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Mathematische Knobelei: Spion im Auftrag der Logik

Zugegeben: Der Kalte Krieg ist vorüber. Doch wenn Sie der Ansicht sind, damit seien auch die glorreichen Zeiten der Spione und Agenten vorbei, dann machen Sie sich auf eine Überraschung gefasst. Der berühmt-berüchtigte KGB (Knobelei-Geheim-Bund) sucht nach wie vor nach Meistern der diskreten Ermittlungen und Enttarnungen. Falls Sie sich also gerade nach einem Job für Frauen und Männer mit starken Nerven umsehen... Aber sagen Sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt.
Tick, tick, tick... Unaufhaltsam rückt der Sekundenzeiger vor. Zerschneidet die Stille in gleichförmige temporale Einheiten. Noch fünf, vier, drei, zwei, eins.

"Das war's! Stifte hinlegen!" Mit strengem Blick kontrolliert Majorin Ludmilla Testatowa, ob auch alle Probanden ihrer Anweisung unverzüglich Folge leisten.

"Sie da!" Testatowas Lineal zischt durch die Luft, zerschneidet ein kleines Logikwölkchen und verharrt ruckartig einen Mikrometer vor der Nasenspitze einer nicht nur im Gesicht wohlgeformten Blondine. "Sie waren zu langsam. Wollten sich wohl durch Trödelei einen Vorteil gegenüber Ihren Mitbewerbern verschaffen, was? Raus!"

"Aber ich...", versucht die Blondine, sich mit schwacher Stimme zu verteidigen.

"Kein aber! Hinaus mit Ihnen!" Testatowa bleibt hart. Wie immer. Nur die Besten, die Allerbesten schaffen es durch diese Prüfung. Dafür wird sie schon sorgen. Und diese Person gehört nicht dazu. Mit gesenktem Kopf greift die Blondine ihre Handtasche, erhebt sich und schleicht zur Tür. "Und Sie verlassen uns ebenfalls." Mit einem sadistischen Lächeln der Macht dreht Testatowa sich um. Ihr Blick bohrt sich tief in das erstaunte Gesicht eines jugendlichen Erfolgsmenschen im Nadelstreifenanzug.

"Wer? Ich? Wieso das denn?"

"Weil Sie gegrinst haben." Testatowa beugt sich langsam zu ihm herunter. "Sich am Versagen anderer ergötzt haben. Ihre niedrigen Gefühlsregungen nicht unter Kontrolle haben. Kurz gesagt: Weil Sie nicht über die erforderliche Selbstdisziplin für einen Knobel-Agenten verfügen." Ihre stahlharte Miene schwebt nun wenige Millimeter vor seinem erblassten Antlitz. Ein Schweißtropfen rinnt ihm über die Schläfe. Seine Hände verkrampfen sich, zerbrechen den Bleistift.

"Den Schaden werden Sie beim Weg nach draußen an der Kasse ersetzen." Testatowa richtet sich wieder auf.
"Die beiden übrigen Kandidaten begeben sich nun instantan in Zimmer 007. Dort erwartet Sie bereits Mr. Triple-X."


"Ach, die lieben Kandidaten! Kommen Sie doch herein, nur herein. Sie können sich nicht vorstellen, wie froh ich bin, dass es dieses Mal jemand durch die Prüfungsmühle meiner verehrten Kollegin Testatowa geschafft hat. Darf ich Sie mit einem Martini dazu beglückwünschen?"

Leger bekleidet mit einem seidenen Morgenmantel, einem dazu passenden Schal und dezenten Hauspantoffeln reicht Mr. Triple-X zuerst der eintretenden Dame und danach dem Herrn ein Glas.

"Wirklich erstaunlich, dass dieses Jahr gleich zwei Bewerber so weit gekommen sind. Sogar außerordentlich erstaunlich. Doch leider - wir können nur einen von Ihnen in unseren aktiven Dienst aufnehmen. Bedauerlich, aber nicht zu ändern."

Galant nimmt er seinen Gästen die leeren Martinigläser wieder ab, stellt sie auf das Tablett eines wie aus dem Nichts erschienenen Butlers und weist mit der offenen Hand auf zwei Panzerschränke in der Raummitte. "Darum habe ich mir erlaubt, meinerseits ebenfalls eine kleine Probe Ihrer Fähigkeiten vorzubereiten. Sie sind doch sicherlich einverstanden?" Ohne eine Antwort abzuwarten, tritt Mr. Triple-X an die Geldschränke.

"Nun, wir nehmen einmal an, Sie hätten sich auf subtile Art und Weise Zutritt zu den Räumen der CIA (Computer im Alltag) verschafft und wüssten zu gerne, wie viele Fächer der Tresor des Direktors wohl hat. Stellen Sie sich vor: Rein zufällig steht genau dieses Modell tatsächlich in seinem Büro." Als habe er selbst nicht mit dieser Übereinstimmung gerechnet, strahlt Triple-X die Kandidaten freudig an.

"Wie Sie sehen können, gibt es drei drehbare Zahlenräder. Daraus schließen wir, dass der Code zum Öffnen der Tür aus dreistelligen Zahlen besteht. Und damit es nicht zu einfach ist, sind es mehrere solcher Zahlen. Oh, deshalb brauchen Sie nicht zu verzagen. Denn jeder Mitarbeiter des KGB weiß, dass der CIA-Direktor allergisch gegen einstellige Primzahlen ist. Folglich wird keine der Ziffern eine Primzahl sein. Außerdem besteht jede Codezahl aus jeweils drei unterschiedlichen Ziffern. Und obendrein hat dieser Narr darauf geachtet, dass jede der dreistelligen Codezahlen durch alle ihre Ziffern teilbar ist. Sagen Sie selbst: Ist das nicht fürchterlich unvorsichtig? Ach ja, diese Stümper von der CIA werden es wohl niemals lernen."

Scheinbar gedankenverloren tippt er sich mit dem Zeigefinger ans Kinn. Dann fügt er in ernstem Tonfall an: "Ich erwarte nun von Ihnen, dass Sie den Code für diesen Tresor knacken! Die Reihenfolge der dreistelligen Zahlen spielt keine Rolle. Jede kommt nur ein einziges Mal vor. Wer mir zuerst das arithmetische Mittel aus ihnen nennen kann, hat den Job. Der andere... Nun, Sie wissen ja, wo der Ausgang ist."
Die drei drehbaren Zahlenräder zeigen zunächst einmal alle Ziffern zwischen 0 und 9.

Die Primzahlen mag der CIA-Direktor jedoch nicht und durch die 0 lässt sich nicht teilen. Es bleiben also übrig: 1, 4, 6, 8 und 9.

Aber auch die 9 kann nicht in der Zahl vorkommen, denn damit die Codezahl durch 9 teilbar ist, muss auch die Quersumme durch 9 teilbar sein. Das gelingt in diesem Fall nur in Kombination mit den Ziffern 1 und 8, da ja jede Ziffer unterschiedlich sein soll. Es gibt jedoch keine Zahl aus diesen Ziffern, die auch durch 8 teilbar wäre. Es verbleiben als die 4 Ziffern: 1, 4, 6 und 8.

Wir haben also eine 3er Auswahl aus 4 Elementen ohne Wiederholungen aber mit Berücksichtigung der Reihenfolge. Das macht den Regeln der Kombinatorik nach 24 Möglichkeiten. Im einzelnen sind das:

146  416  614  814
148  418  618  816
164  461  641  841
168  468  648  846
184  481  681  861
186  486  684  864


Bleibt nun nur noch die Teilbarkeit dieser Zahlen durch ihre Ziffern zu überprüfen. Es zeigt sich, dass nur 5 Zahlen übrig bleiben - die gesuchten Codezahlen:

168
184
648
816
864


Alle Lösungszahlen addiert gibt 2680, im Mittel sind es also genau 536.

PS: Einige Leser hattem 756 als arithmetisches Mittel heraus, weil sie die 1 zu den Primzahlen gerechnet hatten. Es gilt jedoch: Primzahl sind natürliche Zahl, die größer als 1 sind nd nur sich selbst und 1 als Teiler in der Menge der natürlichen Zahlen besitzen.

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