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News: Ball auf Abwegen

Ob Fußball oder Tischtennis - angeschnittene Bälle gehören zu den ganz fiesen Tricks, da sich die Flugbahn des Balls für den Gegner kaum einschätzen lässt. Doch in dünner Luft würde auch der Spieler sein blaues Wunder erleben.
Fußballsprache beschränkt sich auf das Wesentliche. Unvergessen die Antwort von Horst Hrubesch auf die Entstehung seiner Tore: "Manni Bananenflanke, ich Kopf, Tor!" Mal ehrlich, lässt sich die komplexe Bewegungschoreographie von Fuß, Ball und Kopf, die offensichtlich immer wieder zum Erfolg führte, prägnanter und klarer ausdrücken?

Für die wenigen nicht Eingeweihten: Manni heißt mit bürgerlichem Namen Manfred Kaltz und spielte Anfang der achtziger Jahre als Verteidiger beim HSV. Dort wurde er auch berühmt für seine beispiellosen Flanken, die er von der Seitenlinie hereinzirkelte – scheinbar allen physikalischen Gesetzen widersprechend auf gekrümmter Flugbahn. Auf wundersame Weise trafen diese Flanken zudem immer genau den Kopf von Horst Hrubesch, der die Vorlage stets sicher verwandelte. Seitdem gilt Kaltz als Erfinder der Bananenflanke.

Doch wieso kriegt die Lederkugel im letzten Moment die Kurve? Zauberei? Sicherlich, schließlich geht es doch um Fußball, aber auch ein bisschen Physik ist mit im Spiel. Denn damit der Ball auf so ungewöhnlichen Wegen durch die Luft fliegt, muss ihn der Spieler mit sehr viel Effet kicken – ihm also einen ordentlichen Drall in Richtung der vorgesehenen Flugbahn verpassen.

Diese Eigenrotation ist es, die das Leder von der eigentlich geradlinigen Bahn ablenkt. Denn bei der Drehung reißt die "Pille" Luft mit sich. Zusammen mit dem Gegenwind ergibt sich damit auf einer Seite der Lederkugel eine höhere Strömungsgeschwindigkeit als auf der anderen. Mit diesem Geschwindigkeitsunterschied ist nach der Bernoulli'schen Gleichung auch ein Druckungleichgewicht verbunden, das schließlich in einer Kraft senkrecht zur Flugbahn resultiert. Diese wiederum zwingt das Flugobjekt schließlich auf seine gekrümmte Bahn.

Mehr als hundert Jahre vor Kaltz entdeckte bereits der deutsche Physiker Heinrich Gustav Magnus diesen später nach ihm benannten Effekt. Aber sowohl der HSV-Profi als auch der Wissenschaftler wären wohl sehr erstaunt gewesen, hätte sich jemals die Bahn der Lederkugel entgegen der Rotationsrichtung gekrümmt. Auf der Erde wird dergleichen wohl auch nie passieren. Aber auf dem Mars, so legen es neue Forschungsergebnisse nahe, ließe sich das wohl beobachten. Denn wie Karl Borg, Lars Söderholm und Hanno Essén vom Royal Institute of Technology in Stockholm herausfanden, ist die Flugbahn einer drehenden Kugel in sehr dünner Atmosphäre genau spiegelverkehrt. Warum das?

Dazu muss man wissen, dass die Moleküle in der Luft ständig miteinander kollidieren. Im Mittel bewegen sie sich noch nicht einmal einen Mikrometer weit, ohne wieder zusammenzustoßen. In der dünnen Atmosphäre des Mars ist das jedoch anders, hier kann die durchschnittliche Distanz zwischen zwei Stößen durchaus größer als der Durchmesser eines Fußballs werden. Das bedeutet denn auch, dass mehr Moleküle frontal auf den Ball treffen als von hinten.

All diese Moleküle prallen vom Ball wieder ab – und zwar in die Richtung, in die dieser rotiert. Die Moleküle ändern also ihre Bewegungsrichtung. Nun besagt ein ehernes Gesetz der Physik, dass der Gesamtimpuls – also das Produkt von Masse und Geschwindigkeit aller sich bewegenden Objekte – erhalten bleiben muss. Damit das auch weiterhin gilt, muss der Ball entsprechend seines Gewichtes eine kleine Kurskorrektur in die Richtung durchführen, in welche die Moleküle nicht fliegen. Da es auch bei geringem Luftdruck immer noch sehr viele Moleküle sind, die auf den Ball treffen, macht sich dieser Effekt durchaus bemerkbar.

Weiterhin weisen die Forscher darauf hin, dass in einem moderaten Druckbereich sich überhaupt kein Bananenflanken-Effekt beobachten lässt – in welche Richtung auch immer. Der Grund: Hier heben sich die Kräfte des Magnus-Effekts mit den Impulserhaltungskräften gerade gegenseitig auf. Alles ganz schön kompliziert? Da loben wir uns die klaren Worte von Hrubesch zu Anfang und freuen uns auf ein schönes Fußballwochenende.

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