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Verhaltensforschung: Der Duft des Gefieders

Kehren Taubensturmvögel von ihrer mehrtägigen Jagd auf See zurück, gilt es unter den vielen Nestern der Kolonie das richtige anzusteuern. Offenbar weist ihnen ein vertrauter Geruch den Weg zum eigenen Erdloch.
<i>Pachyptila desolata</i>
Es ist ein alter Hut, dass Säugetiere ihre Artgenossen allein am jeweils individuellen Geruch identifizieren können. Ob Vögel ebenfalls zu dieser Leistung befähigt sind, blieb aber bislang eher rätselhaft. Um Licht in dieses Dunkel zu bringen, scheinen in der Antarktis beheimatete Taubensturmvögel (Pachyptila desolata) aus der Ordnung der Röhrennasen (Procellariiformes) geeignete Kandidaten zu sein: Denn sie sind nicht nur mit einem exzellenten Geruchssinn ausgestattet, sondern verströmen selber einen moschusartigen Duft. Zudem brüten sie in Erdhöhlen in Kolonien und halten ihrem ausgewählten Partner lebenslang die Treue.

Pachyptila desolata | In Kolonien brütende Taubensturmvögel (Pachyptila desolata) sind mit einem exzellenten Geruchssinn ausgestattet: Kehren sie von ihrer mehrtägigen Jagd auf See zurück, dient ihnen offenbar der typische Duft des Partners als Wegweiser zu ihrem Nest.
Für ihre Studie wählten Francesco Bonadonna vom Zentrum für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie in Montpellier und Gabrielle Nevitt von der Universität von Kalifornien in Davis die abgeschiedene subantarktische Insel Ile Verte mit einem Durchmesser von ungefähr einem Kilometer im Golf von Morbihan aus. Mithilfe eines Y-förmigen Röhrensystems stellten sie die empfindlichen "Nasen" der Tiere auf die Probe. Als Duftquellen in den einzelnen Armen dienten zum Vogeltransport eingesetzte Baumwolltaschen, in denen noch der typische Geruch der Individuen haftete. Ein kontrollierter Luftzug fächelte dem Versuchstier am Eingang des Labyrinths die Duftmarken zu.

Zunächst testeten die Wissenschaftler, ob die Vögel zwischen ihrem Geruch und dem eines zufällig aus der Kolonie ausgesuchten Exemplars unterscheiden können. Sollte dies zutreffen, nutzen die Tiere womöglich ihren eigenen Duft als chemischen Wegweiser, um das Nest wieder zu erkennen. Doch entgegen den Erwartungen orientierten sich 17 von 22 Individuen zum Geruch des Artgenossen. Nur drei Probanden bevorzugten den eigenen Duft – ein überraschendes Ergebnis, denn brütende Vögel kundschaften gewöhnlich keine fremden Höhlen aus. Paare bewohnen ortstreu spezifische Bauten und die Jagd auf umherstreunende Tiere ist extrem.

Da die Taubensturmvögel bis zu zwei Wochen auf See jagen, bevor sie ihren Partner beim Brutgeschäft ablösen, riechen die Nester vermutlich am intensivsten nach dem letzten "Eierwärmer". Vielleicht liefert also dessen Geruch den entscheidenden Fingerzeig bei der Heimkehr? Um diese zweite These zu überprüfen, warteten die Forscher den Schichtwechsel zwischen den zuvor getesteten Kandidaten und dem brütenden Gefährten ab. Dann stellten sie die neuen Versuchsteilnehmer vor die Aufgabe, zwischen dem Duft ihres Partners und eines anderen Artgenossen zu wählen. Von 20 Tieren entschieden sich 17 für den vertrauten Geruch, drei gaben hingegen dem Duft eines Fremden den Vorzug.

Im abschließenden Experiment wehte aus einem Schenkel des Y-Labyrinths der Eigengeruch des gefiederten Probanden, während in dem anderen Arm eine von drei verschiedenen sauberen Baumwolltaschen lag. Von 21 getesteten Vögeln steuerten 16 ihre persönliche Duftmarke an, vier weitere bevorzugten den "Kontrollgang". Folglich vermögen die Tiere sehr wohl ihren eigenen Geruch aufzuspüren. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Taubensturmvögel in der Lage sind, individuelle Dufthinweise zu erkennen und zu unterscheiden, die wahrscheinlich zur olfaktorischen Signatur ihres Baus beitragen", heben die Wissenschaftler hervor. Vielleicht – so spekulieren sie – nutzen die Tiere diese Duftnoten auch, um die Geschlechter auseinander zu halten.

Obwohl die Vögel ihren eigenen Geruch identifizieren können, vermeiden sie ihn in Gegenwart des "Parfüms" von einem Artgenossen. Durch die Abneigung gegenüber persönlichen Düften umgehen sie möglicherweise die Inzucht – ein kritischer Punkt, zumal die heimattreuen Tiere auf abgelegenen Inseln leben. "Inwiefern Düfte beim Erkennen von Verwandtschaft oder der folgenden Partnerwahl bei den Röhrennasen eine Rolle spielen, ist nicht bekannt", schreiben Bonadonna und Nevitt, "aber dieses Thema ist reif für weitere Untersuchungen an diesen und anderen Vögeln."

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