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News: Panschen im Kleinen

Während die Mikroelektronik schon seit Jahrzehnten gute Dienste leistet, führten entsprechend miniaturisierte Steuerungselemente, die mit Flüssigkeiten arbeiten, eher ein Schattendasein. Doch die Mikrofluidik legt nun nach.
Fließkontrolle
Man mag es heute kaum mehr glauben, aber vor fast vierzig Jahren waren flüssigkeitsbetriebene Systeme mal eine ernstzunehmende Konkurrenz für die Elektronik. Doch letztere machte bekanntlich das Rennen. Nicht unbedingt, weil die strömungsmechanischen Maschinen weniger leistungsfähig als ihr jeweiliges elektronisches Gegenstück gewesen wären, das Problem war vielmehr die Miniaturisierung. Denn in dünnen Röhrchen fließen Flüssigkeiten nun mal ganz anders als in Röhren mit großem Querschnitt, und damit ließen sich bestimmte Konzepte einfach nicht in die Mikrowelt übertragen. Die Elektronik hingegen kannte diese Probleme bislang nicht. Hier müssen sich die Wissenschaftler erst in jüngster Zeit beim Übergang in den Nanokosmos mit neuen Effekten arrangieren.

Mittlerweile feiern aber auch strömungsmechanische Systeme so etwas wie ein Comeback. Schließlich verheißen mikrofluide Bauelemente, untergebracht auf einem Chip, ganz neue Analyse- und Forschungsmöglichkeiten für chemische, biologische oder medizinische Anwendungen. Letztere haben auch Alex Groisman, Markus Enzelberger und Stephen Quake vom California Institute of Technology in Pasadena im Sinn, wenn sie von ihren neu entworfenen strömungstechnischen Bauelementen berichten.

Die Wissenschaftler erfanden nämlich sowohl einen Fluss-Stabilisierer – also ein Bauelement, das für eine konstante Flüssigkeitsströmung sorgt – als auch einen so genannten bistabilen Flipflop. Dabei handelt es sich um ein System, das einen von zwei stabilen Zuständen einnehmen kann und so die Möglichkeit bietet, digitale Informationen zu speichern.

Um derartige Steuerelemente zu bauen, bedurfte es zunächst einmal der richtigen Arbeitsflüssigkeit, welche die gewünschten Fließeigenschaften aufweist. Groisman und seine Kollegen wählten eine viskoelastische Polymerlösung, da sie erwarteten, dass diese ein so genanntes nicht-lineares Verhalten zeigt – eine Eigenschaft, die für strömungsmechanische Bauteile fast unabdingbar ist. So ist die Fließgeschwindigkeit normalerweise proportional zum Druckunterschied an den Enden eines Rohres. Gilt dieser lineare Zusammenhang nicht, so liegt beispielsweise nicht-linearem Verhalten vor.

Im ersten Bauelement, dem Fluss-Stabilisierer, musste die Polymerlösung eine meanderförmige Leitung passieren, die zudem an bestimmten Stellen mit Verengungen versehen war. An diesen Verengungen wurden die kettenförmigen Moleküle des flüssigen Polymers in die Länge gezogen und entwirrt. Der Clou war nun, dass sich beim Entwirren kleine Wirbel hinter den Verengungen ausbildeten, und je schneller die Flüssigkeit floss, desto größer fielen diese aus. Da Wirbel und Turbulenzen die Strömung einer Flüssigkeit abbremsen, regelte sich so die Fließgeschwindigkeit quasi von selbst.

Das zweite Element, der Flipflop-Speicher, bestand im Wesentlichen aus je zwei Zuleitungen und Abflüssen sowie einer Kreuzung, bei der sich alle Leitungen trafen. Dabei standen sich sowohl die Zu- wie auch die Abflussleitungen gegenüber. Während die Abflüsse vollkommen symmetrisch beschaffen waren, besaß eine der beiden Zuleitungen einen etwas größeren Querschnitt. Die andere Zuleitung verjüngte sich hingegen kurz vor der Einmündung.

Groisman und sein Team konnten mit unterschiedlich gefärbten Polymerlösungen zeigen, dass sich die Flüssigkeitsströme der Zuleitungen nicht auf beide Abflüsse aufteilten, sondern vielmehr jeder Zufluss seinen eigenen Abfluss besetzte – ein Effekt der ebenfalls auf das nicht-lineare Verhalten der Polymerlösung zurückzuführen ist. Denn bei einer normalen Flüssigkeit ließ sich dieser ungewöhnliche Effekt nicht beobachten. Da der Querschnitt der Zuflüsse unterschiedlich groß war, floss entsprechend auch aus den beiden Abflüssen eine unterschiedliche Flüssigkeitsmenge. Je nachdem, aus welchem Abfluss sich mehr Polymerlösung ergoss, ließ sich so zwischen zwei verschiedenen Zuständen des Speicherelements unterscheiden, die jedoch zufällig festgelegt waren.

Nun bringt der schönste Speicher nichts, wenn er sich nicht schalten lässt. Doch auch das gelang. Dazu mussten die Forscher lediglich einen der beiden Abflüsse kurz verstopfen. Die Flüssigkeitsströme flossen dann gemeinsam aus einem Ablauf. Nachdem der verstopfte Abfluss wieder frei gegeben wurde, wechselte automatisch die weniger starke Strömung zu diesem Abfluss. So ließ sich also eine Abflussleitung gezielt auf niedrigen Durchfluss schalten. Dabei waren die Schaltzeiten mit 100 Millisekunden recht kurz.

Wie bereits angedeutet, sehen die Forscher gerade im medizinischen Bereich Potenzial für ihre Erfindung. So könnte der Fluss-Stabilisierer in implantierten Geräten dafür sorgen, dass Medikamente über lange Zeit mit konstanter Dosis verabreicht werden. Dazu bedürfte es freilich noch eines passenden biologisch abbaubaren Polymers. Wer weiß, vielleicht erhalten strömungsmechanische Systeme so tatsächlich ihre zweite Chance.

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