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Lexikon der Neurowissenschaft: Meningitis

Meningitis w [von griech. menigx, Genitiv meniggos = Hirnhaut], Hirnhautentzündung, Gehirnhautentzündung, E meningitis, meist durch Erreger hervorgerufene Entzündung der weichen Hirnhäute (Meningitis cerebralis), der Rückenmarkshäute (Meningitis spinalis) oder beider (Meningitis cerebrospinalis). Wenn das Hirngewebe selbst in den entzündlichen Prozeß einbezogen ist, liegt eine Meningoencephalitis (Encephalitis) vor. Nach der Lokalisation trennt man die Haubenmeningitis (haubenförmig über der Hirnoberfläche) und die seltenere basale Meningitis der Hirnbasis. Nach der Verursachung unterscheidet man die durch Bakterien ausgelöste eitrige Meningitis von der nichteitrigen, überwiegend viralen lymphocytären Meningitis: 1) Eitrige bakterielle Meningitis (Meningitis purulenta): Die Inzidenz liegt bei 5-10 Fällen pro 100000 Einwohner, davon knapp 80% vor dem 10. Lebensjahr. Die Letalität liegt auch heute noch bei bis zu 30%. Es liegt ein akutes, schweres, meist hochfieberhaftes Krankheitsbild vor, dessen Leitsymptom der Kopfschmerz ist (Reizung schmerzsensibler Fasern in den Hirnhäuten), oft zusammen mit Übelkeit, Erbrechen und Lichtscheu. Verwirrtheit und zunehmende Bewußtseinsstörung (bis zum Koma) folgen. Dehnung der Hirnhäute durch Kopfbeugung führt zur schmerzhaften Nackensteife (Meningismus), im Extrem liegt ein Opisthotonus vor (unwillkürliche Entlastungshaltung mit maximaler krampfartiger Beugung des Kopfs und des Rückens nach hinten). Weitere meningeale Dehnungszeichen sind das Lasègue-Zeichen, das Kernig-Zeichen und der Brudzinski-Versuch. Bei basaler Lokalisation können die Hirnnerven einbezogen sein, weitere fokale neurologische Ausfälle oder epileptische Anfälle weisen auf eine Mitbeteiligung des Gehirns im Sinne einer Meningoencephalitis hin. In der Cerebrospinalflüssigkeit finden sich bis zu mehrere Tausend Granulocyten (granulozytäre Meningitis). Die Gramfärbung unterscheidet grampositive von gramnegativer Meningitis, was entscheidende Therapiekonsequenz hat, vor allem bevor kulturell der genaue Erregernachweis vorliegt. – Die Bakterien können ohne nachweisbaren Ausgangsherd in die Hirnhäute gelangen (primäre eitrige Meningitis); zur sekundären eitrigen Meningitis kommt es bei Durchwanderung von eitrigen Prozessen in der Nachbarschaft (meist Nasennebenhöhlen, Ohr, Mastoid), Eindringen von Erregern durch traumatisch verursachte Öffnungen oder Infektion über den Blutweg bei bakteriellen Allgemeinerkrankungen (bakterielle Infektionskrankheiten). Werden durch ärztliche Eingriffe (z.B. Ventrikelkatheter) Bakterien eingeschleppt, liegt eine Inokulationsmeningitis vor. Eine Besonderheit stellt die apurulente bakterielle Meningitis dar, die in der Cerebrospinalflüssigkeit bei hoher Bakteriendichte nur eine geringe Zellzahlerhöhung zeigt und eine schlechte Prognose hat. – Das Erregerspektrum ist altersabhängig; bei Erwachsenen finden sich in 70% bis 90% der Fälle Pneumokokken und Meningokokken. Im Kindesalter (1 Monat – 6 Jahre) ist der häufigste Erreger Hämophilus influenza (50-60%), bei Neugeborenen überwiegen gramnegative Enterobakterien (50-55%). Immunschwäche prädisponiert zur Listerieninfektion. Sehr selten führen Amöben zur eitrigen Meningitis ( siehe Zusatzinfo ). Die Therapie besteht in Antibiotika und gegebenenfalls operativer Sanierung von lokalen Eiterherden in der Nachbarschaft. 2) Nichteitrige lymphocytäre Meningitis: Hierunter fällt eine Gruppe heterogener Erkrankungen, die entweder akut oder chronisch verlaufen und unterschiedliche Prognosen aufweisen. Akute virale Meningitiden überwiegen bei weitem; das klinische Bild ist hierbei von Kopfschmerz, Meningismus und oft grippeartigen Allgemeinsymptomen gekennzeichnet, der Verlauf ist meist gutartig (Hirnbeteiligung ist jedoch als Meningoencephalitis möglich). Am häufigsten lassen sich in Europa Coxsackie-, ECHO- und Mumpsviren (Mumpsmeningitis) als Erreger nachweisen ( siehe Zusatzinfo ). Die Cerebrospinalflüssigkeit zeigt selten mehr als 1500 Zellen (v.a. Lymphocyten), oligoklonale Banden und mäßige Eiweißerhöhung. Eine basale, chronische, granulomatöse Meningitis findet sich als tuberkulöse Meningitis, bei der Boeck-Sarkoidose, im Rahmen von Pilzmeningitiden (Kryptokokken, Coccidoides etc.) und Parasitosen (z.B. Cysticercen). Auch Spirochäten verursachen, im Gegensatz zu anderen bakteriellen Infektionen, eine lymphocytäre Meningitis (Syphilis: Meningitis syphilitica, Borreliose). Eine Reizung der Meningen findet sich als Fremdkörpermeningitis, als (aseptische) sympathische Meningitis bei entzündlichen Nachbarschaftsprozessen und physikalischer Reizung (therapeutische Bestrahlung; bei UV-Bestrahlung als "Sonnenstich"). Als Mollaret-Meningitis bezeichnet man eine mehrfach wiederkehrende, aseptische lymphocytäre Meningitis mit guter Prognose; ursächlich wird eine Reaktivierung einer Infektion mit Viren der Herpesgruppe diskutiert.

S.M.

Meningitis

Meningitiserreger:
Erreger der eitrigen Meningitis
: über alle Altersgruppen gemittelt sind die häufigsten Erreger Hämophilus influenza (30-40%), Meningokokken (20-30%), Pneumokokken (15-20%), gramnegative Enterobakterien einschließlich Pseudomonas aeruginosa (ca. 10%; gramnegative Meningitis), weiterhin Streptokokken, besonders der Gruppe B, Staphylokokken, Listerien (bei allgemeiner Abwehrschwäche), selten andere. Sehr selten eitrige Meningitis durch Parasiten (z.B. Amöben; Entamoeba histolytica).
Erreger der lymphocytären Meningitis:
1) Viren: am häufigsten ECHO-Viren, Coxsackie-A und B, Mumps-Viren. Weiterhin Adenoviren, Arboviren (Erreger der Frühsommer-Meningoencephalitis), Arenaviren (z.B. lymphocytäres Choriomeningitis-Virus), Herpesviren, Myxoviren und HIV-Viren (HIV-Meningitis).
2) Bakterien: Treponema pallidum, Borrelien, Tuberkulosebakterien, Actinomyces.
3) Pilze: z.B. Cryptococcus neoformans, Coccidoides immitis, Candida u.a.
4) Parasiten: vor allem Cysticercen und Nematoden. Andere parasitäre Erreger verursachen meist eine Meningoencephalitis (Amöben-Meningoencephalitis).

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