Insekten als den Maiszünsler schädlich sein können, wenn sie zufällig mit ihnen in Berührung kommen.

Mit dem Pollen könnten die Fremdgene auch an unbeteiligte Dritte – Kultur- und Wildpflanzen gleichermaßen – weitergegeben werden. Eine Reihe von Kulturpflanzen wie Getreidearten, Hirse oder Raps haben wilde Verwandte, die oft als Unkräuter mit ihnen Seite an Seite wachsen. Hier kommt es zur Bildung von Hybriden, auch mit herkömmlichen Arten. So ist es denkbar, dass die Herbizidresistenz von dort, wo sie erwünscht ist, auf eben diejenigen Pflanzen übertragen wird, die durch den Einsatz von Gentechnik ursprünglich bekämpft werden sollten. Dass dies der Fall ist, wurde in einer Reihe von Studien gezeigt, doch kommen Befürworter der Grünen Gentechnik zu anderen Ergebnissen, was die Bewertung der Ergebnisse in Bezug auf Pollenflugweiten, Überleben von Hybriden usw. anbelangt, als die Gegner.

Generell ist dieses Dilemma auf zweierlei Weise zu lösen. Entweder wird die Verbreitung eines Fremdgens durch Pollen unterbunden, was durch Gentransfer in Chloroplasten möglich ist, oder es müssen weitere Studien durchgeführt werden, die mit modernen Methoden der Populationsgenetik die mögliche Ausbreitung von artfremden Genen in Populationen untersuchen. Letzteres ist vor allem auch angesichts der Tatsache notwendig, dass gentechnisch veränderte Pflanzen im Feld neben konventionellen Sorten angebaut werden.

Während sich in der Öffentlichkeit die Diskussion vor allem um diese Anwendungsmöglichkeiten der Grünen Gentechnik zu drehen scheint, sind transgene Pflanzen der zweiten und dritten Generation erzeugt worden. Sie enthalten die Bauanleitungen für pharmazeutisch oder technisch interessante Verbindungen und stellen erste Schritte in Richtung von Nutzpflanzen als Bioreaktoren dar, die nicht nur verbesserte Fette und Schmiermittel oder Rohstoffe für die Kunststoffindustrie liefern, sondern auch die Produktion von Impfstoffen, Antikörpern und anderen pharmazeutisch interessanten Stoffen. Gerade in Ländern, in denen die Verteilung herkömmlicher Impfstoffe problematisch ist, könnten nach Ansicht von Experten der Weltgesundheitsorganisation Impfungen zukünftig nicht mehr mit der ungeliebten Spritze sondern durch den Verzehr von beliebtem Obst oder Gemüse erfolgen.

In diese Richtung, nämlich den Gesundheitszustand der Bevölkerung in Ländern mit andauernder Unter- oder Mangelernährung langfristig zu verbessern, zielen auch die Bemühungen ab, Grundnahrungsmittel wie Reis gentechnisch mit Provitamin A oder Eisen anzureichern. So mussten gleich mehrere Gene für Enzyme übertragen werden, damit aus Vorstufen im Reiskorn die gewünschten orange-gelben Verbindungen entstehen, die dem „goldenen Reis“ seinen Namen verleihen.

Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) kommt in seinem im Jahr 2001 veröffentlichten „Bericht über die menschliche Entwicklung“ deshalb zu dem Schluss, dass die Grüne Gentechnik trotz kontroverser Diskussionen in den Industrienationen für die Ernährungssicherung von Entwicklungsländern einen wesentlichen Beitrag leisten kann. Denn dort sei man vor allem an höheren Erträgen, besserer Qualität und höherer Resistenz gegenüber Pflanzenschädlingen interessiert, die mit Hilfe dieser Technologie erreicht werden können.

Sichere Gentechnik im Interesse von Wissenschaft und Verbrauchern

Damit in Deutschland gentechnisch veränderte Nutzpflanzen mittelfristig eine Chance haben, sollen die von Ökologen und Verbraucherschützern schon seit längerem geforderten Langzeitstudien voraussichtlich ab dem Jahr 2002 durchgeführt werden. Sie könnten klären, wie sich die übertragenen Gene bei mehrjährigem Anbau auf großen Flächen verhalten, welche Auswirkungen dies im Feldversuch auf andere Lebewesen hat und ob der Anbau von herbizidresistentem oder Bt-Mais zu Rückgängen im Pestizidverbrauch führt. Gleichzeitig müssen auch Befürchtungen wie ein erhöhtes Allergierisiko ernst genommen werden. Dass auch in diesem Punkt Bewegung ins Spiel kommt, macht der Vorstoß von Weltgesundheitsorganisation und UN-Landwirtschaftsorganisation (FAO) deutlich, die im Jahr 2001 ein strenges Protokoll entwickelt haben, mit dem das allergene Potenzial gentechnisch veränderter Nahrungsmittel abgeschätzt werden kann.

Umfragen zur Haltung gegenüber Gentechnik, die innerhalb der EU regelmäßig durchgeführt werden, zeigen, dass man in Deutschland und seinen Nachbarländern sehr wohl zwischen dem vielfältigen Nutzen von Grüner Gentechnik als solcher und gentechnisch veränderter Nahrung differenzieren kann. Nur wenn von Fall zu Fall diskutiert und auch von Fall zu Fall entschieden wird, können gentechnisch veränderte Nutzpflanzen großflächig angebaut werden. Und nur wenn Chancen und Risiken gleichermaßen ernst genommen werden, besteht Hoffnung für die Grüne Gentechnik, weltweit zu einer Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts zu werden.

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  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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