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Prähistorischer Leichenschmaus: Ritueller Kannibalismus in englischer Grotte

Im Zeitalter des Magdalénien vor 15 000 Jahren begrub man die Toten nicht - man aß sie auf.
Trinkgefäß aus Schädeldecke

Schnittspuren, Zahnabdrücke, ausgelutschtes Knochenmark: Unmissverständliche Spuren an menschlichen Knochen, gefunden in Gough’s Cave in England, sind nach Angaben der beteiligten Forschungsteams die bisher weitreichendsten Spuren von Kannibalismus im prähistorischen Europa. Das Team um Silvia Bello vom Natural History Museum in London schließt aus den Hinterlassenschaften, dass in dieser als Magdalénien bezeichneten Epoche ein ausgefeilter Totenkult existierte, in dessen Verlauf die Überreste zubereitet und verzehrt wurden. Auch Trinkgefäße aus menschlichen Schädeln waren demnach Teil dieser Rituale.

Gough’s Cave in Somerset wurde bereits im Jahr 1880 erforscht und in eine Schauhöhle umgewandelt. Deswegen ist ein Teil der Artefakte verloren. Die handenen Funde bestehen neben Werkzeugen und Steinabschlägen aus Knochen von Tieren und mindestens fünf Menschen, darunter ein drei Jahre altes Kind. Mikroskopische Untersuchungen zeigen, dass das Fleisch mit Messern vom Knochen geschnitten wurde. Die Langknochen brach man auf, um ans Knochenmark zu gelangen, aus den Schädeln wurden Trinkgefäße hergestellt. Letzeres kennt man auch von anderen Fundstellen jener Epoche in ganz Europa, so dass die Forscher vermuten, dass die Funde in England für kannibalische Totenrituale weit über die Region hinaus repräsentativ sind. Die Verbreitung solcher Riten könnte erklären, weshalb es kaum Gräber aus dem Magdalénien gibt und menschliche Überreste gelegentlich sogar mit Tierknochen in Abfallgruben auftauchen.

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