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Erdbebenschutz: Löcher im Boden sollen Erdbeben bremsen

Mit so genannten Metamaterialien bauen Forscher Tarnkappen - kleine Bereiche, die bestimmte Wellen nicht erreichen. Das funktioniert auch bei Erdbebenwellen.

Sie sollen einst dem Licht sagen, wo es langgeht: Metamaterialien sind periodische Anordnungen winziger, identisch geformter Bauelemente, die elektromagnetische Wellen in bisher unmögliche Richtungen lenken. Seit Jahren versuchen Forscher, mit ihrer Hilfe mikroskopische Tarnkappen zu bauen, die Licht beispielsweise über eine winzige Schwelle leiten – diese ist auf Fotografien dann nicht mehr sichtbar. Nun haben Forscher aus Frankreich demonstriert, dass sich das Prinzip der Metamaterialien womöglich nutzen lässt, um die Erschütterungen von Erdbeben von einem Gebäude fernzuhalten.

Bei Erdbeben stammt ein Teil der Schäden von Erschütterungen, die sich in Wellen entlang der Erdoberfläche ausbreiten. Eine Gruppe um Sebastien Guenneau von der Universität Aix-Marseille beschreibt nun ein eigentümliches Experiment, diese Wellen zu manipulieren: Die Forscher bohrten in Kooperation mit einer französischen Baufirma mehr als 30 Löcher in ein Testgelände bei Grenoble, jedes der Löcher war 32 Zentimeter breit und fünf Meter tief. Angeordnet waren die Löcher in drei langen Reihen. Ein umgebauter Bagger versenkte eine Sonde im Boden, die zu Beginn des Versuchs anfing zu zittern. Anschließend verfolgten die Forscher mit Hilfe von Sensoren, wie die Schallwellen den schlammigen Tonboden in Schwingung versetzten.

Damit wollten die Forscher Vorhersagen von Computersimulationen überprüfen. Diese sagen voraus, dass nicht nur Licht- und Schallwellen, sondern auch Schwingungen des Erdreichs von periodisch angeordneten Strukturen gezielt umgelenkt werden können – vorausgesetzt, letztere haben die richtige Form und Größe und befinden sich im richtigen Abstand zueinander. In diesem Fall reflektieren die Wände der Löcher einen Teil der Welle so, dass die Beiträge aller Löcher die Ursprungswelle abschwächen.

Mit ihrem Experiment wiesen die Forscher nach, dass dies für Schwingungsfrequenzen von 50 Hertz möglich ist. In einer Region hinter zwei Lochreihen vibrierte der Boden nur noch halb so stark, wie es ohne Bohrlöcher der Fall gewesen wäre. Von einem echten Erdbebenschutz sind die Forscher damit allerdings noch weit entfernt: Die Löcher im Boden springen nur auf Schwingungen einer ganz bestimmten Frequenz an; auch funktioniert der Schutz nur, wenn die Schallwellen aus einer bestimmten Richtung kommen.

Daneben mahnen die Forscher selbst zur Vorsicht: Weil sie nur jene Wellen betrachten, die entlang der Erdoberfläche laufen, nicht aber jene in tieferen Erdschichten, beanspruchten sie keineswegs, die bei einem Erdbeben auftretenden Effekte vollständig verstanden zu haben. Wenn man die Löcher nicht in Reihen anordne, könne man Erdbeben womöglich sogar noch verstärken: Eine ringförmige Anordnung der Einlassungen verursachte in einigen Bereichen des Versuchsfelds intensivere statt schwächere Erschütterungen – sie verstärkte das Erdbeben noch.

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  • Quellen
Physical Review Letters

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