Jahresrückblick: Klein aber fein
Die Nano- und Quantenphysik waren die Topthemen des zu Ende gehenden Jahres. Doch auch bei der Erforschung des Fließverhaltens von Honig gab es große Fortschritte.
Nano ist in
Doch die Goldmedaille im Ranking der Meldungen und Beiträge zu physikalisch-technischen Themen gebührt unangefochten der Nanotechnologie. Dort treffen sich derzeit offenbar alle Bedürfnisse der Forscher. Noch ist die Nanotechnologie zwar sehr grundlagenorientiert, doch haben die Wissenschaftler bereits sehr konkrete Anwendungen fest im Blick. Ein Ziel ist beispielsweise die Entwicklung von Garnen aus Nanofasern: Stoffe aus diesem Material wären deutlich strapazierfähiger als beispielsweise Kevlar oder Zylon, das heute in vielen stark beanspruchten Textilien enthalten ist. Mit Nanofasern will man künftig sogar kugelsichere Westen nähen.
Weitere Vorstöße in die Quantenwelt
Dass die Quantenphysik den zweiten Platz in der Beachtung erlangt hat, ist ebenfalls nicht verwunderlich. Auch dieses Forschungsgebiet traut sich allmählich in die Anwendung, nachdem alles, was mit Quanten zu tun hatte, viele Jahrzehnte als reine Grundlagenforschung sein Dasein fristete. Jetzt stehen Quantencomputer auf der Agenda der Wissenschaftler und Tüftler sowie die abhörsichere Übertragung von sensiblen Daten. Die Forscher haben im Jahr 2004 große Schritte auf diesem Weg zurückgelegt. So meldeten sie vor wenigen Wochen, dass es ihnen sogar gelungen sei, Zwischenergebnisse von quantenphysikalischen Berechnung zu prüfen, ohne die Kalkulation zu zerstören. Das war bislang einer der bedeutendsten Stolpersteine. Denn was nützt es, wenn eine Maschine ein Ergebnis ausspuckt, ohne zu wissen, ob das Resultat einwandfrei ermittelt wurde, weil Quantenfluktuationen das Ergebnis vielleicht verfälschten.
Ehrwürdige Teilchen
Dazu postulierten sie, dass die Quarks – das sind die Urbausteine der Materie, aus denen beispielsweise die Protonen und Neutronen bestehen – sich um so stärker aneinander binden, je weiter sie sich voneinander entfernen. Physiker veranschaulichen diesen Sachverhalt gern mit einem Gummiband, bei dem man sich mehr und mehr anstrengen muss, je weiter man es auseinanderzieht – bis es schließlich reißt. Ähnlich stellen sich Physiker die Kraft zwischen Quarks vor. Die Teilchen sträuben sich so lange gegen die Trennung, bis die Energie, die man benötigt, um die Quarks auf Distanz zu bringen, ausreicht, um nach der berühmten Einstein´schen Formel E=mc2 neue Quarks und Antiquarks entstehen zu lassen. Diese verbinden sich flugs mit den bisherigen zu neuen Zweier- oder Dreierverbänden.
Es ist daher unmöglich, einzelne Quarks zu erzeugen. Verwunderlich ist gleichzeitig deren Eigenschaft, sich in einem bestehenden Teilchen – sagen wir in einem Proton – nahezu frei zu bewegen, als wirke gar keine Kraft auf sie ein. Das heißt: Je weniger man an den Quarks zerrt, desto freier verhalten sie sich. Aber wehe, wenn man versucht, sie zu separieren.
Viele werden jetzt wahrscheinlich sagen: "Na, ein Forschungsgerät mit einem Umfang von 27 Kilometer – das ist aber gewaltig. Und lässt sich wohl kaum überbieten!" Denkste! Die Gemeinde der Teilchenforscher hat in diesem Jahr bereits die Weichen gestellt für die nächste Generation an Beschleuniger. Die geplante Maschine soll zwar schnurstracks gerade verlaufen, aber mindestens 30 Kilometer lang sein. Wo dieses Monstrum gebaut werden soll, ist noch unklar. Sicher ist nur: Es soll mit supraleitender Technik arbeiten – ein Vorschlag, der vom Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY favorisiert wurde.
Mensch und Maschine
Einer deutschen Schülergruppe raubte das schlechte Vorbild offenbar nicht die Motivation: Beim Physik-Weltcup im australischen Brisbane belegten sie Platz zwei hinter einem Team aus Polen. Einziger Wermutstropfen: Das Jahr davor stand das deutsche Team noch ganz oben auf dem Siegertreppchen. Und obwohl die elf Freunde unserer Fußball-Nationalmannschaft sich bei der diesjährigen Europameisterschaft bereits früh von den Bolzplätzen in Portugal verabschieden mussten, konnten wir im Jahr 2004 einen deutschen Fußballweltmeister feiern. Die FU-Fighters der Freien Universität Berlin standen in der Liga der kleinen Roboter im Endspiel des RoboCups und gewannen gegen das Team der Universität Queensland, Australien. Welch ein Erfolg! Allerdings – sind die Maschinen wirklich schon besser als Ballack und Co?
Und noch eine Meldung über menschenähnliche Maschinen konnte einen beunruhigen. So berichteten britische Forscher, sie hätten einen Roboter entwickelt, der seine eigene Energie produziert, indem er Fliegen verspeist. Zwar muss er bislang noch von Hand gefüttert werden. Aber wo soll das hinführen? Und wann beginnt er, sich nach Liebe zu sehnen, Sex zu haben und sich zu vermehren?
Manchmal nimmt die Forschung eben abstruse Formen an. Den Vogel aber hat ein französischer Physiker mit englisch klingendem Namen abgeschossen – im übertragenen Sinne versteht sich, schließlich berichten wir hier von Physik und nicht von Biologie. Neil Ribe vom Institut de Physique du Globe in Paris ersann eine allgemeingültige Formel zur Berechnung des Fließverhaltens von Honig. Fast 50 Jahre brauchte er, um die zähe Masse mit Hilfe eines theoretischen Modells bestehend aus 17 eindimensionalen Differenzialgleichungen und 19 Randbedingungen in den Griff zu bekommen. Glück dem, der sich morgens mit einem Müsli und Milch begnügt.
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