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Gravitationstheorien: Geprüfte Relativität

Bekanntermaßen ist eine Theorie nur so lange richtig, bis sie widerlegt wird. Da bildet auch Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie keine Ausnahme, selbst wenn das Prädikat Einstein bislang stets für wissenschaftliche Qualität zu stehen scheint. Ein System aus zwei Neutronensternen erlaubt den Forschern jetzt einen weiteren Test - und das gleich in mehreren Disziplinen.
Doppelpulsare
Ob nun ein Stein zu Boden fällt, die Planeten um die Sonne kreisen oder sich Sterne in Galaxien zusammenfinden- die Ursache ist stets dieselbe: die Gravitation. Das erkannte schon Isaac Newton und trat den Versuch an, die Schwerkraft in Formeln zu fassen. Dabei war er durchaus erfolgreich, aber eben auch längst nicht perfekt. Denn er betrachtete die Gravitation als eine Kraft, die in einer starren Kulisse aus Raum und Zeit zwischen den Massen wirkt. Etwa 200 Jahre nach ihm versuchte auch Albert Einstein sein Glück, indem er mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie gänzlich neue Wege beschritt.

In seinen Vorstellungen verknüpfte er Raum und Zeit zu einem vierdimensionalen Gebilde namens Raumzeit, die nun aktiv am Geschehen teilnahm. Galaxien, Sterne und andere Materie im Universum sollten eine Krümmung in ihr hervorrufen – vergleichbar mit Murmeln, die auf einer Gummimembran liegen und diese durch ihr Gewicht eindellen. Je schwerer die Masse, desto stärker die Krümmung. Umgekehrt bestimmt in seiner Darstellung der Raum wiederum die Bewegung der Materie. Damit verliert die Schwerkraft ihren Charakter als Kraft und ist nun eine Eigenschaft, die aus der Geometrie des Raumes folgt.

Durch die revolutionäre Sichtweise der Allgemeinen Relativitätstheorie konnten viele physikalische Vorgänge im Universum endlich exakter beschrieben werden, als es noch bei Newtons Gleichungen der Fall war. Andererseits brachte die Theorie auch bislang unbekannte Phänomene hervor. So sollte zum Beispiel das Licht eines Sterns, das nah an der Sonne entlang läuft, durch deren Schwerkraft abgelenkt werden. Während einer Sonnenfinsternis im Jahr 1919 konnte dieser Effekt wahrhaftig beobachtet werden – der erste Beweis für Einsteins Theorie.

Doch Licht kann danach nicht nur abgelenkt, sondert gar verzögert oder zu längeren Wellenlängen verschoben werden, wenn es von der Gravitation beeinflusst würde. Außerdem werden von der Allgemeinen Relativitätstheorie auch eine Reihe exotischer Dinge prophezeit, wie beispielsweise Gravitationswellen. Diese periodischen Verformungen der Raumzeit sollen entstehen, wenn Massen eine beschleunigte Bewegung erfahren. Anschaulich kann man sich die Bewegung einer solchen Welle als eine Streckung und Stauchung des Raumes vorstellen, den sie durchläuft. Direkt nachweisen konnte sie bislang allerdings niemand.

Denn all diese Effekte haben einen entscheidenden Nachteil: Sie sind so unglaublich gering, dass sie erst bei enormen Massen in den Bereich des Messbaren treten und damit überprüfbar werden. Aus diesem Grund ist das Interesse der Forscher, wie Michael Kramer Jodrell Bank Observatory, auf sehr extreme Ereignisse und Objekte im Kosmos gerichtet. Mit seinem Team untersuchte er über einen Zeitraum von etwa drei Jahren ein rasch rotierendes Doppelsternsystem aus Neutronensternen – nach Schwarzen Löchern die dichtesten Objekte im Universum.

Neben der enormen Masse liegt die eigentliche Besonderheit des 2000 Lichtjahre entfernten Systems PSR J0737-3039 darin, dass die Neutronensterne so genannte Pulsare sind. Ähnlich wie Leuchttürme senden sie stark gebündelte Radiowellen aus, die von den Astronomen als kurzes Signal erfasst werden, wenn ihre Strahlen die Erde überstreifen. Hierbei erscheinen die Strahlungspulse für gewöhnlich so regelmäßig, dass Pulsare oft als kosmische Uhren bezeichnet werden.

Ein Falschgehen auf Grund der enormen Schwerkraft, welche die beiden Sterne aufeinander ausüben, sollte den Astronomen also auffallen. Insbesondere, wenn wie im Fall von PSR J0737-3039 die Aufmerksamkeit von gleich drei der weltgrößten Radioteleskope auf das System gelenkt wird.

Doppelpulsare | Neutronensterne besitzen die Masse von mehreren Sonnen bei einem Durchmesser von nur etwa zwanzig Kilometern. Durch ihre enormen Gravitationsfelder krümmen sie die Raumzeit in ihrer Umgebung.
Behielt Einstein Recht, so sollten die Radiopulse des einen Pulsars durch den so genannten Shapiro-Effekt verzögert werden, wenn sie dicht an dem anderen vorüberziehen. Die Reisedauer der elektromagnetischen Strahlung wird dabei durch die Krümmung der Raumzeit im Bereich des massereichen Objektes verlängert – so die Vorstellung.

Tatsächlich zeigte sich eine minimale Verzögerung – um den neunzig Millionsten Teil einer Sekunde. Die in den Ankunftszeiten der Radiopulse gemessenen Variationen stimmten exakt mit den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie überein. Mit einer Messunsicherheit von nur 0,05 Prozent liefern die Wissenschaftler damit den genauesten Test, der bislang in derart starken Gravitationsfeldern durchgeführt wurde.

Aber auch andere Aspekte der Allgemeinen Relativitätstheorie ließen sich anhand der Pulsare überprüfen. Etwa durch die Beobachtung der Bahnen, auf denen sich die Pulsare innerhalb von etwa 2,4 Stunden mit Geschwindigkeiten von einer Million Kilometer pro Stunde umrunden. Kramer und Kollegen konnten zeigen, dass sich die Sterne dabei genau in der von Einstein vorhergesagten Weise bewegen.

Und noch etwas fiel ihnen auf: Der Abstand zwischen den beiden Pulsaren nahm jeden Tag um etwa sieben Millimeter ab. Der dabei auftretende Verlust an Rotationsenergie ließe sich durch Gravitationswellen erklären, die ein solches System laut Einstein abstrahlen sollte. Jetzt noch getrennt durch einen Abstand von etwa einer Million Kilometer, könnten die Neutronensterne dadurch eines Tages miteinander verschmelzen.

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