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Jahresrückblick: Traurige Rekorde

Problemklima, Problembären, Problemlisten und Problemquoten: Das vergangene Jahr bot Klimaforschern, Ökologen und Naturschützern wieder wenig Erfreuliches. Immerhin mussten die Geologen keine Megakatastrophen erklären wie in den Vorjahren, und die Paläontologen durften sich eines reichen Fossilienschatzes erfreuen.
Ozonloch 2006
Es scheint, als wollen der milde Herbst und Winter es noch einmal bekräftigen: Die Erde heizt sich auf, und der Mensch dreht am Regler. Rekorde purzelten im Juni – der in weiten Teilen Europas zu heiß war – und im vergangenen Herbst, selbst der Dezember fiel hierzulande bislang 4,5 bis 7 Grad wärmer aus als der langjährige Durchschnitt Größere Hitzewellen erfassten auch weite Teile Nordamerikas, den Mittleren Osten und China sowie Ostsibirien. Verwunderlich ist dies nicht, gilt doch die gegenwärtige Erderwärmung als die weiträumigste seit mindestens 1200 Jahren.

Klimawandel beschleunigt sich

Meereis in der Arktis 1979 (oben) und 2005 | Meereis in der Arktis 1979 (oben) und 2005
Nach Auswertungen von Temperaturmessungen und anderen Klimadaten kamen Timothy Osborn und Keith Briffa von der Universität von East Anglia zur Ansicht, dass selbst die mittelalterliche Warmzeit von 890 bis 1170 räumlich kleiner ausfiel als die heutige Erwärmung. Insgesamt war 2006 laut der US-Wetterbehörde NOAA das sechstwärmste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn 1901, während die Kohlendioxid-Werte mit 381 ppm (parts per million) einen neuen Höchststand erreichten – 100 ppm höher als vor der industriellen Revolution. Zudem erwies sich der Anstieg von 2,6 ppm im Jahresvergleich einer der höchsten des letzten Vierteljahrhunderts, die 30 ppm der letzten 17 Jahre waren sogar einmalig in einem 800 000 Jahre zurückreichenden Eisbohrkern von Eric Wolff vom British Antarctic Survey. Dass also der Mensch den Klimawandel antreibt, bezweifelt deshalb nur noch eine sehr kleine Minderheit der Wissenschaftler, und es häufen sich die Belege, wie sich die Erwärmung konkret auswirkt.

Glaziologen wie Lonnie Thompson von der Ohio State University in Columbia etwa spüren sie am Kilimandscharo, dessen Gletscher wohl schon innerhalb der nächsten zehn Jahre verschwunden sein dürften, und in den Alpen, wo unter anderem eine Wand des Eigers im Juli medienwirksam zerbröselte. Im erwärmten ostafrikanischen Hochland fühlen sich Anopheles-Mücken wohler und steigen die örtlichen Malaria-Fallzahlen, wie Mercedes Pascual von der Universität von Michigan in Ann Arbor nachwies. Und die schmelzenden Eisriesen Grönlands machen sich sogar seismisch bemerkbar, was Göran Ekström von der Harvard-Universität und seine Kollegen notierten: Rutschen die Gletscher talwärts ab, lösen sie während der Beschleunigung charakteristische Erdbebenwellen aus – ein an und für sich normaler Vorgang, der in den letzten Jahren aber deutlich häufiger wurde: Von 1993 bis 2002 schwankten die Zahlen nur zwischen 6 und 15 pro Jahr, 2003 waren es dann bereits 20 Erschütterungen, im Jahr darauf 24 und in den ersten zehn Monaten von 2005 sogar 32.

Kilimandscharo 2000 und 2006 im Vergleich | Kilimandscharo 2000 und 2006 im Vergleich: In den letzten Jahren hat sich der Verlust an Eis nochmals beschleunigt. Die Ursache ist höchstwahrscheinlich der Klimawandel.
Werte, die Berechnungen von Forscher um Scott Luthcke vom Planetary Geodynamics Laboratory der Nasa stützen. Sie ermittelten, dass Grönlands Eispanzer jährlich rund 100 Gigatonnen Masse verliert, das als Schmelzwasser ins Meer fließt. Satellitenbildauswertungen von Josefino Comiso vom Cryospheric Sciences Branch der Nasa in Greenbelt, zeigen zudem, dass mittlerweile sogar im Winter die Meereis-Ausdehnung deutlich schwindet. Im Jahr 2006 war sie sechs Prozent kleiner als im Vorjahr, während der winterliche Rückzug seit Beginn der Messungen 1980 sonst nur 1,5 bis 2 Prozent pro Jahrzehnt betrug. Dieser Verlust, die tauenden Gletscher und zunehmende Regenfälle über dem angrenzenden Festland süßen den Nordatlantik und das Nordpolarmeer aus, wie Bruce Peterson vom Marine Biological Laboratory in Woods Hole ermittelte. Das relativ kühle Frischwasser dämmt hier die ansonsten weltweit zu beobachtende Meereserwärmung ein, es lässt aber die Pegel weiter ansteigen.

Während dieser Zustrom also eher unerwünscht ist, soll das von der Menschheit ausgestoßene Kohlendioxid tatsächlich in die Ozeane – entweder natürlich oder durch absichtliches Hineinpumpen. Auf das Plankton allein sollten wir uns jedoch nicht verlassen, sofern sich die Daten von Michael Behrenfeld von der Oregon State University in Corvallis und seiner Kollegen bestätigen: Die Algen nehmen jährlich anscheinend zwei bis vier Millonen Tonnen weniger auf als bislang gedacht. Doch vrschwindet das Kohlendioxid auf irgendeine Weise, lösen sich noch lange nicht alle Probleme in Luft auf, denn auch andere Gase tragen zur Erderwärmung bei.

Eine eher unerwartete Emissionsquelle spürte das Team um Frank Keppler vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik auf: Ausgehend von Labormessungen schätzen sie, dass lebende Pflanzen jährlich etwa 60 bis 240 Millionen Tonnen Methan ausstoßen – überwiegend in den Tropen. Warum das Faulgas allerdings entgegen der gängigen Lehrbuchmeinung selbst unter sauerstoffreichen Bedingungen entsteht, konnten die Forscher jedoch nicht klären. Bekannt waren dagegen die Emissionen aus sibirischen Sümpfen und Seen. Dort entweichen je nach Standort zwischen 10 und 63 Prozent mehr Methan als ursprünglich vermutet, weil der Permafrost vor Ort verstärkt taut, berichtete Katey Walter von der Universität von Alaska.

Hurrikan-Flaute trotz Erwärmung

Es mehren sich außerdem die Zeichen, dass die Erderwärmung tatsächlich Zahl und Intensität von Wirbelstürmen im Atlantik und Pazifik steigert. Entsprechende Belege erbrachten etwa Benjamin Santer vom Lawrence Livermore National Laboratory und seine Kollegen, nach deren Computerberechnungen natürliche atmosphärische oder ozeanische Faktoren alleine nicht dafür verantwortlich sein können. Erst mit der Zugabe der anthropogenen Emissionen zeichneten die Simulationen die reale Entwicklung in den Ozeanen nach. Mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von mehr als achtzig Prozent verantworten Kohlendioxid, Methan und andere Treibhausgase mindestens zwei Drittel der beobachteten Aufheizung des Ozeans und damit die stürmischeren Zeiten.

Ein Resultat, das die Statistik James Elsners von der Florida State University in Tallahassee nachvollzieht: Je größer die Erwärmung von Juni bis November ausfiel, desto häufiger und intensiver entwickelten sich zumindest in den Jahren seit 1951 die Wirbelstürme. Und nach Michael Mann von der Pennsylvania State University und Kerry Emanuel vom Massachusetts Institute of Technology verursachte nicht ein natürlicher Zyklus die relativ windstille Phase zwischen 1950 und 1980, sondern die Luftverschmutzung. Aerosole aus nordamerikanischen und europäischen Industrieanlagen minderten die Sonneinstrahlung über dem Atlantik und kühlten ihn relativ ab – ohne diesen zusätzlichen Einfluss hätte es tatsächlich schon damals mehr Wirbelstürme gegeben.

Das vergangene Jahr fiel allerdings zumindest im Atlantik ruhiger aus, als nach dem heftigen Vorjahr befürchtet. Der Grund: Ein aufziehendes El-Niño-Ereignis erwärmt gegenwärtig den Pazifik vor Südamerikas Westküste, verändert damit selbst in der Karibik die Windverhältnisse und unterdrückte dort Hurrikane. Leicht optimistische Meldungen gab es 2006 ebenso von der Ozonschicht, denn trotz eines neuen Rekordlochs im September deuten sich wieder Tendenzen nach oben an. Elizabeth Weatherhead von der Universität von Colorado in Boulder und Signe Bech Andersen vom Dänischen Meteorologischen Institut wiesen steigende Ozonkonzentrationen in der Stratosphäre nach. Entgültig entwarnt werden kann jedoch noch lange nicht, denn Paul Newman vom Goddard Space Flight Center berechnete, dass es bis 2068 dauern könnte, bis sich das Ozonloch über der Antarktis endgültig schließt.

Rote Liste mit prominenten Neuzugängen

Weiter unten auf der Erde macht der Klimawandel dafür mittlerweile zunehmend der Tier- und Pflanzenwelt zu schaffen, die ohnehin bereits unter dem starken Druck von Lebensraumzerstörung, Übernutzung oder neu eingeschleppten Arten steht. Ein Blick auf die neue Rote Liste der Internationalen Naturschutzorganisation IUCN beweist dies eindrucksvoll: Neben den erstmals vertretenen Flusspferden und dem Eisbär tummeln sich weitere 16 000 Spezies in diesem traurigen Buch der vom Aussterben bedrohten Fauna und Flora. Mittlerweile gelten ein Drittel aller Amphibien, ein Viertel der Säugetiere und Nadelbäume, jede zehnte Vogelart, die Hälfte aller Süßwasserschildkröten und mindestens zwanzig Prozent der vorhandenen Hai- und Rochenspezies in irgendeiner Form global als vom endgültigen Verschwinden bedroht. Weitere 720 Tier- und Pflanzenvertreter rangieren sogar bereits in der Kategorie "ausgestorben" und 65 als "in freier Natur ausgestorben".

Zum Jahresende hat dieser traurige Artenfriedhof wahrscheinlich einen weiteren prominenten Neuzugang erfahren: Wochenlange Erkundungsfahrten einer internationalen Expertenkommission um August Pfluger auf dem Jangtsekiang erbrachten keine neuen Hinweise, dass der Baiji (Lipotes vexillifer) fortbesteht: Das Verschwinden dieses Flussdelfins wäre der erste dokumentierte Komplettverlust einer Walart. Und zumindest für Vögel könnte die Zahl von 129 offiziell ausgestorbenen Arten zu niedrig angesetzt sein. Forscher um Stuart Pimm von der Duke-Universität in Durham kalkulieren vielmehr mit rund 500 verschwundenen Vogelspezies seit 1500 – eine Rate, die hundertfach schneller wäre, als unter natürlichen Umständen zu erwarten.

Ein winzig kleiner Pilz namens Batrachochytrium dendrobatidis setzt wiederum den Amphibien rund um den Globus zu: Steigende Durchschnittstemperaturen fördern seine Ausbreitung in höhere Gebirgsregionen, wo er ganze Froschpopulationen ausmerzt, wie Alan Pounds – Wissenschaftler im Monteverde-Reservat in Costa Rica – und seine Kollegen feststellen mussten. Der "Hitlerkäfer" Anophtalmus hitleri ist bedroht, weil er wegen seines ungewöhnlichen Namens bei Sammlern stark gefragt ist, meldet Martin Baehr, Käferexperte der Zoologischen Staatssammlung München. Und mit dem schwindenden Packeis wird dem Eisbären sprichwörtlich der Boden unter den Füßen weggezogen, denn er braucht es, um erfolgreich Robben jagen zu können.

Unglückliches Ende für Bär "Bruno"

Braunbär | Braunbären wie dieser haben es in Deutschland auch heute noch nicht leicht – Artgenosse "Bruno" mutierte zum Problempetz und wurde erschossen.
Mit ganz anderen Problemen musste sich dagegen Braunbär "Bruno" herumschlagen – der erste Petz seit rund 150 Jahren, den es im vergangenen Juni erstmals wieder nach Ausrottung der Art Ursus arctos in Deutschland offiziell nach Bayern verschlagen hatte. Anfänglich noch euphorisch begrüßt, überspannten seine Bienenstock-Plündereien und Schafherde-Attacken bald den Bogen für die bayerische Staatsregierung: Sie fällten das Todesurteil durch Erschießen, sollte sich der zum "Problembären" mutierte Zuwanderer aus Italien nicht einfangen lassen. Selbst finnischen Spezialisten gelang dies aber nicht, und so starb Bruno am 26. Juni durch einen gezielten Schuss in der Nähe der Rotwand im Spitzingseegebiet.

Brandstiftung wird zunehmend bedrohlich für Orang-Utans; etwa 1000 Tiere starben während der diesjährigen Rodungssaison durch Feuer, das Platz für Palmölplantagen schaffen sollen. Gezündelt wird auch auf der anderen Seite des Planeten im Amazonasgebiet Brasiliens, wo Wälder in großem Ausmaß für Sojafelder weichen, wie eine Gruppe um Ruth DeFries von der Universität von Maryland belegen konnte. Das dabei frei gesetzte Kohlendioxid katapultierte Brasilien in der Rangliste der größten Emittenten auf Platz sechs und heizt den Treibhauseffekt an. Verdient um die Erforschung der Waldvernichtung am Amazonas machte sich 2006 erneut Daniel Nepstad vom Woods-Hole-Forschungszentrum: Seine Satellitenbilder zeigten, wo und aus welchen Gründen die Waldfläche am stärksten schrumpft und dass Schutzgebiete tatsächlich den Rodungen Einhalt gebieten. Ohne strenge Regelungen, warnt er, droht die Fläche des Amazonasregenwalds bis 2050 halbiert zu werden mit allen negativen Folgen wie Artenverlusten und Klimaschäden. Fallende Sojapreise verringerten jedoch zumindest 2006 die Abholzungen in Brasilien.

Unangenehme Botschaften dringen ebenso aus der Unterwasserwelt zu uns, wo die überfischten Meere immer deutlicher die Wissenschaftler sorgen. So belegten Jennifer Devine und ihren Kollegen von der Memorial-Universität in St. John's, dass die Fischbestände der Tiefsee nicht nur bereits ausgebeutet werden, sondern schon kritisch übernutzt sein könnten. Manche Arten wie Rundkopf-Grenadier (Coryphaenoides rupestris), Blauhecht (Antimora rostrata) oder Grönlandrochen (Bathyraja spinicauda) büßten laut ausgewerteter Fangdaten im Nordwestatlantik bis zu 98 Prozent ihrer einstigen Populationsgröße ein. Die kurz vor Jahresende verabschiedeten neuen Quoten der Europäischen Union für Kabeljau, Tunfisch und andere dürften dieser Ausbeutung kaum Grenzen setzen.

Kein Wunder ist es daher, dass 2006 nur sechs Nationen wichtiger Umweltziele zu 85 oder mehr Prozent erreichten und entsprechende Standards einhielten – mit Neuseeland an der Spitze und Deutschland im vorderen Mittelfeld. Bewertet wurden von Daniel Esty und weiteren Wissenschaftlern der Yale- und Columbia-Universität insgesamt 16 Kriterien wie Energieeffizienz, der Umgang mit Ressourcen, Wasserversorgung und -reinhaltung oder die Kohlendioxid-Emissionen. Immerhin wächst nach Erhebungen von Forstwissenschaftlern und Ökonomen um Pekka Kauppi von der Universität Helsinki zumindest in den reichen Nationen die Waldfläche wieder deutlich.

Naturschutz: Verzagen gilt nicht

Berlepsch-Paradiesvogel im Profil | Männlicher Berlepsch-Paradiesvogel im Profil: Die Art war bislang nur durch Museumsexemplare bekannt, die von einheimischen Jägern erworben worden waren.
Verzagen gilt trotz der Hiobsbotschaften von der Umwelt- und Naturschutzfront ohnehin nicht, denn immer wieder werden auch positive Meldungen veröffentlicht. So entdeckten mehrere von der Naturschutzorganisation Conservation International durchgeführte Expeditionen in ferne Tropenregionen von Menschenhand weitest gehend unberührte Riffe, Regenwälder oder Hochgebirge mit überwältigender Artenvielfalt und unbekannten Spezies. Derart ergiebig waren unter anderem Reisen nach Neuguinea, wo seltene Vögel wie Gelbscheitelgärtner (Amblyornis flavifrons) oder Berlepsch-Paradiesvogel (Parotia berlepschi) wieder und eine Honigfresserspezies neu gefunden wurden. Vor der Küste erblickten die Biologen zwei unbeschriebene Haispezies, die zusammen mit zahllosen Bakterien, Weichtieren, Würmern oder Fischen die Datenbanken des erfolgreichen Marinezensus auffüllten.

Mehrfach berichteten Forscher wie Joshua Goldstein von der Universität Stanford zudem, dass sich Naturschutz eben doch bezahlt machen kann: Eine intakte Umwelt offeriert Dienstleistungen wie Wasser- und Luftreinhaltung, die ansonsten teuer bezahlt werden müssen. Dazu können wahlweise noch Einnahmen aus dem Ökotourismus – sofern richtig angepackt – oder nachhaltiger Holzwirtschaft erlöst werden, was langfristig oft deutlich mehr einbringt als eine armselige Viehweide. Vielleicht unter anderem deswegen richtete der brasilianische Bundesstaat Pará Anfang Dezember das weltweit größte Regenwaldschutzgebiet am Amazonas ein.

Mount St. Helens | Mount St. Helens
Neben den klimatischen und biogeografischen Problemzonen widmeten sich die Geowissenschaftler 2006 aber auch den klassischen tektonischen Katastrophen. Geologen um Guiseppe Mastrolorenzo vom italienischen Nationalen Institut für Geophysik und Vulkanologie in Neapel beispielsweise warnten vor einem neuen heftigen Ausbruch des Vesuv, der langsam überfällig ist. Archäologische und geologische Spuren deuten zudem daraufhin, dass vergangene Eruptionen selbst das heutige Stadtgebiet Neapels mit seinen drei Millionen Bewohnern unmittelbar getroffen hatten, obwohl dieses eigentlich als sicher vor Lava- oder pyroklastischen Strömen galt.

Geologischer Krisenherd Indonesien

Gar nicht beruhigen will sich die Tektonik Indonesiens, das zwei Jahre nach dem schweren Weihnachtsbeben vor Sumatra dieses Jahr wieder mehrfach von Naturkatastrophen betroffen war. Zuerst mussten tausende Bewohner am javanischen Vulkan Merapi evakuiert werden, der lange bedrohlich brodelte, aber letztlich doch nicht ausbrach. Dann erschütterte ein Erdbeben die Insel, zerstörte große Teile der Stadt Yogyakarta und forderte rund 6000 Menschenleben. Und schließlich bildete sich Ende Mai im Osten Javas ein neuer Schlammvulkan, der seitdem ununterbrochen feuchtheißes Material ausspuckt und bereits mehrere Dörfer zerstörte.

Womöglich hängen alle diese Probleme zusammen – zumindest wenn die Erkenntnisse von Thomas Walter und Falk Amelung von der Universität Miami allgemein gelten: Sie hatten nach zeitlichen und räumlichen Zusammenhängen zwischen Vulkanausbrüchen und Erdbeben am Mauna Loa auf Hawaii gesucht. Bebte dort die Erde, lösten sich Spannungen in der Erdkruste, und durch die Druckentlastung konnten vulkanische Magmen leichter aufsteigen. Bislang als harmlos betrachtete stille oder aseismische Beben – ihre Krustenbewegungen sind zu langsam, um messbare seismische Wellen auszulösen – verursachen außerdem wohl doch nachfolgende nachweisbare Erdbebenschwärme. Insgesamt erhöhen sie zusätzlich den Druck auf die beteiligten Gesteinsplatten und könnten damit einer der Gründe für schwere Erdbeben der Magnitude 8 oder 9 auf der Richterskala sein, vermuten Geologen um Paul Segall von der Stanford-Universität.

Einen vierten Mechanismus für die Bildung von Vulkanen, der sich von allen anderen deutlich unterscheidet, hat Naoto Hirano von der Universität von Kalifornien in San Diego gefunden. Durch Risse in der ozeanischen Kruste strömte in der Tiefsee vor Japan in jeweils einer einzigen Eruption flüssiges Gesteinsmaterial aus geringer Tiefe an die Oberfläche und baute so genannte Petit Spots – Zwergvulkane – auf, die mangels Nachschub gleich wieder erloschen. Verantwortlich für diese Beben und Vulkanausbrüche ist die Plattentektonik, die vielleicht schon weit früher das Antlitz unserer Erde mitbestimmte: Schon im Archaikum vor 3,23 Milliarden Jahren könnten kontinentale Erdkrusten miteinander kollidiert sein oder sich getrennt haben, wie Mineralienfunde von Geologen um Jean-François Moyen von der südafrikanischen Stellenbosch-Universität andeuten.

Reiche Ausbeute für Dino-Jäger

Durchweg erfreuliche Nachrichten gibt es von den Paläontologen, die einige bedeutende Funde veröffentlichten. Die ältesten Fossilien überhaupt könnten die Stromatolithe – biologisch entstandene Sedimentgesteine – vom westaustralischen Strelley Pool Chert darstellen. Schon vor 3,43 Milliarden Jahre haben hier nach Meinung von Abigail Allwood von der Macquarie-Universität in Sydney Cyanobakterien gehaust und Strukturen geschaffen, die auf eine bereits höher entwickelte Diversität schließen lassen. Edward Daeschler, Neil Shubin und Farish Jenkins von den Universitäten in Philadelphia, Chicago und Cambridge schlossen mit Tiktaalik roseae dagegen die evolutionäre Lücke zwischen den tetrapodenartigen Fischen und den fischartigen Tetrapoden. Denn das in der kanadischen Arktis entdeckte, etwa 375 Millionen Jahre alte Fossil zeigte im Skelettbau schon typische Anpassungen an das Landleben wie einen ausgeprägten Nacken, der den Tieren mehr Bewegungsfreiheit erlaubte, und einen stabilen Brustkorb, der wohl auch der Schwerkraft an Land trotzen konnte. Es besaß außerdem noch Flossen, mit denen es sich ebenso zu Wasser gut fortbewegen konnte.

Europas größter Saurier | Europas größter Saurier
Der Argentinier Rodolfo Coria vom Paläontologischen Museum Carmen Funes in der Stadt Plaza Huincul grub zusammen mit Helfern in Patagonien einen der größten Fleisch fressenden Dinosaurier aller Zeiten aus: Mapusaurus roseae sei bis zu 12,5 Meter lang gewesen und damit noch größer als Tyrannosaurus rex und Giganotosaurus. Ganz anders dagegen die Zwergsaurier aus dem Harz, auf welche Paläontologen um Martin Sander stießen. Denn Europasaurus holgeri gehört mit maximal sechs Metern Länge und 1,70 Metern Höhe eher zu den Miniaturen seiner Zunft und schuldet diesen kleinen Wuchs anscheinend der einschränkenden Insellage seines damaligen Lebensraums. Im Zeitalter der Dinosaurier lebten weiterhin die ersten richtigen Radnetzspinnen, deren Überbleibsel David Penney von der Universität Manchester und Vicente Ortuño von der Hochschule in Alcalá in Bernstein aus der Unteren Kreidezeit vor 121 Millionen Jahren aufspürten.

Zur gleichen Zeit schwamm mit Gansus yumenensis auch der vermutlich erste Vorfahr der modernen Enten und Seetaucher durch die Seen des urzeitlichen Chinas. Deutlich später – im Miozän – lebten die Terrorvögel: Laufvögel, die dem Asiatischen Elefanten über die Schulter schauen konnten und tapirgroße Beute in den Steppen Patagoniens per Fußtritt erlegten. Trotz ihrer Größe waren sie aber wohl dennoch sehr agil, was Luis Chiappe und Sara Bertelli vom Naturhistorischen Museum in Los Angeles anhand neuer Knochenfunde einer noch unbestimmten Art namens BAR 3877-11 ermittelten.

Aus der relativen Nachbarschaft des Fossilien-Fundorts kommt schließlich noch die womöglich schönste Geonachricht des Jahres: Laut Nigel Fox vom britische National Physical Laboratory hat Rio de Janeiro den blauesten Himmel der Welt – die Farbe des Firmaments stimmte dort zumindest am Tage der Messung mit dem entsprechenden Bereich eines gängigen Farbdiagramms am engsten überein. Da konnte selbst der europäische Ausnahmesommer nicht mithalten.

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