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News: Elektronen und Atome schwingen im Takt

Die Fachwelt reagierte mit Erstaunen, als Anfang des Jahres eine Forschergruppe Ergebnisse veröffentlichte, nach denen eine seit langem bekannte, metallische Verbindung noch bei 39 Kelvin supraleitend war - ein Rekord für Metalle. Zwar gab es schon Supraleiter bei viel höheren Temperaturen, aber diese gehören einer anderen Klasse an. Nun konnten Physiker offenbar klären, warum die Verbindung Magnesiumdiborid eine so hohe Übergangstemperatur hat.
Anfang des Jahres war es die Entdeckung: Wissenschaftler aus Japan, England und den USA fanden heraus, dass die metallische Verbindung Magnesiumdiborid noch bei 39 Kelvin den Strom verlustfrei leitete. Das Resultat der Arbeit von Jun Akimitsu von der Aoyama-Gakuin University in Tokio und seinen Kollegen war in zweierlei Hinsicht erstaunlich. Zum einen ist Magnesiumdiborid keine ungewöhnliche Verbindung – im Gegenteil, sie ist leicht herzustellen und im Chemikalienhandel ohne Probleme zu beziehen –, deshalb ist es eigentlich ein Wunder, dass niemand vorher an ihr Supraleitung bemerkt hatte. Zum anderen verdoppelte das Material nahezu den bestehenden Temperaturrekord für metallische Supraleiter.

Zwar kennt man auch Materialien – so genannte Hochtemperatur-Supraleiter –, die deutlich oberhalb von 40 Kelvin, ja sogar jenseits der magischen Grenze von 77 Kelvin supraleitend werden. Diese Temperatur entspricht dem Siedepunkt von Stickstoff, einem vergleichsweise preisgünstigen Kühlmittel für Supraleiter. Magnesiumdiborid bietet aber nun den Vorteil, dass es leicht und günstig herstellbar ist und sich zudem einfach verarbeiten lässt – ein Manko der Hochtemperatur-Supraleiter.

In der Folgezeit beschäftigten sich zahlreiche Forscher mit dem vielversprechenden Material. Einige vermuteten zunächst, dass ein neuer Mechanismus für Supraleitung entdeckt wäre. Alsbald stellte sich jedoch heraus, dass die Magnesiumverbindung der bekannten Theorie nach Bardeen, Cooper und Schrieffer (BCS) gehorchte – mal davon abgesehen, dass die Übergangstemperatur zur Supraleitung 33 Prozent über der lag, welche die Theorie noch zu erklären vermag. Wie kann das sein?

Forscher des Argonne National Laboratory in Illinois fanden heraus, dass das Geheimnis offenbar einer besonderen Beziehung von Elektronen und Atomen im Festkörper zuzuschreiben ist. Demnach verformt ein Elektron auf seinem Weg durch den Festkörper ein wenig die an Bienenwaben erinnernde Kristallstruktur des Magnesiumdiborids. Ähnlich der Saite eines Musikinstruments beginnen die Atome um ihre Ruhelage zu schwingen, und ein weiteres Elektron kann gleichsam auf dieser Welle mitschwimmen.

Das Duo bildet ein so genanntes Cooper-Paar. Die beiden Elektronen verhalten sich hier nicht mehr wie zwei separate Teilchen, sondern wie eines, das ungehindert das Kristallgitter passieren kann. Soweit nichts Neues, denn diese Kombination aus Gitterschwingung und Elektronen beschreibt auch die Supraleitung in Metallen. Jedoch stellten Ray Osborn und seine Kollegen fest, dass es dem Elektron ungewöhnlich leicht fällt, das Gitter zu verformen, was denn auch die hohe Übergangstemperatur erklärt. Zu dem Ergebnis kamen die Forscher, indem sie Neutronen an dem Kristallgitter streuten und anhand des Verlustes an kinetischer Energie die Gitterenergien vermaßen.

Ein zweite Gruppe von Forschern unter Beteiligung des National Institute of Standards, der University of Philadelphia und der University of Maryland machte unabhängig von der Gruppe um Osborn Neutronen-Streuexperimente und bestätigte die Messungen mit noch höherer Genauigkeit. Offenbar ist das Zusammenspiel von Elektronen und Atomgitter geradezu ideal geeignet, besonders stark gebundene Cooper-Paare zu erzeugen.

Laut Jeff Lynn vom National Institute of Standards ist es allerdings pures Glück, dass diese Schwingungen so gut zur Elektronenleitfähigkeit beitragen. Er zweifelt daran, dass man viel dafür könnte, die Übergangstemperatur weiter zu erhöhen. Indes meint Warren Picket von der University of California in Davis, dass es schon möglich sei: "Das Spiel hat gerade erst begonnen und es ist nicht unrealistisch, dass Verbesserungen möglich sind."

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