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Energie der Zukunft - Zukunft der Energien: Zumindest eine Perspektive

Erdöl ist knapp, teuer und umweltschädlich. Kraftstoffe aus Biomasse mausern sich inzwischen zur Alternative: Bevor der Biosprit der ersten Generation richtig Fuß gefasst hat, scheint er bereits von der zweiten Generation überrollt zu werden.
Ob ein Bio-Gütesiegel schon bald auch an einer Zapfsäule prangt, ist noch nicht absehbar. Seit dem Jahreswechsel soll aber künftig per Gesetz mehr Bio in den Tank; Biodiesel und Bioethanol sind nunmehr den herkömmlichen Treibstoffen beizumischen. Gleichzeitig fallen Steuerbegünstigungen weg, was alle Autofahrer kurz nach Silvester gleich an der Tankstelle zu spüren bekommen haben. Besonders der Diesel soll zunehmend biogener werden: Nach den Vorgaben der Regierenden in Deutschland werden künftig etwas über vier Prozent des an den Tankstellen ausgegebenen Dieselkraftstoffs aus regenerativen, organischen Quellen stammen. Bei Benzin liegt die Quote in den nächsten Jahren bei durchschnittlich zwei Prozent.

Der Europäischen Union, die ein Grundsatzpapier zur europäischen Energiepolitik einschließlich eines Aktionsplans für Biomasse herausgegeben hat, ist das noch zu wenig. Sie fordert die europaweite Festsetzung eines Mindestziels für Biokraftstoffe bis zum Jahr 2020. Demnach soll über die 5,75 Prozent Beimischung, die für das Jahr 2010 angepeilt sind, hinausgegangen werden.

Denn angesichts der Potenziale, die Fachleute der Umwandlung von Biomasse zu Treibstoffen zuschreiben, ist selbst diese Zielmarke noch eher moderat zu nennen. So reicht bereits das technische Biomassepotenzial in Deutschland nach einer Realisierungsstudie, welche die Deutsche Energie-Agentur (dena) jüngst herausgab, um gut ein Fünftel des heutigen Kraftstoffbedarfs von etwa 60 Millionen Tonnen jährlich zu decken. Bis zum Jahr 2030 könnten es sogar mehr als ein Drittel des bis dahin prognostizierten Verbrauchs sein. Deutschland und Europa könnten so ihre Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten verringern – ein Thema, das in Anbetracht des weiterhin schwelenden Nah-Ost-Konflikts und der immer wieder stockenden Versorgung Europas mit russischem Öl zunehmend an politischer Brisanz gewinnt.

Die zweite Generation

Die Autoren der dena-Studie setzen auf BtL oder Biomass to Liquid – ein Treibstoff-Herstellungsverfahren der zweiten Generation. Flüssiger Kraftstoff wird dabei nicht einfach wie bei der Gewinnung von Biotreibstoffen der ersten Generation durch bloßes vergären oder verestern der zucker- oder stärkehaltigen Samen oder Früchte von Futtermitteln wie Zuckerrüben, Zuckerrohr, Mais, Weizen oder Rapps gewonnen. Für die Herstellung von BtL-Kraftstoffen können die Erzeuger statt dessen jegliche Art von biologischem Material verwenden: Dazu gehört die gesamte Pflanze sowie landwirtschaftlicher oder biologischer Abfall ebenso wie altes Fett oder Öl, Klärschlamm oder sogar Kunststoffabfälle.

Damit könnte gleichzeitig ein Streit beigelegt werden, der derzeit heftig ausgefochten wird: Kommt es wegen der Biokraftstoffe zu einer Verteuerung oder gar Verknappung von Lebensmitteln, weil sich Landwirte zunehmend dem Anbau von Pflanzen zur Energiegewinnung zuwenden, was wesentlich lukrativer für sie ist? Zumindest reiben sich bereits heute viele Landwirte vor Freude die Hände über den guten Nebenverdienst, oder sie werden gleich ganz zu Energiebauern.

Biokraftstoffe der zweiten Generation sollten auch die Gefahr verringern, dass weltweit großflächig Wälder gerodet werden, um in Monokulturen so genannte schnell wachsende Energiepflanzen anzubauen, wie es derzeit beispielsweise in Brasilien, Indonesien oder Malaysia der Fall ist. Diese Länder holzen bereits heute riesige Flächen ihrer tropischen Regenwälder ab, um die wachsende Nachfrage nach Sprit decken zu können.

Dieses Vorgehen widerspricht jedoch einem Grundgedanken der Bio-Bewegung. Schon aus Kostengründen setzen deren Anhänger vornehmlich auf Dezentralität, auf eigene, heimische Ressourcen also. Schließlich ist die Energiedichte von Biomaterial – sei es Obst, Gemüse oder Biomüll – generell nicht sehr hoch. Daher sollte deren Transport nicht mehr Sprit verschlingen, als schlussendlich aus der Verwertung heraus kommt – der exklusive Genuss von Lebensmitteln eventuell einmal ausgenommen. Kein Wunder also, wenn Forscher bei vielen Biomasse-Verwertungsstrategien negative Energiebilanzen errechnen. Aus diesem Grunde plant das Forschungszentrum Karlsruhe daher in ihrem Projekt Bioliq biogenes Material zunächst einmal dezentral in ein energiereicheres Zwischenprodukt – eine Art Schlamm – umzuwandeln, um ihn anschließend in größeren Raffinerien in Treibstoff umzuwandeln.

Ein achtzig Jahre altes Verfahren

Zentral für die Gewinnung von biogenen Kraftstoffen ist oft das so genannte Fischer-Tropsch-Verfahren: Das biologische Ausgangsmaterial wird zerkleinert in Kessel gefüllt, wo es – oft unter hohem Druck und Luftabschluss – so weit erhitzt wird, bis daraus ein kohlenwasserstoffhaltiges Synthesegas entsteht. Diesen Vorgang nennen die Fachleute Pyrolyse. Das Gas wird anschließend gereinigt und nach einem bereits 1925 von Franz Fischer und Hans Tropsch in Deutschland entwickelten chemischen Verfahren zu Kraftstoffen zusammengefügt.

Die Fischer-Tropsch-Synthese wurde erstmals während des Zweiten Weltkriegs großtechnisch eingesetzt, um Kohle zu verflüssigen. Auf diese Weise wollte sich das Dritte Reich unabhängig von Treibstoffimporten machen. Als das Erdöl nach dem Krieg auch in Deutschland wieder billig zu haben war, geriet diese Technik jedoch weit gehend in Vergessenheit, zumal das Verfahren recht aufwändig, energieintensiv und daher vergleichsweise teuer ist. So kalkulieren die Autoren der dena-Studie – an der sich auch namhafte Firmen wie Daimler-Chrysler, Volkswagen, BASF, die Deutsche BP, Total sowie der Anlagenbauer und Verfahrenstechniker Lurgi beteiligten – heute Produktionskosten zwischen 70 Cent und knapp einem Euro pro Liter Biotreibstoff. Das entspricht etwa dem Doppelten bis Dreifachen des heutigen Dieselpreises aus Rohöl.

Da sich inzwischen alle um die stark steigenden Ölpreise und um eine sichere Versorgung mit diesem Lebenselixier für die Wirtschaft Gedanken machen, besinnt man sich wieder auf die alten Techniken. Zudem ist wohl mittlerweile jedem bewusst, dass die Zeiten ausreichender Versorgung mit billigem, fossilem Erdöl bald vorbei sein dürften. Experten schätzen, dass eventuell noch ein oder zwei Generationen in den Genuss preisgünstiger Treibstoffe kommen.

Höchste Zeit also, um nach Alternativen Ausschau zu halten. Für viele liegt die Nutzung biogenen Materials daher auf der Hand. Schließlich ist Erdöl ja auch nichts anderes als "vergammeltes" Biomaterial – wenn auch gut gelagert. Zudem rechnen die Erzeuger von Biotreibstoffen vor, dass bei der Verwertung des biologischen Materials nur so viel des schädlichen Treibhausgases Kohlendioxid entsteht, wie die Pflanzen vorher aufgenommen haben. Es ist nach ihrer Ansicht also klimaneutral, wenngleich in einer realistischen Umweltbilanz sicherlich auch der Aufwand für den Transport und die Verarbeitung hinzugerechnet werden muss.

Es geht auch billiger

Um Biodiesel heute schon konkurrenzfähig zu machen, dreht Thomas Willner von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg an der Kostenschraube. Mit einem effizienten Verfahren der direkten Verflüssigung biologischen Ausgangsmaterials will der Verfahrensingenieur den Liter Biokraftstoff zu etwa 30 Cent anbieten. Das entspricht heutigen Marktpreisen. Das Geheimrezept des Prozesses sind katalytische Reaktionsbeschleuniger – zeolithische Aluminosilikat-Katalysatoren, die Christian Koch von der bayerischen Firma Alphakat in langjähriger Arbeit entwickelt hat. Sie spalten die langkettigen Kohlenwasserstoffketten der Biomaterialien in einem einzigen Arbeitsschritt und mit deutlich weniger Energieaufwand als beim Fischer-Tropsch-Verfahren unmittelbar zu Diesel. Willner und Koch bilden damit quasi in Zeitraffer die natürliche Erdölentstehung nach.

Doch es kommt noch besser: Ihre Anlagen wandeln sogar den kunststoffhaltigen Schreddermüll von Altautos zu Kraftstoffen um. Kein Wunder also, wenn auch hier Automobilkonzerne Willners Arbeiten mit großem Interesse verfolgen und ihn bei seinen Forschungen unterstützen, wenngleich er bislang nur eine bescheidene Probeanlage betreibt. Schließlich kann sein Verfahren noch nicht auf eine 80-jährige Geschichte zurückblicken. Nach seiner Ansicht hätte das Direktverflüssigungsverfahren aber eine realistische Chance, den Dieselsprit-Hunger Deutschlands vollständig zu stillen. Das wäre zumindest eine Perspektive für die Zukunft.

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