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Kompaktlexikon der Biologie: Plastiden

Plastiden, die bei allen fotoautotrophen eukaryotischen Organismen vorhandenen semiautonomen Organellen, in denen viele Stoffwechselwege lokalisiert sind. Innerhalb ein und derselben Pflanze kommen P. in unterschiedlicher Form vor, je nachdem, welche Funktion sie übernehmen. Die Chloroplasten der Fotosynthese treibenden Zellen und Gewebe verleihen ihnen die typische grüne Farbe (Chlorophyll, Grünlücke), wohingegen P. mit anderen Funktionen andersfarbig sein können. So verleihen Chromoplasten Blütenblättern und Früchten ihre charakteristische Färbung, Gerontoplasten sind für die typische Herbstfärbung verantwortlich. Die farblosen bis leicht gelblichen P. nichtgrüner Gewebe werden unter dem Sammelbegriff Leukoplasten zusammengefasst. Je nach Funktion bzw. der in ihnen gespeicherten Substanzen unterscheidet man Amyloplasten (Stärke), Elaioplasten (Lipide) und Proteinoplasten (Proteine).

Wie auch die Mitochondrien sind P. mindestens von zwei (einfache P.) oder mehreren Membranen (komplexe P.) umgeben und verfügen über ein eigenes Genom, das als Plastom oder Plastiden-DNA bezeichnet wird (Endosymbiontentheorie). Es codiert nur für einen geringen Teil der in P. benötigten Genprodukte, sodass wie bei Mitochondrien auch, die meisten Gene von P.-Proteinen im Nucleus codiert werden. Die im Cytosol synthetisierten P.-Proteine gelangen durch bestimmte Transitpeptide in das Innere der Plastiden. Die P. der höheren Pflanzen sind typischerweise von einer doppelten Membran umgeben, der Plastidenhülle. Die äußere Hülle wird als Endocytosemembran der Wirtszelle aufgefasst und enthält Porine. Die eigentliche physiologische Bedeutung kommt der inneren Membran zu, die zum Transport von Metaboliten aus bzw. in Plastiden eine Reihe von Translokatoren enthält. Die innere Membran leitet sich von einem ursprünglich als Endosymbiont aufgenommenen Cyanobakterium ab. Die plasmatische Phase, das Stroma oder Plastoplasma ist Ort zahlreicher Stoffwechselwege und enthält je nach P.-Typ ein mehr oder weniger stark differenziertes Endomembransystem. Bei Chloroplasten sind dies die Thylakoide, bei Chromoplasten werden Feinbautypen mit globulösem, tubulösem, kristallösem und membranösem Aussehen ihrer inneren Strukturen unterschieden. Die P. der Rotalgen enthalten neben den Thylakoiden auch Phycobilisomen.

P. können nicht de novo entstehen sondern gehen aus zunächst undifferenzierten Proplastiden hervor. Bei den Angiospermen und einigen Gymnospermen ist die Differenzierung von Proplastiden zu Chloroplasten lichtabhängig reguliert (Etioplasten, Fotomorphogenese).

Die verschiedenen P.-Typen der höheren Pflanzen können auseinander hervorgehen (reversible Plastidenmetamorphose ( vgl. Abb. ). So sind die Zellen vieler Früchte im unreifen Zustand grün gefärbt und verändern ihre Farbe im reifen Zustand, wobei aus Chloroplasten Chromoplasten werden (z.B. Tomate von grün nach rot, Banane von grün nach gelb). Umgekehrt entfärben sich Blätter, wenn sie lange Zeit im Dunkeln stehen, sodass aus den Chloroplasten Leukoplasten entstehen. Pflanzen, die im Dunkeln keimen, besitzen einen P.-Typ, der als Etioplast bezeichnet wird. Etioplasten sind durch einen so genannten parakristallinen Prolamellarkörper gekennzeichnet. Er enthält das Enzym Protochlorophyllid-Oxidoreductase (POR) das bei Angiospermen die lichtabhängige Umsetzung von Protochlorophyllid zum Chlorophyllid katalysiert. Werden Etioplasten belichtet, verschwindet der Prolamellarkörper innerhalb weniger Stunden und es werden funktionsfähige Thylakoide gebildet.

Die Plastidenvererbung kann nach unterschiedlichen Prinzipien erfolgen. Bei den meisten Angiospermen findet eine uniparentale, matrokline Vererbung statt, d.h. während der Bildung der männlichen Gameten kommt es erst gar nicht zur Verteilung der P. auf diese. Alternativ können P. während der Pollenreifung absterben oder sie gelangen während der Befruchtung nicht in die Eizelle. Bei wenigen Arten der Angiospermen und Gymnospermen liegt eine biparentale Vererbung vor und einige Gattungen der Gymnospermen (Larix, Pinus, Pseudotsuga) zeichnen sich durch uniparental patrokline Vererbung aus. In diesem Fall werden P. bei der Bildung der Eizelle abgebaut.

Die überwiegend mütterliche Vererbung wird bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen ausgenutzt (biolistische Methode, Containment).



Plastiden: Die unterschiedlichen Plastiden-Typen können teilweise auseinander hervorgehen. Durchgezogene Pfeile zeigen den normalen Gang der Plastidenentwicklung, gestrichelte Pfeile verdeutlichen Entwicklungen, die durch Umwelteinflüsse hervorgerufen werden

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Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
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Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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