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Kompaktlexikon der Biologie: phylogenetische Systematik

phylogenetische Systematik, allg. Bez. für ein Klassifikationssystem (Systematik), das die Abfolge der Artspaltungsereignisse (Kladogenese) eindeutig widerspiegelt. C.R. Darwin war der erste, der forderte, dass ein System diese stammesgeschichtlichen Aufspaltungen widerspiegeln müsse, er wünschte ein phylogenetisches System aus monophyletischen Taxa (Monophylum). W. Hennig entwickelte eine Methode, mit der sich Stammbäume aufstellen lassen, bei denen jedes Taxon eine monophyletische Verwandtschaftsgruppe ist. Dabei zog er aus Merkmalsverteilungen logische Rückschlüsse auf die vorausgegangenen Artaufspaltungen. Sein methodisches Prinzip geht davon aus, dass sich eine Stammart stets in zwei Schwesterarten bzw. -gruppen aufspaltet (Dichotomie), und sucht deshalb nach dem Schwestertaxon eines Taxons, um so auf die beiden Taxa gemeinsame Stammart zu schließen. Zu dem aus diesen Schwestertaxa bestehenden Monophylum wird nun ebenfalls das Schwestertaxon gesucht usw. Auf diese Weise werden Artspaltungsereignisse rekonstruiert und man erhält einen Stammbaum der Arten oder Artengruppen. Dabei wird in mehreren Schritten vorgegangen: 1) Identifizierung von Homologien, also einmal in der Evolution entstandenen Eigenschaften als Indizien für eine Verwandtschaft der untersuchten Taxa. 2) Aufstellung einer Merkmalsliste (Merkmalsmatrix). 3) Identifizierung von Apomorphien, also abgeleiteten Merkmalen, durch Außengruppenvergleich. 4) Suche nach Synapomorphien für Schwestertaxa. 5) Umsetzen der vermeintlichen Schwestergruppen-Beziehungen in ein Kladogramm. Dabei wird nach dem Prinzip der sparsamsten Erklärung (Parsimonie-Prinzip) verfahren: Gibt es aufgrund der festgestellten Apomorphien verschiedene Interpretationen der Stammbaum-Verzweigungen, so ist immer die einfachste Hypothese über die mögliche Artaufspaltung zu bevorzugen. Dies geschieht unter der Annahme, dass die bei solchen Vorgehen widersprüchlichen Merkmale konvergent entstanden, also analoge Merkmale sind (Konvergenz) oder an anderer Stelle verloren gingen.

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Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
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Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

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Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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