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Plattentektonik: Magmablase beschleunigte Indien und bremste Afrika

Lavasee
Vor rund 150 Millionen Jahren begann eine Reise, die später in einem der größten Crashs der Erdgeschichte endete und das gewaltigste Gebirge der Erde auffaltete: Damals brach der Superkontinent Gondwana auseinander, und der indische Subkontinent begann nach Norden zu driften, bis er mit Asien zusammenstieß und der Himalaja entstand. Auf diesem Weg erfuhr die Platte vor etwa 70 Millionen Jahren – kurz vor dem Aussterben der Dinosaurier – eine starke Beschleunigung, während sich gleichzeitig enorme Mengen Lava auf das heutige Hochland von Dekkan ergossen. Beides hing eng zusammen, stellten nun Steve Cande von der Scripps Institution of Oceanography an der University of California in San Diego und seine Kollegen fest: Die Indische Platte bewegte sich damals über einen neu entstandenen so genannten Mantel-Plume im Indischen Ozean hinweg – mit entsprechend dramatischen Folgen.

Plumes sind ausgedehnte Blasen aus heißem Gesteinsmaterial, die von tieferen Mantelschichten bis in die Erdkruste reichen. Bisweilen durchbrechen Ausläufer dieser auch Manteldiapire genannten überdimensionierten Magmenkammern die Erdkruste und bauen dann fernab der Plattengrenzen Vulkane wie die Hawaii-Inseln auf. Im Indischen Ozean entwickelte sich vor etwa 67 Millionen Jahren eine derartige Blase – die heute als Réunion-Plume bezeichnet wird – etwa zur gleichen Zeit, als sich die Indische Platte über diese tektonische Schwächezone bewegte.

Konvektive Kräfte in der Gesteinsschmelze trieben dann die Bewegung des Subkontinents zusätzlich an und beschleunigten ihn. Statt mit nur zwei Zentimetern pro Jahr trieb die Platte über einen Zeitraum von knapp 20 Millionen Jahren zehn Mal so schnell nach Nordosten Richtung Asien. Zugleich drang basaltisches Magma bis an die Oberfläche der Landmasse vor: Es ergoss sich über eine Fläche von einer halben Million Quadratkilometer und umfasste ein Volumen von 500 000 Kubikkilometer Material. Nach Auswertung ihrer Gesteinsdaten sind sich die Forscher sicher, dass beide Ereignisse ursächlich zusammenhängen. Der Dekkan-Magmatismus entstand also nicht erst, als die Platte bereits "raste". Die gleichzeitig austretenden Schwefelgase verursachten eine globale Abkühlung, die ein kleineres Massenaussterben von Tier- und Pflanzenarten auslöste – dieses wurde allerdings vom kurze Zeit später folgenden Einschlag des Chicxulub-Meteoriten deutlich übertroffen.

Umgekehrt sorgte der Plume dafür, dass sich Afrikas Tempo verlangsamte – vor allem die gegen den Uhrzeigersinn gerichtete Drehbewegung der Platte Richtung Eurasien erlahmte und kam fast zum Erliegen. Der Kontinent wurde quasi zwischen der Magmablase und drei Spreizungszonen im mittleren und südlichen Atlantik sowie im Indischen Ozean eingeklemmt und lagestabil gehalten. Erst nachdem Indien über den Diapir hinweggedriftet war und dessen konvektive Kräfte nachließen, bewegte sich auch Afrika wieder weiter nach Nordwesten – wenngleich weiterhin relativ langsam. Zugleich ließ die Geschwindigkeit der Indischen Platte wieder nach, auf Werte zwischen drei und fünf Zentimeter pro Jahr.

Angesichts ihrer Entdeckung sind die Forscher der Meinung, dass neben der Subduktion von Platten und der Bildung neuen Krustenmaterials an den Mittelozeanischen Rücken müssten zukünftig auch Plumes stärker beachtet werden, wenn es um Plattenbewegungen geht. Die Magmablasen beeinflussen die Geotektonik also noch stärker als bislang vermutet. Zuvor gingen Geologen davon aus, dass der Réunion-Plume nur die Wurzel der Indischen Platte abgeschmolzen hatte und deshalb deren Bewegung antrieb. Nun kämen zusätzlich noch konvektive Kräfte hinzu, so die Forscher. In abgeschwächter Form ist der Réunion-Plume auch heute noch aktiv: Er speist den aktiven Vulkanismus auf der gleichnamigen Insel. (dl)

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