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Geodynamik: Weitere Erdbeben und Tsunamis in Haiti befürchtet

Massenrutschungen ausgelöst durch das Beben mit einer Magnitude von 7,0.
Am 12. Januar 2010 entlud sich vor der Küste Haitis ein Erdbeben mit der Stärke 7, das vor allem die Hauptstadt Port-au-Prince und ihre Bewohner schwer traf. Der Karibikstaat steht jedoch nach neuesten Forschungen vielleicht vor weiteren Katastrophen.

Die Ursache des Januar-Bebens begründet sich in der hohen geologischen Aktivität im Untergrund der Insel. Haiti liegt auf der so genannten Gonâve-Platte, einer Mikroparzelle der Erdkruste, und wird von zwei Blattverwerfungen zerteilt. An diesen schieben sich im Norden und Süden die Nordamerikanische sowie die Karibische Platte entlang, was für überreichliche Spannung im Gestein sorgt. Die südlich verlaufende Blattverschiebung, die so genannte Enriquillo-Plantain-Garden-Verwerfung (EPGFZ), verursachte das letzte schwere Erdbeben.

Erdbeben in Haiti im Januar 2010 | Massenrutschungen in dem Karibikstaat wurden ausgelöst durch das Beben mit einer Magnitude von 7,0.
Eine Studie des Geologen Gavin Hayes vom Geological Survey offenbart nun, dass in Zukunft weitere Erdbeben folgen dürften. Die geringe Oberflächendeformation nach dem Haiti-Beben weise darauf hin, dass sich Spannungen im Untergrund noch nicht zur Gänze entladen hätten. Die Wissenschaftler um Hayes schätzen, dass – sollte sich die Spannung in einem einzigen Beben entladen – dieses eine Magnitude von 6,6 bis 6,8 haben dürfte [1]. Ferner geben die Geologen zu bedenken: "Wenn sich solch ein Bruch auf die Gebiete der EGPFZ fortpflanzt, die 2010 nicht abgeglitten sind, dann ist ein Erdbeben möglich, das noch größere Ausmaße annimmt als das vergangene."

Indessen untersuchte eine Forschergruppe um Matthew Hornbach, warum im Zusammenhang mit dem Haiti-Erdbeben auch mehrere kleine Tsunamis mit bis zu zwei Metern Höhe beobachtet wurden. Bisherigen Annahmen zufolge führen diese Blattverschiebungen nur in seltenen Fällen zu Tsunamis: Die Gesteinsformationen schieben sich meist rein seitlich aneinander vorbei, die Riesenwellen hingegen werden durch vertikale Bewegungsrichtungen ausgelöst. Dass beim Haiti-Beben trotzdem Tsunamis ausgelöst wurden, erklären die Forscher aus den USA damit, dass auch die Spannungsentladung an der Verschiebung in geringem Umfang zu einer Hebung und Hangrutschungen führe [2]. "Unsere Untersuchungen ergeben, dass hier durch submarine Rutschungen Tsunamis um eine Größenordnung häufiger auftreten, als weltweite Abschätzungen vorhersagen", folgert Hornbach. Den Grund sieht er in der Küstenlage des Verwerfungssystems: Da hier schnelle Sedimentation, Erosion und Erdrutsche stattfänden, könnten sogar schon geringe Blattverwerfungen potenziell katastrophale Tsunamis verursachen. (sh)

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  • Quellen
[1] Hayes, G.P. et al.: Complex rupture during the 12 January 2010 Haiti earthquake. In: Nature Geoscience 10.1038/NGEO977, 2010.
[2] Hornbach, M.J. et al.: High tsunami frequency as a result of combined strike-slip faulting and coastal landslides. In: Nature Geoscience 10.1038/NGEO975, 2010.

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