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News: Zweispuriger Elektronenverkehr

Auf einer Reise in den Mikrokosmos zeigen sich ungewohnte Effekte, die ihren Ursprung in der Quantenmechanik haben. So ähneln die elektronischen Eigenschaften von Nanoröhrchen denn auch kaum noch denen des Graphits, obwohl beides aus dem gleichen Kohlenstoff-Kristallgitter aufgebaut ist. Wissenschaftler konnten nun mit einem Rastertunnel-Mikroskop diese Quantenwelt der Elektronen sichtbar machen.
Zunächst sah es eher nach Spielerei aus, als Forscher Anfang der 90er Jahre zum ersten Mal Nanometer-dünne Röhrchen aus Kohlenstoff präsentierten. Doch schon bald entdeckte man viele nützliche Eigenschaften der Winzlinge. Denn anders als es ihre zarte Struktur erahnen lässt, sind sie äußerst zäh und widerstandsfähig, und könnte man einen Faden aus ihnen spinnen, dann wäre er viele Male stärker als ein Stahlseil.

Aber auch die elektrischen Eigenschaften der Nanoröhrchen sind interessant: So konnte man bereits zeigen, dass sie je nach Aufbau des Kristallgitters und abhängig von äußeren Bedingungen mal metallisch leitfähig, mal halbleitend und unter bestimmten Umständen sogar supraleitend sind. Welches elektrische Verhalten sich auf diese Weise nach außen hin auch immer zeigt, es sagt nicht viel darüber aus, wie sich die Elektronen im Inneren des Nanoröhrchen bewegen und welche Zustände sie einnehmen.

Aus diesem Grund untersuchten Serge Lemay und seine Kollegen der Delft University of Technology und der Rice University in Houston Nanoröhrchen mit dem Rastertunnel-Mikroskop. Dabei verwendeten sie das Gerät nicht wie sonst üblich allein dazu, um die atomare Struktur des Materials sichtbar zu machen, sondern sie nutzten es auch, um die räumliche Verteilung der Elektronen bei unterschiedlicher Energie zu überprüfen. Dazu variierten sie während des Rastervorgangs die Spannung zwischen Messspitze und Probe.

Außerdem bedienten sie sich eines Tricks: Sie kürzten die Röhrchen. Denn Nanoröhrchen sind zwar nur einige Nanometer dünn, aber meist doch einige Mikrometer lang. Und wenn Elektronen sich auf derartiger Länge ausbreiten dürfen, dann liegen ihre Energien nahe beieinander, sodass sie schwer von einander zu trennen sind – bei 34 Nanometer jedoch schon, deshalb stutzten die Forscher die Röhrchen auf diese Länge.

Die hochauflösenden Aufnahmen zeigten dann auch auf der Oberfläche der Kohlenstoff-Gebilde das wellenartige Muster, das vom Aufenthalt der Elektronen kündet. Die Forscher analysierten es, verglichen es mit theoretischen Aussagen über die Nanoröhrchen und fanden gute Übereinstimmung. Sie leiteten aus ihren Aufnahmen auch die theoretisch bekannte Bandstruktur der Nanoröhrchen her, die aussagt, welche Kombinationen von Energie und Impuls in einem Material erlaubt sind.

Denn hier unterscheiden sich die leitfähigen Nanoröhrchen erheblich von Metallen. Während bei letzteren der Zusammenhang zwischen Energie und Impuls der freien Elektronen quadratisch ist, so existieren bei den Nanoröhrchen je zwei lineare Beziehungen zwischen Energie und Impuls – also zwei Geraden in einer graphischen Auftragung. Dabei beschreibt je eine der Geraden auch eine der beiden möglichen Flussrichtungen der Elektronen – wie eine Straße mit je einer Fahrspur pro Richtung.

Diese Aufteilung in zwei Bänder hat deshalb auch eine technologische Bedeutung, denn in normalen metallischen Leitern werden Elektronen bisweilen zurückgestreut, was sich im elektrischen Widerstand des Materials ausdrückt. In Nanoröhrchen können Elektronen nun nicht so leicht reflektiert werden, da sie sonst auch ihr Band wechseln müssten. Im Prinzip entspricht das einer Straße, deren Fahrbahnen durch einen Grünstreifen getrennt sind, was das Wenden unmöglich macht.

Was auf der Straße für einen flüssigen Verkehr sorgt, lässt auch im Mikrokosmos die Elektronen leichter fließen – ein geringerer Widerstand ist die Folge. Deshalb könnten Defekt-freie Nanoröhrchen im Bereich einiger Mikrometer eine gute Alternative für metallische Leiter darstellen.

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  • Quellen
Nature 412: 594–597 (2001)
Nature 412: 617–620 (2001)

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