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Glaziologie: Entdeckung von Flüssen unter Antarktiseis ändert Forschungspläne

Die geplanten Vorhaben, in Seen unter der antarktischen Eisdecke nach Leben vergangener Zeit zu suchen, müssten neu überdacht werden, fordern britische Wissenschaftler. Sie vermuten dort große Flusssysteme, welche die einzelnen Gewässer miteinander verbinden.

Wissenschaftler um Duncan Wingham vom University College London hatten im Gebiet um die französisch-italienische Concordia-Station in der Ostantarktis an mehreren bis zu 290 Kilometer voneinander entfernten Orten anhand von Satellitendaten die gleichen Veränderungen der Eishöhe festgestellt. Solch eine regelmäßige Hebung könne nur auf Grund fließenden Wassers unter dem Eis entstehen, erklärten die Forscher.

Die vierzig bekannten subglazialen Seen in dieser Region könne man sich wie Perlen einer Schnur vorstellen, entlang derer meistens nur ein Rinnsal fließt, so Wingham. Wird der Druck in einem der Seen jedoch zu groß, schieße das Wasser über den Rand und bahne sich seinen Weg unter den Eismassen bis zum nächsten Stehgewässer. Diese Flüsse würden möglicherweise sogar so groß wie die Themse, mutmaßen die Wissenschaftler. Außerdem bringt der ständige Kontakt mit Wasser die Unterseite der Eisdecke zum Schmelzen, was eine Art Kaskadeneffekt auslöst. Ob das Wasser im Zuge einer kontinuierlichen Kettenreaktion direkt in den Ozean gelangt, oder ob der Prozess bei jedem See pausiert, bis erneut eine bestimmte Druckschwelle überschritten ist, blieb jedoch unklar.

Derzeit kennt man an die 150 subglaziale Gewässer, darunter den riesigen Wostok-See. Bei Versuchen, ihn zu beproben, könnten Mikroben von der Erdoberfläche in sein Wasser gelangen und sich von dort über subglaziale Flüsse ungehindert unter dem Eis ausbreiten. Zudem nähren die neuen Ergebnisse die Spekulationen, dass aus dem bisher isoliert geglaubten Wostok-See riesige Wassermengen ins Meer fließen. In wie weit solche Süßwassereinträge den Antarktischen Zirkumpolarstrom beeinflussen und welche Folgen eine mögliche Ausbreitung fremder Organismen unter dem Eis nach sich ziehen könnten, lässt sich zurzeit nicht abschätzen.

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