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Atmosphärenphysik: Gewitter verstehen mit Weltraumwellen

Seit etwa zwei Jahrzehnten ahnen Forscher, dass sie über Gewitter doch vieles nicht wussten - etwa über die heftigen Gammastrahlenausbrüche nach einem Blitz. Aber wie misst man so etwas nur am besten?
Blitze

Um Gewitter und Blitze besser zu verstehen, kamen Atmosphärenphysiker um Joseph Dwyer vor einiger Zeit auf eine zunächst bizarr klingende Idee: Sie vermuteten, dass sie mit astronomischen Radiowellen-Großteleskopen – mit denen sonst auf Vorgänge im fernen Weltraum gezielt wird – einiges über das Geschehen in Gewitterwolken über unseren Köpfen enthüllen könnten. Das klappt tatsächlich, wie sie nun im Magazin "Physical Review Letters" veröffentlichen [1]: Mit dem Low Frequency Array (LOFAR) können sie die elektrischen Felder in Gewitterwolken überwachen, indem sie deren Einfluss auf von kosmischer Strahlung verursachte elektromagnetische Wellenfronten analysieren. Sie hoffen, am Ende einer alten Theorie auf die Spur zu kommen: Kann kosmische Strahlung Gewitterblitze auslösen?

Die Forscher verglichen die von LOFAR bei schönem und gewittrigem Wetter gesammelten Daten von einzelnen Stationen der Anlage, die eigentlich ein europaweiter Verbund aus zahlreichen kleinen Antennen ist. Diese messen Ausbrüche elektrischer Wellen, die durch kosmische Strahlung ausgelöst werden, und schließen so etwa auf den Ursprung der astronomischen Strahlenquelle. Die Auswertung zeigte nun wie vermutet, dass auch die Aktivität naher Gewitterzellen das Wellenfrontsignal auf charakteristische Weise verändert.

So, hoffen die Forscher, wird es vielleicht möglich, mit den Radioteleskopen quasi in die Wolken hineinzublicken und mehr über die Vorgänge herauszufinden, die sich kurz vor der Entladung eines Blitzes abspielen. Dabei gibt es noch viel zu lernen, wie Dwyer schon seit einiger Zeit klarmacht, etwa über das Entstehen eines Blitzes. Man weiß, dass er bei einem drastischen Ungleichgewicht elektrischer Ladungen zwischen den Wolkenschichten oder Wolke und Boden ausgelöst wird: Dann öffnet sich vorübergehend ein elektrisch leitender Kanal in der sonst elektrisch isolierenden Luft. Durch den Blitzstrahl werden geladene Teilchen rasend schnell transportiert und stellen das elektrostatische Gleichgewicht zumindest lokal wieder her. Wie dieser Vorgang beginnt, ist aber unklar, denn auch sehr hohe Feldstärken reichen allein eigentlich kaum aus, um den elektrischen Isolator Luft zum Leiter zu machen. Man vermutet daher externe Auslöser wie kosmische Strahlung – und weil LOFAR auf ebendiese spezialisiert ist, könnte die Theorie damit womöglich überprüft werden, hoffen Dwyer und Kollegen für die Zukunft.

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  • Quellen
[1] Schellart, P. et al.: Phys. Rev. Lett. (im Druck).

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