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Messtechnik: Attosekunden-Stoppuhr misst Elektronengeschwindigkeit

Attosekundenstoppuhr
Einem internationalen Forscherteam gelang es, die nur Attosekunden kurzen Flugzeiten von Elektronen beim Durchqueren eines Feststoffes in Echtzeit zu messen und zu vergleichen. Diese erste erfolgreiche derartige Messung ist Voraussetzung für das Endziel, den Elektronentransport in Festkörpern auf atomarer Skala gezielt zu beeinflussen und so deutlich schnellere Schaltkreise für verschiedene elektronische Hochleistungs-Anwendungen zu produzieren.

Adrian Cavalieri vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik und seine Kollegen beschossen einen Wolfram-Kristall mit einem extrem ultravioletten Lichtpuls von 300 Attosekunden Dauer. Einige Photonen des Lichtpulses werden dabei im Kristall absorbiert, wobei gleichzeitig sowohl lose gebundene Elektronen, die für die Leitung des elektrischen Stroms verantwortlich sind, als auch fest im Rumpf der Kristallatome gebundene Elektronen freigesetzt werden und der Oberfläche des Kristalls entgegenstreben.

Die Attosekunden-Stoppuhr | Überblick über das Experiment zur Echtzeitbeobachtung von Elektronentransports in einem Festkörperkristall. Die Forscher schickten einen extrem ultravioletten Lichtpuls von 300-Attosekunden Dauer sowie einen Infrarot-Laserpuls aus wenigen, gut kontrollierten Schwingungen des elektrischen Feldes, auf die Oberfläche eines Wolfram-Kristalls. Die sich daraus ergebenden Prozesse sind hier dargestellt: Der Attosekunden-Puls dringt in den Kristall ein. Dort werden einige der im Puls transportierten Lichtpartikel, die Photonen, absorbiert, wodurch sowohl lose gebundene Elektronen, die für die Leitung des elektrischen Stroms verantwortlich sind, als auch fest im Rumpf der Kristallatome gebundenen Elektronen freigesetzt werden. Beide Arten von Elektronen werden gleichzeitig angeregt, und eilen danach mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aus einer Tiefe von einigen Atomlagen an die Oberfläche. Die Leitungselektronen bewegen sich schneller fort als die Rumpfelektronen (hier als schnelle beziehungsweise langsame Elektronen bezeichnet). Sobald die Elektronen an der Oberfläche angekommen sind, wird ihre ursprüngliche Geschwindigkeit durch das elektrische Feld des Laserpulses modifiziert, und diese Änderung kann mit einem Flugzeit-Detektor nachgewiesen werden. Da sich die Feldstärke des Laserpulses extrem schnell mit der Zeit ändert (eine halbe Schwingung des Laserwelle dauert 1250 Attosekunden), hängt die Höhe der Geschwindigkeitsänderung empfindlich vom Zeitpunkt ab, zu dem die Elektronen die Oberfläche erreichen.
An der Oberfläche bestrahlte Cavalieris Team die auftauchenden Elektronen mit Hilfe eines ultraschnell oszillierenden Infrarot-Laserpulses, der ihr elektrisches Feld modifiziert. Dabei erfolgt eine Geschwindigkeitsänderung, die das Team wiederum mit einem Flugzeit-Detektor nachweisen konnte: Da die Feldstärke des Laserpulses extrem schnell mit der Zeit variiert (eine halbe Schwingung des Laserwelle dauert 1250 Attosekunden), hängt die Höhe der Geschwindigkeitsänderung empfindlich vom Zeitpunkt ab, zu dem die Elektronen die Oberfläche erreichen. Das Laserfeld diente also, indem es die Elektronengeschwindigkeit kontrolliert verändert hatte, als Attosekunden-Stoppuhr.

Die Messungen ergaben, dass die herausgeschlagenen Leitungselektronen etwa 110 Attosekunden früher als die Rumpfelektronen die Kristalloberfläche erreichen. Daraus folgt, dass die freigesetzten Leitungselektronen sich innerhalb des Kristalls doppelt so schnell bewegen wie die aus den Atomrümpfen herausgerissenen Elektronen.

Die Forscher hoffen nun, dass die Attosekunden-Messtechnik den Weg zur Entwicklung ultraschneller Schaltkreise der Zukunft ebnet, in denen die Richtung des elektrischen Stromes Tausend bis Hundert Tausend Mal schneller geändert werden kann. Die durch den Mikrochip vorgegebene Schaltzeit bestimmt beispielsweise die Zahl der Rechenoperationen, die ein Computer pro Sekunde ausführen kann. In den schnellsten Mikrochips der Gegenwart werden Elektronen von einer Mikrowellenspannung durch Nanostrukturen getrieben, wobei der elektrische Strom sich innerhalb von Nanosekunden an- und abschaltet. Könnten die Nanostrukturen verkleinert werden, so würden Schaltgeschwindigkeit und die Dichte des Informationsflusses wachsen.

Die untere Grenze der Miniaturisierung ist dabei wohl über die kürzeste Strecke gegeben, über die elektrischer Strom Information übertragen kann: die Abstände von benachbarten Atomen in einem Kristallgitter oder in einem Molekül. Solche Abstände überwinden Elektronen in Attosekunden. Rechnerisch könnte die Richtung des elektrischen Stromes in solchen Schaltkreisen atomarer Dimensionen mehr als eine Billion Mal in der Sekunde gewechselt werden, also mit einer Frequenz von bis zu mehreren Petahertz.

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