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Drogen- und Suchtbericht 2015: Weniger Qualm, weniger Schnaps

Immer weniger Jugendliche werden mit Alkoholvergiftungen eingewiesen, die Zahl der Raucher geht zurück: Die Bundedrogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) sieht die aktuelle Suchtpolitik auf einem guten Weg. Kritiker bezeichnen ihr Präventionsprogramm hingegen als "realitätsfremd".
schwelende Zigarette

Keine Droge fordert so viele Todesopfer wie Tabak. Mit jährlich 110 000 vorzeitigen Sterbefällen ist Rauchen das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland. Das geht aus dem aktuellen Drogen- und Suchtbericht hervor, den die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) am 21. Mai 2015 im Berliner Haus der Bundespressekonferenz vorstellte. Die gute Nachricht: Der Tabakkonsum nimmt seit Jahren ab. In der erwachsenen Bevölkerung greift nur noch jeder Vierte regelmäßig zur Zigarette. Noch deutlicher ist dieser Trend bei Kindern und Jugendlichen. Rauchten im Jahr 2001 noch 28 Prozent aller Heranwachsenden, ist dieser Anteil inzwischen auf 9,7 Prozent gefallen – so niedrig wie zuletzt Ende der 1970er Jahre.

"Diesen Erfolg dürfen wir aber nicht durch einen Anstieg im Bereich E-Zigaretten und E-Shishas zunichtemachen", warnt Mortler in Hinblick auf die möglichen Gesundheitsgefahren, die von diesen Produkten ausgehen. Etwa jeder vierte jugendliche Raucher habe E-Zigaretten bereits getestet. Für 2016 sei deswegen eine Änderung des Jugendschutzgesetzes geplant, um die E-Zigaretten mit herkömmlichen Tabakprodukten gleichzustellen. Die Abgabe der elektronischen Verdampfer an Kinder und Jugendliche wäre dann verboten.

Weniger Alkoholvergiftungen bei Jugendlichen

Auch im Kampf gegen den Alkoholmissbrauch präsentierte Marlene Mortler eine Erfolgsmeldung: Die Anzahl der Alkoholvergiftungen bei Heranwachsenden nimmt offenbar deutlich ab. Im Erhebungsjahr 2013 wurden etwa 23 000 Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren mit einer akuten Alkoholintoxikation in einem Krankenhaus behandelt – zwölf Prozent weniger als noch im Jahr zuvor. Die Bundesdrogenbeauftragte führte diesen Rückgang auf eine erfolgreiche Präventionspolitik zurück. Grund für eine Entwarnung ist das aber nicht: In Deutschland kostet der Missbrauch von alkoholischen Getränken jährlich etwa 74 000 Menschen das Leben.

Die Anzahl der Menschen, die an den Folgen illegaler Substanzen starben, erscheint dagegen vergleichsweise niedrig: 2014 betrug die Zahl der registrierten Drogentoten 1032, etwas mehr als im Jahr zuvor. Als besonders problematisch nannte Mortler den Anstieg der erstauffälligen Konsumenten von Ecstasy, Amphetamin ("Speed") und Methamphetamin ("Crystal"). Letztere Substanz sei in den deutsch-tschechischen Grenzregionen für mehr als die Hälfte aller Kontaktaufnahmen in den Beratungsstellen verantwortlich, heißt es im Drogen- und Suchtbericht. Bei den klassischen Drogen wie Heroin und Kokain ist die Zahl der erstmals polizeilich festgestellten Konsumenten hingegen rückläufig.

Kein grünes Licht für die Legalisierung

Deutliche Worte fand die Drogenbeauftragte in Bezug auf die aktuelle Debatte über eine mögliche Freigabe von Hanf: "Cannabis ist eine ernsthafte Gesundheitsgefahr. Wir müssen alles vermeiden, was den Eindruck erweckt, es sei ein harmloses Genussmittel." Im März 2015 hatte die Grünen-Fraktion des Bundestags mit einem Gesetzesentwurf für eine staatlich kontrollierte Abgabe von Cannabis eine bundesweite Debatte ausgelöst. Zuletzt sprach sich auch die FDP auf ihrem Parteitag im Mai 2015 für eine Legalisierung der Droge aus. Selbst unter den Christdemokraten gibt es vereinzelte Befürworter einer regulierten Freigabe, so etwa Joachim Pfeiffer, der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Diesen Vorstößen erteilte Mortler eine klare Absage – mit Verweis auf mögliche Denkstörungen, die bei Jugendlichen durch den Konsum von Cannabis entstehen könnten. Auf die belustigte Nachfrage eines Journalisten, ob inzwischen auch die FDP von Denkstörungen betroffen sei, entgegnete Mortler trocken: "Das ist Ihre Interpretation."

Obwohl sie an einem prinzipiellen Verbot von Cannabis als Genussmittel festhielt, zeigte sich Mortler aufgeschlossen gegenüber therapeutischen Anwendungen: "Bei bestimmten Erkrankungsgruppen hat Cannabis als Medizin seine Berechtigung." Deswegen wolle sich die Drogenbeauftragte dafür stark machen, dass mehr Menschen als bisher Zugang zu Cannabis als Medizin erhielten. Die schwarz-rote Koalition plant, eine kassenärztliche Erstattung der Therapiekosten noch bis Ende 2015 zu ermöglichen. Bislang müssen Schwerkranke, die Cannabis als Medizin benötigen, eine umständliche Ausnahmegenehmigung beantragen und ihre Behandlung aus eigener Tasche bezahlen.

Betäubungsmittelrecht: Mehr Schaden als Nutzen?

Bei einigen Wissenschaftlern und Betroffenenverbänden sorgen die Präventionsstrategien des Bundes für heftigen Widerspruch. Die aktuelle Drogenpolitik sei rückwärtsgewandt und beziehe aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung nicht mit ein – so lautet der Tenor des "Alternativen Drogen- und Suchtberichts", der bereits drei Tage vor Erscheinen des offiziellen Berichts veröffentlicht wurde. Einer der Autoren ist Heino Stöver, Direktor des Frankfurter Instituts für Suchtforschung. Seiner Meinung schade das Betäubungsmittelgesetz in seiner aktuellen Form oft mehr, als es nütze – etwa mit der aufwändigen und teuren Strafverfolgung von Konsumenten, die nur geringe Mengen einer illegalen Substanz mit sich führen. Über 160 000 Verstöße im Zusammenhang mit Cannabis zählt die polizeiliche Kriminalstatistik des BKA im Jahr 2014. Den größten Anteil machen dabei so genannten Konsumentendelikte aus, die von der Staatsanwaltschaft gleich wieder eingestellt werden. "Die Polizei arbeitet hier für den Papierkorb", so Stöver.

Auch bei der Einrichtung von Drogenkonsumräumen hinke die Politik hinterher, klagt Silke Klumb, Geschäftsführerin der Deutschen Aids-Hilfe. Die Idee: Süchtigen soll die Möglichkeit gegeben werden, ihre Substanzen unter medizinisch kontrollierten Bedingungen einzunehmen. Kommt es zu einem Notfall, kann das Fachpersonal frühzeitig eingreifen. Laut den Zahlen der Aids-Hilfe retten die Fixerstuben jedes Jahr etwa 200 Menschenleben. Obwohl das Betäubungsmittelgesetz ihre Einrichtung prinzipiell erlaubt, gibt es die Konsumräume bislang in nur 6 der 16 Bundesländer. In Bayern etwa, wo die Zahl der Drogentoten seit Jahren steigt, sperrt sich die Landesregierung bislang kategorisch gegen die Einrichtung von Fixerstuben.

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