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Ozeanische Zirkulation: Meeresströmungen laufen nicht wie ein Förderband

Infrarotaufnahme des Golfstroms
Ein riesiges Transportsystem schaufelt Wassermassen rund um den Globus – angetrieben von gigantischen Umwälzpumpen in den hohen Breiten, wo ehemals warmes und immer noch salzreiches Wasser in die Tiefe sinkt, um von dort als kühle Grundströmung zurück in die Tropen und darüber hinaus zu fließen. An der Oberfläche ziehen diese Kaskaden neue Wassermassen nach und halten damit das Getriebe am Laufen. Nach einer langen Reise um den Globus steigt das Wasser schließlich in der Nähe seines Ausgangspunkts in den warmen Breiten wieder auf, womit sich der Kreis schließt. Dieses vereinfachte Bild des ozeanischen "Fließbands" ist aber laut Suzan Lozier von der Duke University in Durham nicht mehr zu halten.

Agulhasringe | An der Südwestspitze Afrikas schnüren sich regelmäßig Warmwasserwirbel aus dem Agulhasstrom ab, die nach Nordwesten driften und schließlich den Golfstrom mit antreiben.
Vor allem die Rolle der Umwälzpumpen – etwa im Nordostatlantik, wo die Reste des Golfstromsystems in die Tiefe stürzen – als Antriebskraft sei überschätzt, während der Einfluss von Wind und Stromwirbeln, so genannte Eddys, bislang vernachlässigt worden sei, so die Geowissenschaftlerin. Demnach fließt das Tiefenwasser im Atlantik größtenteils nicht als kontinuierlicher Strom entlang der Kontinentalränder nach Süden. Vielmehr zirkulieren hier zahlreiche Eddys, die das Wasser nach und nach weitergeben. Gleichzeitig vermischt sich dadurch "frisches" Wasser, das erst vor kurzer Zeit abgesunken ist, mit "älterem" Wasser aus den Meeresbecken, so dass der Austausch zwischen den Strömungen und dem quasistabilen Tiefenwasser der Ozeane größer ist als angenommen.

Der Einsatz von Tauchsonden, die frei mit den Strömungen driften, hat zudem gezeigt, dass sich zumindest im Atlantik das meiste Wasser nicht direkt an den Kontinentalrändern nach Süden bewegt, sondern vor allem weiter im Inneren des Meeresbeckens: Statt eines konzentrierten Strahlstroms entspricht der Tiefenwassertransport eher einem relativ gemächlichen, breiten Fluss.

Geändert hat sich auch die Sichtweise, was den oberflächennahen Austausch der Wassermassen zwischen tropischen und polnahen Gefilden antreibt. Mittlerweile schreiben die Forscher dem Wind eine deutlich größere Rolle im Transportgeschehen zu: Er beeinflusst die Menge des in die höheren Breiten verfrachteten Wassers im Jahresverlauf sehr stark und sorgt für die teils extremen Schwankungen, die im Golfstromsystem beobachtet wurden. Zugleich wird unsere atlantische Heizung auch aus der Ferne befeuert oder gebremst: durch Warmwasserwirbel aus dem Agulhasstrom, die sich an der Südspitze Afrikas abscheiden, über den Südatlantik wandern und schließlich in der Karibik im Golfstrom landen.

Viele dieser Beobachtungen wurden im Atlantik gemacht, doch Lozier ist überzeugt davon, dass sie auch für andere Abschnitte des ozeanischen Förderbands gilt. Auf eine wichtige Frage habe die Wissenschaftlergemeinde jedoch noch keine überzeugende Antwort, meint die Forscherin: Könnte der Wärmetransport im Nordatlantik tatsächlich erlahmen, wenn das Meer durch Schmelzwasser von Gletschern aussüßt und abkühlt? Modelle legen dies nahe – aktuelle Beobachtungen, die diese Annahmen stützen, fehlten jedoch noch. (dl)

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  • Quellen
Lozier, S.: Deconstructing the Conveyor Belt. In: Science 328, S. 1507–1511, 2010

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