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Nanotechnik: Virulente Batterie

Wenige Nanometer große Bakteriophagen machen der Doppeldeutigkeit des Wortes "Batterie" alle Ehre: Wie Soldaten stehen sie stramm in Reih und Glied und erzeugen Spannungen.
Bakteriophage
Viren sind in der Regel Furcht einflößende Krankheitserreger: Sie befallen Zellen, um sich mit deren Hilfe zu vermehren, und lösen dadurch oft schlimme Seuchen oder Epidemien aus. Grippe, Masern oder Röteln gehören ebenso dazu wie Pocken, Tollwut oder die Immunschwäche Aids. Ihre Stärke ist ihre extrem hohe Widerstandsfähigkeit, denn sie überstehen härteste Umwelteinflüsse. Dabei hilft ihnen eine relativ rasche Anpassungsfähigkeit, oft begleitet durch die spontane Mutation ihrer Erbsubstanz.

Was Medizinern und Hygienikern regelmäßig Kopfzerbrechen bereitet, betrachten manche Nanotechniker nun als willkommenes Spielfeld. Schon heute experimentieren einige von ihnen mit derartigen DNA-Strukturen. Sie bedampfen das Erbgut mit Metall, um daraus Nanometer dünne Drähte herzustellen, die nanoskopisch kleine Maschinen mit Energie versorgen sollen. Was ihnen bislang noch fehlte, war eine möglichst leistungsstarke Stromversorgung in dieser Größe – am besten gleich ein wieder aufladbarer Akku.

Nun gibt es dazu eine richtungsweisende Arbeit von einem amerikanisch-koreanischen Team aus dem Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, Massachusetts. Die Arbeitsgruppe half der Natur ein wenig nach. Sie züchtete Bakterien befallende Viren – so genannte Bakteriophagen – mit dem Namen M13. Sie sind besonders gut in der Lage, Kobaltoxidmoleküle sowie Goldatome in den Proteinmantel einzubinden, mit dem sich die Keime umgeben. "Wir haben uns auf Kobaltoxid konzentriert, weil es eine sehr hohe elektrische Kapazität aufweist", verrät die Projektleiterin Angela Belcher vom MIT. Auf diese Weise erzeugt sie zusammen mit ihrem Team winzig kleine, natürliche Drähtchen. Sie sind sechs Millionstel Millimeter dick und 880 lang – so groß wie das Virus eben. Bringt man einen Haufen davon auf eine Oberfläche aus Polymeren, so richten sich diese Bakterienkiller wie auf Kommando von ganz alleine aus – ähnlich wie eine Kompanie stramm stehender Soldaten. "Zugleich können wir relativ simpel Millionen Klone von ihnen herstellen", behauptet Belcher.

Das Wichtige daran ist nun, dass sich die Armee der Viren auf dem Polymer verhält, als sei sie elektrisch negativ geladen. In Kontakt mit einem Elektrolyten lassen sie einen Stromfluss zu. Das ist der Grundzug einer Batterie. "Mit unserer Anordnung erzielen wir Energiedichten, die zwei- bis dreimal so hoch sind wie die herkömmlicher Batterien", meint Belcher. Mehr noch: Die Struktur zeigt ein hervorragendes Verhalten beim Wiederaufladen. Das beigefügte Gold verbessert die elektrischen Eigenschaften zusätzlich. Über zwanzig Ladezyklen unterzogen die Experimentatoren ihren Miniatur-Akkumulatoren, und sie erreichten Werte von 600 Milliamperestunden pro Gramm bei einer Spannung von bis zu drei Volt.

Die Forscher glauben nun, damit kompakte Energiequellen erzeugen zu können, die so klein sind wie Reiskörner. Sie ließen sich beispielsweise in Hörgeräten einsetzen. Darüber hinaus zeigen die Experimentatoren, dass sich außerordentlich biegsame Schichten herstellen lassen. Als einen weiteren Vorteil bezeichnen die Wissenschaftler die Tatsache, dass sie ihre elektrischen Viren bei normaler Raumtemperatur und bei normalem Luftdruck vermehren können, was das Herstellungsverfahren billig macht.

Daher erwarten die Forscher, dass ihre elektrisierenden Viren nicht nur gut sind für teure Nischenprodukte. Sie denken beispielsweise ebenso an Batterien für Autos – scheiterten doch bereits mehrere Versuche, Elektrofahrzeuge einzuführen, weil die verwendeten Stromspeicher zu geringe Leistungen erbrachten. Mit einer Bakteriophagen-Batterie ließe sich das nach Ansicht der Arbeitsgruppe möglicherweise bald ändern.

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