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Warum schmeckt Orangensaft nach dem Zähneputzen bitter?

Isst man einen sauren Apfel und dann ein Stückchen Schokolade oder trinkt einen Wein und dann eine Limonade, scheinen die Geschmacksnerven verrücktzuspielen. Der Genuss ist dahin. Warum Herrn Kehrer nach dem Zähneputzen der Orangensaft nicht schmeckt, darüber wissen die beiden Hamburger Lebensmittelchemiker Kerstin Fleischer und Hans Steinhart mehr.

Der bittere Geschmack von Orangensaft nach dem Zähneputzen ist die Folge der Wechselwirkung bestimmter Stoffe des Orangensafts und der Zahnpasta mit den verschiedenen Geschmackszonen der Zunge.

Zunächst einmal enthält der Saft der Apfelsinen (Citrus sinensis) ein ganzes Gemenge von Geschmacksstoffen, darunter auch Bitterstoffe wie das Limonin. Der Geschmack des Orangensafts wird von den Geschmacksrezeptoren auf der Zunge wahrgenommen, mit der wir die vier Grundgeschmacksarten süß, sauer, salzig und bitter schmecken. Die jeweiligen Rezeptoren liegen jedoch nicht gleichmäßig auf der Zunge verteilt, sondern sind in bestimmten Partien des Zungenkörpers lokalisiert. Die Geschmackszone für den süßen Geschmack liegt dabei am vorderen Ende des Zungenkörpers, während bitter im hinteren Bereich, in der Nähe des Rachens, wahrgenommen wird.

In Zahncremes sind in eine Grundlage aus Bindemitteln und Wasser verschiedene Inhaltsstoffe eingebettet, zu denen auch Pflanzenextrakte aus Kamille, Arnika, Calendula, Hamamelis, Myrrhe, Rosmarin und Salbei zählen. Sie wirken entzündungshemmend und enthalten Gerbstoffe, die, genau wie das ebenfalls verwendete Aluminiumlaktat, eine adstringierende Wirkung besitzen. Solche Adstringenzien führen in den Schleimhäuten und Wunden zu Eiweißfällungen sowie Gerinnungen und verdichten so das Gewebe an den behandelten Stellen. Sie wirken entzündungshemmend, antibakteriell, schmerz- und blutstillend. Gleichzeitig beeinträchtigen sie aber die Funktion der Geschmacksrezeptoren und verursachen das pelzige, taube Gefühl auf der Zunge.

In Zahnpasten werden zudem häufig Pfefferminzöle eingesetzt, die wegen ihres hohen Mentholgehalts eine kühlende Frische vermitteln. Auf Grund seiner oberflächenanästhesierenden Wirkung trägt es somit ebenfalls zum Taubheitsgefühl der Zunge bei.

Beim Zähneputzen kommt vorzugsweise die vordere Mundhöhle und damit der vordere Teil des Zungenkörpers mit der Zahnpasta in Berührung. Die Geschmacksrezeptoren im hinteren Teil der Zunge, wo Bitterkeit empfunden wird, sind durch die Wirkstoffe der Zahncreme weit weniger betroffen als die Rezeptoren auf der Zungenspitze, die für den süßen Geschmack verantwortlich sind.

Die Folge ist, dass beim Trinken des Orangensaftes nach dem Putzen vornehmlich die in den Apfelsinen vorhandenen Bitterstoffe wahrgenommen werden, während seine Süße von den betäubten Geschmacksrezeptoren im vorderen Bereich der Zunge nicht geschmeckt wird.

Hinzu kommt, dass Zahnpasten Süßstoffe enthalten. Zusätzlich zu der Beeinträchtigung der Geschmacksrezeptoren durch die Wirkstoffe der Zahnpasta spielt daher die Belegung der "süßen" Geschmacksrezeptoren mit diesen Stoffen eine Rolle. Die Zunge ist also nach dem Zähneputzen für den Geschmack süß weniger empfindlich, da die Rezeptoren zum Teil noch belegt sind und erst mit der Zeit wieder zur neuerlichen Aufnahme von Geschmacksstoffen fähig sind.

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