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Stammzellforschung: Pluripotente Stammzellen aus Fruchtwasser und Plazenta gewonnen

US-amerikanische Forscher haben aus dem Fruchtwasser schwangerer Frauen Stammzellen gewonnen, die sich zu verschiedenen Zelltypen entwickeln können. Die Fruchtwasser-Stammzellen stammten vom jeweiligen Fötus.

Die Forscher vom Wake Forest Institute for Regenerative Medicine in Winston-Salem sowie von der Children's Hospital and Harvard Medical School in Boston untersuchten Fruchtwasserproben von 19 schwangeren Frauen, die zu einer pränatalen Untersuchung von möglichen Gendefekten ihrer Babys ins Krankenhaus gekommen waren. Dabei wurde ihren eine Nadel durch die Baudecke bis in die Fruchtblase gestoßen und etwas Fruchtwasser entnommen.

In den Proben des Fruchtwassers fanden die Forscher um Anthony Atala eine geringe Anzahl an Zellen, die ein ganz bestimmtes Stammzell-Antigen, das c-Kit, aufwiesen. Dieses Antigen spielt bei der Aktivierung der pluripotenten Zellen eine Rolle und dient darum als Erkennungsmerkmal von Stammzellen. Etwa ein Prozent der Zellen, die im Fruchtwasser enthalten waren, konnten so als Stammzellen identifiziert werden.

Neben den embryonalen Markern enthielten die Stammzellen jedoch auch Gen-Marker, die eigentlich nur bei adulten Stammzellen vorhanden sind. Deshalb untersuchten die Forscher die Chromosomen der Zellen, um herauszufinden, ob sie nun von der Mutter oder dem Fötus stammten. Bei Probandinnen, die einen Jungen erwarteten, fanden sich in den Fruchtwasser-Stammzellen jeweils ein Y- und ein X-Chromosom: Die Zellen waren also von dem männlichen Fötus. Da sie aber sowohl embryonale als auch adulte Gen-Marker besitzen, vermuten die Forscher, dass es sich um ein Zwischenstadium handelt.

Bei einer anschließenden Kultivierung im Reagenzglas entwickelten sich die Fruchtwasser-Stammzellen zu allen bekannten Zelltypen des embryonalen Keimblattes. Zudem konnten die Forscher sie zu verschiedenen adulten Zelltypen wie etwa Neuronen oder knochenbildenden Zellen ausdifferenzieren. Anders als embryonale Stammzellen entwickelten sie dabei keine Tumoren.

Um die Anwendbarkeit der Fruchtwasser-Stammzellen etwa bei Hirnerkrankungen zu testen, pflanzten die Forscher zudem daraus gewonnene menschliche Neuronen in die Gehirne von kranken Mäusen, bei denen eine fortschreitenden Krankheit Löcher in der Hirnmasse hinterlassen hatte. Die menschlichen Neuronen besiedelten die zerstörten Gebiete und bildeten Verknüpfungen zu den umliegenden Nervenzellen.

Schon 2003 hatte eine Gruppe um den Mediziner Markus Hengstschläger von der Medizinischen Universität Wien ähnliche Ergebnisse bekannt gegeben. Damals jedoch entdeckten die Wissenschaftler nur neuronale Stammzellen. Dass es zudem weitere, pluripotente Zellen gibt und diese auch für therapeutische Zwecke eingesetzt werden könnten, wurde erst mit der aktuellen Studie nachgewiesen.

Die Fruchtwasser-Stammzellen könnten in Zukunft als Nebenprodukt von Fruchtwasser-Untersuchungen gewonnen werden. Nach der Geburt könnte zudem die Plazenta der Mutter als weitere Stammzell-Quelle dienen. Auch dort fanden die Forscher Stammzellen des Kindes. Die beteiligten Forscher hoffen nun, mit der neuen Methode eine Möglichkeit geschaffen zu haben, um auf ethisch unbedenkliche Weise einen Vorrat an Stammzellen zu gewinnen, auf den sowohl das jeweilige Kind zugreifen könnte als auch andere Menschen, die als Empfänger geeignet wären. (tk)

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