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News: Geschlechterkampf

Es dauert mitunter schon ein paar Millionen Jahre, bis eine Art sich sichtbar verändert. Die Evolution genießt damit nicht gerade den Ruf eines Hektikers. Mit etwas Glück lassen sich evolutionäre Veränderungen jedoch schon in kurzer Zeit beobachten. So beispielsweise beim Hausgimpel, der in den letzten 30 Jahren verschiedene Staaten der USA eroberte und dabei auf unterschiedliche klimatische Bedingungen stieß, die sich wiederum in unterschiedlichen Überlebenschancen der Geschlechter ausdrückt. Und auf diese Unterschiede hat sich die Art eingestellt: Im kalten Montana schlüpfen mehr große Weibchen und kleine Männchen, im warmen Alabama ist es genau umgekehrt.
Es begann 1939 in New York. Damals fristeten noch viele Hausgimpel (Carpodacus mexicanus) ihr Leben in einem Vogelkäfig, doch dann wurde ihr Verkauf verboten. Für New Yorker Vogelhändler hatten sich damit begehrte Handelswaren in nutzlose Esser verwandelt, die sie schnell wieder los werden wollten. Für die Vögel begann so im Central Park ein neues Leben in der Freiheit, das sie zu nutzen vermochten. Schnell verbreiteten sich die urprünglich in kalifornischen Wüsten beheimateten Tiere über die Osthälfte der USA und erreichten 1985 das warme Alabama. Zur gleichen Zeit drangen Artgenossen aus Kalifornien nach Montana vor, wo das Klima etwas rauer ist.

Alexander Badyaev, zurzeit an der University of Arizona tätig, interessierte sich für das Schicksal der kleinen Eroberer und blieb ihnen auf den Fersen. Dabei entdeckten er und seine Kollegen eine unterschiedliche Überlebenschance der Geschlechter: Während in Montana größere Weibchen und kleinere Männchen die besseren Karten haben, ist es in Alabama genau umgekehrt – hier müssen die Männchen besonders groß sein. Und genau auf diese Unterschiede der verschiedenen Standorte hat sich die Art angepasst: Sie steuert die Größe der Geschlechter.

Wie schaffen sie das? Der Trick liegt in der Reihenfolge, in der die Vögelmütter ihre Eier legen. Bei vielen Vogelarten geht es dem Küken, das aus dem ersten Ei schlüpft, meist besser als seinen später schlüpfenden Geschwistern, die im Wachstum etwas zurückbleiben. So auch beim Hausgimpel, der die Vorteile des Erstgeborenen jedoch nutzt, um die Überlebenschancen seiner Nachfahren generell zu erhöhen. Wie die Wissenschaftler herausfanden, schlüpft aus dem ersten Ei eines Gimpelgeleges in Montana fast immer ein Weibchen, aus dem dem letzten dagegen ein Männchen. Und in Alabama ist es genau umgekehrt: Hier erblickt zuerst ein Männchen das Licht der Welt, gefolgt von seinen weiblichen Geschwistern.

Offensichtlich können die Gimpel das Geschlecht ihres Nachwuches bestimmen. Indem sie die Reihenfolge ihres Geleges geschlechterspezifisch steuern, beeinflussen sie deren durchschnittliche Körpergröße und reagieren damit auf die unterschiedlichen Umweltbedingungen. Die Wissenschaftler schätzen, dass die Vögel dadurch die Überlebenschancen ihrer Brut um 10 bis 20 Prozent verbessern konnten – und das in weniger als 30 Jahren.

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