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Pokerface, sei wachsam!

Jeder weiß: Das absolute A und O beim Kartenspiel ist die Mimik. Man muss sie im Griff haben, will man die Partie gewinnen. Schon das kleinste Zucken mit den Mundwinkeln könnte den Spieler verraten. Heben sich die Augenbrauen, weil ein gutes Blatt überrascht? Oder verdüstert sich das Gesicht beim Anblick schlechter Karten? Jetzt hilft nur noch das Pokerface, um wieder Herr der Situation zu werden. Doch leichter gesagt als getan: Emotionen äußern sich unbewusst und in Sekundenschnelle in einem charakteristischen Mienenspiel.

Ständig zeigen Menschen unterei-nander Gefühle und sind damit beschäftigt, herauszufinden, was das Gegenüber fühlt. Denn wer den Ausdruck im Gesicht seiner Gesprächspartner richtig deutet, kann sie leichter verstehen und besser auf sie eingehen. Paul Ekman hat mit "Gefühle lesen" ein wunderbares Buch vorgelegt, das helfen möchte, Emotionen richtig zu erkennen und zu interpretieren. Mehr noch: Der Psychologe analysiert die versteckten Ursprünge und benennt ihre angeborenen oder erlernten Auslöser. Welche Macht haben sie als Kommunikationsmittel? Sind es nicht zuletzt unsere Empfindungen, die – wenn wir sie öffentlich machen – unsere Mitmenschen zum Handeln zwingen? Ekman untersucht seit rund vierzig Jahren, welche Rückschlüsse die menschliche Mimik auf ein Seelenleben erlaubt. Bekannt geworden ist der Amerikaner Mitte der 1960er Jahre mit völkerkund-lichen Studien, die bewiesen, dass der menschliche Gesichtsausdruck von Trauer oder Angst auf allen Erdteilen der gleiche ist. Er widerlegte die seinerzeit herrschende Lehrmeinung, wonach Mimiken sich aus der jeweiligen Kultur entwickeln.

In seinem neuen Buch konzentriert sich Ekman auf universale Gefühle. Dazu gehört die kurz währende Überraschung ebenso wie Ekel, Zorn oder die länger anhaltende Verzweiflung. Natürlich schlägt sich eine Regung auch in unserer Körpersprache oder Stimme nieder. Ekman beschränkt sich trotzdem auf die Mimik, weil die Gestik bewusster kontrolliert wird und das Wissen zu stimmlichen Signalen noch zu gering ist.

Dem Autor geht es nicht nur darum, unser Gespür für die Empfindungen anderer Menschen zu schärfen. Er vermittelt auch Techniken, wie wir eigene Gefühle genauer wahrnehmen und gezielt mit ihnen umgehen können. Dazu bietet er einfache Übungen: Die Leser sollen beispielsweise Bilder mit trauernden oder wütenden Menschen betrachten und ihren Gesichtsausdruck nachahmen. Zwar bringt eine Emotion immer eine bestimmte Mimik hervor, doch umgekehrt erzeugt auch das künstliche Mienenspiel ein bestimmtes Gefühl. Glaubt man Ekman, lässt sich so nachvollziehen, wie der Körper Empfindungen aufbaut.

Gefühle sind machtvoll und allgegenwärtig. Wir können in die Gesichter anderer Menschen blicken und in ihnen lesen wie in einem Buch. Gleichzeitig gelingt es uns nur bedingt, Erregung, Angst oder Freude zu verbergen. Das Buch möchte uns hier weiterhelfen – auch wenn Ekman weiß, dass die vollständige Beherrschung der Mimik gar nicht das Ziel sein kann.

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  • Quellen
Gehirn&Geist 6/2004

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