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Plagiatsaffäre: Zu Guttenberg: Die Sicht der Wissenschaftler

Eine aktuelle Online-Umfrage von Spektrum der Wissenschaft ergibt: Deutsche Forscher und Akademiker sehen das Ansehen von Wissenschaft durch die aktuelle Plagiatsaffäre nachhaltig erschüttert. Ein Großteil vermutet, dass zu Guttenberg seine Doktorarbeit höchstwahrscheinlich in weiten Teilen gar nicht selbst verfasst hat. Mindestens aber habe er mit Vorsatz gehandelt.
jubelnde Akademiker
Seit gestern haben mehr als 3000 Personen an unserer Umfrage zur "Causa Guttenberg" teilgenommen, darunter bis 11.15 Uhr 2118 aktive Wissenschaftler (620) und Hochschulabsolventen (1498).

Die Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache: Diese Personengruppe, die Forschung und Wissenschaft als wesentlichen Impulsgeber unseres gesellschaftlichen Fortschritts und Wohlstands ansieht (Zustimmung: 82,3 Prozent), erachtet die aktuelle Plagiatsaffäre um Karl-Theodor zu Guttenberg als fatal: 72,1 Prozent der Akademiker und Forscher meinen, dass das Ansehen von Forschung und Wissenschaft in der Bevölkerung durch die "Causa Guttenberg" erheblich in Mitleidenschaft gezogen wurde; bei den aktiven Wissenschaftlern ist der Anteil hier am höchsten: 75,6 Prozent. Den Ruf der Wissenschaft vor dem Skandal um die Doktorarbeit des ehemaligen Ministers bewerteten hingegen nur 12,0 Prozent als schlecht (aktive Wissenschaftler: 16,6 Prozent). Auch erkennt nur einer Minderheit von 12,9 Prozent der Befragten in der aktuellen Berichterstattung eine Hetzjagd der Medien.

Überwältigende Mehrheit sieht Vorsatz

Aussagen über den Plagiatsskandal des Ex-Verteidigungsministers | Antworten von 2118 aktiven Wissenschaftlern und Hochschulabsolventen, befragt im Rahmen einer Online-Umfrage von Spektrum der Wissenschaft.
88,8 Prozent der 2118 befragten Akademiker und aktiven Wissenschaftler stimmen der Aussage zu, dass zu Guttenberg mit Vorsatz gehandelt habe, als er zahlreiche Quellen seiner Arbeit nicht offenlegte. Vor allem aber gehen die Befragten zu einem Großteil, nämlich 68,9 Prozent, davon aus, dass der Minister seine Doktorarbeit höchstwahrscheinlich ganz oder in weiten Teilen gar nicht selbst geschrieben hat. Sollte diese Vermutung der Wahrheit entsprechen, hätte zu Guttenberg zu Beginn der Affäre die Wahl zwischen Skylla und Charybdis gehabt: entweder zuzugeben, dass er gar nicht der eigentliche Urheber der eingereichten Arbeit ist, sondern Dritte in seinem Namen hat schreiben lassen, oder dass die Copy-und-Paste-Anteile seiner Arbeit auf ihn selbst zurückgehen.

Dabei hatten die meisten der teilnehmenden Forscher und Akademiker in der Spektrum-Umfrage den Daumen über zu Guttenberg ohnehin längst gesenkt. 80,7 Prozent meinten vor seiner Rücktrittserklärung vom heutigen Tag, dass er sein Amt niederlegen sollte – 74,2 Prozent forderten von der Kanzlerin, sich von ihm zu trennen. Nur 14,2 Prozent stimmten der Aussage zu, dass die politische Karriere zu Guttenbergs weitergehen dürfe, auch wenn er sich als Wissenschaftler schuldig gemacht habe. Dieses Ergebnis liest sich als ein Echo auf die viel zitierte Aussage von Angela Merkel aus der letzten Woche, sie habe zu Guttenberg ja nicht als wissenschaftlichen Assistenten berufen, sondern als Minister.

Mitschuld der Uni Bayreuth?

Kritisch sehen die Befragten auch die Rolle der Universität Bayreuth. 73,0 Prozent stimmen der Aussage zu, dass die Gutachter der Doktorarbeit eine Mitschuld tragen am jetzigen Skandal. Bei der Frage, wen die Umfrageteilnehmer in der Plagiatsaffäre am kritischsten sehen, kommen die Gutachter auf 38,2 Prozent, die heutige Leitung der Universität Bayreuth liegt deutlich dahinter (13,9 Prozent). 83,5 Prozent sehen Karl-Theodor zu Guttenberg am kritischsten, 47,8 Prozent Angela Merkel. Auch hier waren mehrfache Nennungen möglich.

Wie die große Beteiligung an dem am vergangenen Donnerstag publizierten offenen Brief von (ehemaligen) Doktorandinnen und Doktoranden an die Bundeskanzlerin vermuten lässt, werten auch die Teilnehmer an der Spektrum-Umfrage die in der vergangenen Woche vorgebrachte Entschuldigung des Ministers für sein Fehlverhalten als Faustschlag ins Gesicht aller aktuellen und ehemaligen Doktoranden und Wissenschaftler (79,0 Prozent Zustimmung; aktive Wissenschaftler sogar: 82,7 Prozent).

Betrug in der Wissenschaft nicht typisch

Den Wissenschaftsbetrieb insgesamt sieht diese Klientel nur in Teilen kritisch, was Betrugsfälle angeht. Nur 10,9 Prozent der 2118 von Spektrum befragten Wissenschaftler und Hochschulabsolventen halten Plagiatsfälle wie den jetzt aufgedeckten für typisch für den hiesigen Wissenschaftsbetrieb; die aktiven Forscher stimmen hier sogar nur zu 8,4 Prozent zu. 21,9 Prozent der Akademiker und aktiven Forscher stimmen der Aussage zu, dass Betrugsfälle in den Naturwissenschaften seltener sind als in den Geisteswissenschaften; die Teilgruppe der 620 aktiven Wissenschaftler stimmt hier jedoch mit 27,1 Prozent zu.

55,8 Prozent aller Befragten haben einen akademischen Hintergrund in Naturwissenschaften, Mathematik, Informatik oder Psychologie; 32,6 Prozent in Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Unter den Teilnehmern sind 75,8 Prozent Männer und 22,8 Prozent Frauen (keine Angabe:1,3%).

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