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Erdbebenforschung: Trügerische Ruhe

Seit über einem Jahrhundert ist Panama von schweren Erdbeben verschont geblieben. Doch neue Forschungen zeigen: Die Region ist seismisch hochaktiv. Zukünftige Erschütterungen könnten auch den Panamakanal gefährden.
Erdbeben, Straßenschaden
2014 soll alles fertig sein: Zwei neue, größere Schleusen bekommt der Panamakanal, dazu eine tiefere Sohle und Becken, die die enormen Schleusenkammern zwischen Atlantik und Pazifik mit Wasser versorgen. Doch während die 2006 gestarteten Bauarbeiten vorangehen, werfen nun neue Erkenntnisse über den Untergrund Fragen nach der Sicherheit des Schifffahrtswegs und seiner Schleusen auf. In Zentralpanama nämlich fanden Forscher mehrere aktive Verwerfungen, an denen sich große Blöcke der Erdkruste aneinander reiben. Eine dieser tektonischen Störungen, die Pedro-Miguel-Verwerfung, kreuzt sogar den Kanal selbst zwischen zwei Schleusenanlagen auf seiner Pazifikseite.

Panama und sein Kanal liegen in einer tektonisch aktiven Region. Unaufhaltsam bewegen sich Nord- und Südamerika aufeinander zu, und in der Kontaktzone bohrt sich Mittelamerika mit einer Geschwindigkeit von etwa 25 Millimetern pro Jahr wie ein Sporn in die größere Landmasse im Süden. Panama bildet die äußerste Spitze des Sporns und wird durch die Kollision gedreht, gefaltet und verbogen – das Ergebnis ist die charakteristische S-Form des Isthmus von Panama.

Geologie der Kanalzone | Geologische Karte des Panamakanals und der Verwerfungen der Region. Die Bruchzone Pedro-Miguel-Limon hat in den letzten 1600 Jahren mindesten fünf schwere Erdbeben ausgelöst.
Trotz der bewegten tektonischen Situation dort ist Zentralpanama seit geraumer Zeit seismisch ruhig. Das letzte Starkbeben liegt fast 130 Jahre zurück, und damals bebte eine Subduktionszone im Norden der Landbrücke. Die Verwerfungen im Zentrum Panamas, in der Kanalregion, schienen schon lange stillzuliegen. Dass die jahrhundertelange Ruhe trügerisch ist, entdeckte erst jetzt ein Forscherteam um Thomas Rockwell von der San Diego State University.

Dass etwas nicht stimmen kann, erkannten die Forscher zuerst auf Luftaufnahmen der angeblich leblosen Störungszone: Versetzte Hügelrücken und Bäche zeigten an, dass sich in Panama Bereiche der Kruste bis heute gegeneinander verschieben. An der lange bekannten, aber bisher als inaktiv betrachteten Limon-und-Pedro-Miguel-Scherungszone fanden die Geowissenschaftler bald darauf unumstößliche Beweise, dass starke Erdbeben in der jüngsten Vergangenheit die Region erschüttert haben und in Zukunft auch wieder erschüttern werden [1].

Quer über die Verwerfung zogen die Forscher Suchgräben, um in den zerscherten Sedimenten die Spuren früherer Starkbeben zu finden. Das Ergebnis: In den letzten etwa 1600 Jahren traten an der Verwerfung mindestens sechs große Erdbeben auf, drei am nördlichen und drei am südlichen Ast. Eines von ihnen verwüstete im Jahr 1621 die damalige Hauptstadt Panama Viejo und riss den um das Jahr 1533 gepflasterten Maultierpfad Camino de Cruces auseinander. Es war die bisher letzte große Erschütterung an der Pedro-Miguel-Verwerfung, und auch das jüngste Beben der Limon-Verwerfung im Norden liegt mehrere hundert Jahre zurück. Deswegen hatte man die Bruchzone beim Bau des Panamakanals nicht auf der Rechnung.

Der südliche Ast der Störung, die Pedro-Miguel-Verwerfung, verläuft in Nordnordost-Südsüdwest-Richtung über den Isthmus von Panama, kreuzt den Kanal zwischen seinen ersten beiden Schleusen und taucht westlich von Panama-Stadt in den Pazifik ab. Im Norden geht sie in die Limon-Verwerfung über, die eine Biegung nach Osten macht und in Nordpanama in spitzem Winkel auf die grob ostwestlich orientierte Rio-Gatun-Verwerfung trifft.

Untersuchung einer aktiven Verwerfung | Geowissenschaftler untersuchen einen Geländeschnitt an einer aktiven Verwerfung. Im Vordergrund ein an der Störung versetzter Wasserlauf.
Die Forscher rekonstruierten die Verläufe der wichtigsten Störungen in der Region und kamen zu dem Ergebnis, dass der scheinbar monolithische Krustenblock Panamas in Wirklichkeit zertrümmert ist. Zwei dreieckige Blöcke treffen just in der Kanalzone aufeinander. Anhand von versetzten Bächen und Abflussrinnen schätzen die Forscher, dass sich die beiden tektonischen Blöcke hier um fünf Millimeter pro Jahr gegeneinander verschieben. Etwa alle 300 bis 900 Jahre, das zeigen die Spuren im Sediment, entlädt sich die aufgebaute Spannung in einem schweren Beben, bei dem sich die Erdkruste um etwa 1,5 bis 3 Meter verschiebt. Beben dieser Größenordnung richten enorme Schäden an.

Ein solches Erdbeben der Stärke 7 oder stärker ist in Zentralpanama nicht nur möglich, sondern auf lange Sicht sogar unvermeidlich. Deswegen empfehlen die Forscher, die Einrichtungen des Kanals beim laufenden Umbau erdbebenfest auszulegen: Nicht nur liegen die Pedro-Miguel- und die Miraflores-Schleusen in der Nähe der Verwerfung, Indizien deuten darauf hin, dass etwa um das Jahr 700 herum die Limon- und die Pedro-Miguel-Verwerfung gleichzeitig aufrissen und ein besonders schweres Beben auslösten – was sie jederzeit wieder tun könnten. Die entstehenden Schäden an den Schleusen könnten den Schiffsverkehr für geraume Zeit behindern.

Weit größere Sorgen bereitet den Wissenschaftlern jedoch Panama-Stadt, das ebenfalls in der Nähe der Pedro-Miguel-Verwerfung liegt. Die Stadt gehört zu den ältesten in Mittelamerika, und da die Region lange von schweren Beben verschont blieb, ist kaum ein Gebäude der Stadt erdbebensicher ausgelegt. In einer Studie aus dem Jahr 2001 bezifferten Forscher den potenziellen Schaden durch ein Erdbeben in der Region auf 1,3 Milliarden Dollar [2].

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  • Quellen
[1] Rockwell, T. et al.: Neotectonics and Paleoseismology of the Limón and Pedro Miguel Faults in Panamá: Earthquake Hazard to the Panamá Canal. In: Bulletin of the Seismological Society of America 10.1785/0120090342, 2010
[2] Li, J. et al.: Seismic Hazard and Loss Estimation for Central America. In: Natural Hazards 25, S. 161–175, 2001

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