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News: Kontrollierter Freigang

Dass Krebszellen das Enzym Telomerase ausnutzen, um unsterblich zu werden, ist seit längerer Zeit bekannt. Doch wie das geschieht, war bislang unklar.
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Zu Beginn der Erforschung unseres Erbgutes wird die scheinbar unvorhersagbare Abfolge der vier DNA-Basen A, C, T und G zahlreichen Forschern wohl wie ein kryptisches Rätsel vorgekommen sein. Umso verwirrender war die Entdeckung, dass sich diese Bausteine an bestimmten Stellen in charakteristischer Weise nahezu endlos wiederholen. Machte dieser vermeintliche Unsinn dennoch Sinn?

Wie man heute weiß, ist dieses Prinzip für den Erhalt der Chromosomen – den am dichtesten gepackten Einheiten an DNA – von enormer Bedeutung. Denn die tausendfach aneinandergereihten, sich wiederholenden Sequenzen am Ende jedes Chromosoms wirken wie eine DNA-Reserve – sie schützen die Gene während ihrer Verdopplung davor, Opfer einer fortschreitenden Verkürzung der Stränge des Erbmaterials zu werden. Auf diese Weise gehen durch den speziellen Mechanismus der Replikation nur die nichts sagenden Endstücke verloren – ein scheinbar nicht allzu schmerzlicher Verlust.

Doch ist der Vorrat an "sinnlosen" Sequenzen – den sogenannten Telomeren – einmal verbraucht, steht der Zelltod vor der Tür – ein Prozess, welcher das Enzym Telomerase hauptsächlich in Stamm- aber auch in Krebszellen zu verhindern weiß. Hier verlängert es fleißig die Telomere und somit auch die Lebensdauer der Zellen. Nicht umsonst ist dieser 'enzymatische Jungbrunnen' Ziel zahlreicher Krebstherapie-Ansätze, zumal Forscher vermuten, dass eine ungebändigte Aktivität der Telomerase bei 80 Prozent der Tumoren eine wesentliche Rolle spielt.

Mit der Frage wieso sich Krebszellen – im Gegensatz zu den meisten normalen Zellen – diese Art der Lebensverlängerung zu Nutze machen können, beschäftigten sich auch Kathleen Collins und ihre Kollegen von der University of California in Berkeley. Um das Treiben der Telomerase innerhalb der Zelle besser beobachten zu können, hängten sie dem Enzym ein fluoreszierendes Protein an – und machten eine aufschlussreiche Entdeckung.

Denn als die Zellen dazu gezwungen waren, durch Strahlung ausgelöste DNA-Schäden zu reparieren, verbannten sie ihre Telomerase in ein spezielles Kompartiment des Zellkerns, den Nucleolus. Damit zogen sie das Enzym für die Dauer der Reparatur wirksam aus dem Verkehr, und verhinderten auf diese Weise eine verfrühte und damit irrtümliche Verlängerung der schadhaften Bruchstücke. Die Forscher schlossen daraus, dass die Telomerase normalerweise erst zum Zeitpunkt der Replikation aus ihrem Gefängnis im Zellkern entlassen wird um sich dann gefahrlos ihrer Aufgabe zu widmen.

Doch Tumoren scheinen von diesem 'kontrollierten Freigang' nichts zu halten. Wie die Forscher um Collins herausfanden, hat hier das Enzym jederzeit uneingeschränkten Zugang zu den Chromosomen – und ermöglicht dadurch den Krebszellen, sich nach eigenen Regeln zu vermehren und der Sterblichkeit zu entgehen.

Die Ergebnisse der Wissenschaftler sind daher vielversprechend, denn sie eröffnen einen neuen Ansatz zur Krebsbekämpfung: Wenn bekannt ist, wie gesunde Zellen ihre Telomerase unter Verschluss halten, könnte man auch die Telomerase entarteter Zellen in ihre Schranken verweisen – und der Teilung nach Belieben wäre ein Ende gesetzt.

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