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Gravitationslinsen: Hubbles Blick durch Gravitationslinsen

Mit Hilfe neuer Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble erhalten Forscher einen tiefen Einblick ins Weltall auf besonders weit entfernte und leuchtschwache Galaxien. Ein sich im Vordergrund befindlicher Galaxienhaufen verstärkt und verbiegt als Gravitationslinse das Licht der dahinterliegenden Galaxien. Die Auswertung der Daten ergab mit einer nie zuvor erreichten Genauigkeit eine Masse des Haufens von 160 Billionen Sonnenmassen.
Gravitationslinseneffekte

Die Massenbestimmung weit entfernter Galaxienansammlungen in gravitativ gebundenen Galaxienhaufen ist ein schwieriges Unterfangen. Die einzelnen Galaxien sind in großräumigen Strukturen von Dunkler Materie eingebettet. Im Gegensatz zur gewöhnlichen Materie, die elektromagnetische Strahlung aussendet, lässt sich diese nicht beobachten. Obwohl die Wissenschaft bisher nicht klären konnte, woraus diese mysteriöse Dunkle Materie besteht, kann sie indirekt erforscht werden. Da sie der Schwerkraft und damit den Gesetzen der allgemeinen Relativitätstheorie unterliegt, lässt sie sich wegen ihrer Wechselwirkung mit ihrer Umgebung ausfindig machen.

Gravitationslinseneffekte durch Galaxienhaufen | Diese Aufnahme des Galaxienhaufens MCS J0416.1-2403 wurde mit dem Weltraumteleskop Hubble gemacht. Sie zeigt einige auffällige Galaxien im Vordergrund und zahlreiche verzerrte Bilder sowie Mehrfachbilder von leuchtschwachen Hintergrundgalaxien. Mit Hilfe des Gravitationslinseneffekts konnte die Massenverteilung im Galaxienhaufen modelliert (hier blau hervorgehoben) und dessen Gesamtmasse bestimmt werden.

Die Schwerebeschleunigung der Materie wirkt aber nicht nur auf Massen, sondern beeinflusst auch das Licht. Die allgemeine Relativitätstheorie beschreibt den Zusammenhang zwischen vorhandener Materie im Universum und ihrem Einfluss auf die Geometrie der Raumzeit. Diese wird durch die Massen verbogen, und ihre Krümmung ist wiederum für die Schwerkraft verantwortlich. Damit beeinflussen sich Raum und Materie gegenseitig. Lichtstrahlen bewegen sich durch die Raumzeit auf den so genannten Geodäten. Wegen der vorhandenen Krümmungen sind diese kürzesten Verbindungslinien zwischen den Quellen und den Beobachtern aber im Allgemeinen keine Geraden, sondern gleichsam gekrümmte Kurven. Auf diese Weise verbiegen Massen die Lichtstrahlen dahinterliegender Objekte. Sind die Massenansammlungen groß genug und liegen sie mit der Quelle und dem Beobachter in etwa auf einer Linie, so können sie sogar wie optische Linsen wirken. Das hat zur Folge, dass die beobachteten Bilder der Quelle zu Bögen oder Ringen verzerrt oder sogar mehrfach abgebildet werden. Diese Erscheinung nennen Astronomen den starken Gravitationslinseneffekt.

Diesen nutzten Kosmologen um Mathilde Jauzac vom Institute for Computational Cosmology der University of Durham, um die Masse des Galaxienhaufens MCS J0416.1-2403 in einer bisher unerreichten Genauigkeit zu bestimmen. Das Licht des Galaxienhaufens benötigte mehr als vier Milliarden Jahre, um zu uns zu gelangen. Die Galaxien im Hintergrund, die für diese Messung von Bedeutung waren, sind jedoch noch weiter entfernt. Das Licht der entferntesten ist bereits seit knapp 13 Milliarden Jahren unterwegs. Die Beobachtungen dieser leuchtschwachen Objekte wurden im Rahmen des Programms Hubble Frontier Fields mit dem Weltraumteleskop Hubble zwischen Januar und Februar 2014 durchgeführt. Mit Hilfe des Projekts möchten Astronomen die lichtverstärkende Wirkung von Gravitationslinsen wie dem besagten Galaxienhaufen ausnutzen, um solche weit entfernten Galaxien zu beobachten.

In den Aufnahmen stießen die Forscher auf rund 70 weit entfernte Hintergrundgalaxien. Durch das Linsengeflecht des Galaxienhaufens erreichte ihr Licht das Teleskop zum Teil mehrfach auf unterschiedlichen Wegen, so dass die Astronomen insgesamt rund 200 Bilder der Objekte identifizierten. Die Mehrfachbilder werden anhand von Vergleichen der Farben und Formen erkannt.

Für ihre Datenauswertung konzentrierte sich das Team auf eine Auswahl von 149 der deutlichsten Bilder. Mit ihrer Hilfe modellierte es die Massenverteilung innerhalb des Galaxienhaufens. Dabei zogen die Forscher sowohl großskalige Ansammlungen von Dunkler Materie als auch einzelne Galaxien in Betracht. Das so errechnete Modell sagt die Bildpositionen auf den Aufnahmen genau voraus und ergibt für den Galaxienhaufen mit einem Durchmesser von rund 650 000 Lichtjahren eine Masse von rund 160 Billionen Sonnenmassen. Dabei erreichte das Astronomenteam eine nie zuvor erreichte Genauigkeit von einem Prozent.

Um ihre bisherigen Ergebnisse zu verfeinern, möchten die Forscher bei weiteren Beobachtungen die Linsenwirkung der Randbereiche des Galaxienhaufens genauer untersuchen. Wegen ihrer im Verhältnis zu den zentralen Regionen größeren Entfernungen zur Sichtlinie zwischen dem Beobachter und der Quelle verzerren sie die Galaxienbilder deutlich schwächer. Trotzdem lässt sich auch dieser so genannte schwache Gravitationslinseneffekt ausnutzen. Die Anwendung statistischer Methoden auf viele solcher Bilder ergibt weitere Rückschlüsse auf die Massen im Vordergrund.

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  • Quellen
Jauzac M. et al., In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 24. Juli 2014.

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