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Fossile Brennstoffe: Es gärt im Schlamm

Ein paar Jährchen wird's noch dauern, bis die Menschheit vom Schwarzen Gold völlig unabhängig geworden ist - Zeit genug jedenfalls, findet die Ölindustrie, um noch ein wenig in die Entwicklung der nächsten paar innovativen Technologiezyklen zu investieren. Sie schielt dabei vor allem nach Wegen, bis dato hartnäckig unzugängliche Schwarzgold-Adern anzuzapfen.
Wie lange das Öl der Welt reicht? Unwichtig – Realisten beschäftigt eher, wie lange es sich ökonomisch lohnen wird, immer tiefer und aufwändiger nach immer weniger wertvollen Ölquellen zu suchen. Die Faustregel ist übersichtlich: Verknappt sich das Angebot und steigt der Ölpreis, so lohnt sich Ölgewinnung auch aus kaum sprudelnden Lagerstätten, welche die schürfenden Pioniere zu Beginn der Ära fossiler Brennstoffverfeuerung einst weder kannten noch je hätten anzapfen können.

Lange vorbei: Förderfirmen investieren seit geraumer Zeit auch in Techniken, mit denen Ölsanden oder den schlierigen, minderwertigen Sedimenten von Öl-Reservoirs die letzten Tröpfchen verkaufbarer Brennstoff abgerungen werden kann. Gerade solche Schweröl-Ablagerungen wecken, schon allein durch ihre schiere Verbreitung, Begehrlichkeiten: Sechs Billionen Barrel sollen davon global ihrer Ausbeutung harren.

Unhebbare Schätze?

Die bei Raumtemperatur festen Schweröle sind allerdings eher minderwertige Rückstandsöle aus Abbauprozessen; sie enthalten recht hohe Anteile von Verunreinigungen und kaum brennbare Inhaltsstoffe. Um aus ihnen dennoch Verwertbares herauszuholen, ist enormer energetischer Aufwand notwendig. Der zähflüssige Ölteer muss mit Hochdruckdampf in eine förderbare Form gelöst werden, wonach dann dennoch nicht einmal ein Fünftel der verwertbaren Brennstoffe aus Schweröllagerstätten oder Ölsanden gewonnen wird.

Steve Larter glaubt das nun aber bald ändern zu können. Der Geowissenschaftler von der Universität Calgary hat mit Unterstützung eines norwegischen Ölkonzerns und eines interdisziplinären Teams einen genaueren Blick auf das geworfen, was unter natürlichen Bedingungen im zähen Schwerölschlamm tief unter der Erde passiert. Mit im Boot waren aus gutem Grund englische Mikrobiologen – sie beschreiben nun eine bakterielle Stoffwechselkette, die unter Luftabschluss Schweröl zu Methan abbaut. Ein solcher Prozess war bislang von Ölförderern nur erhofft worden, weil sich das gasförmige CH4 viel zwangloser gewinnen lässt als die zähflüssige Schwerölmassen vom Grund der tiefen Reservoirs.

Teamwork

Mehrere Bakteriengruppen arbeiten sich dabei gegenseitig zu, ermittelten Larter und Co mit Ölproben, die sie aus den Gullfaks-Nordsee-Ölfeldern ins Labor geholt und dann über mehrere Jahre unter naturnahen Bedingungen beobachtet hatten. Zunächst, so die Forscher, baut eine erste Fraktion von Bakterien die längeren Kohlenwasserstoffketten des Rohöls zu Essigsäure, Kohlendioxid und Wasserstoff ab. Auf diese Abbauprodukte stürzt sich dann eine zweite Bakterienpopulation, die Essigsäure und CO2 mit Wasserstoff zu Methan reduziert und vom dabei erzielten kärglichen Energiegewinn ihr genügsames Leben fristet.

"Wir könnten den natürlichen Prozess des bakteriellen Schwerölabbaus drastisch beschleunigen"
(Steve Larter)
Im Normalfall laufen diese Prozesse sehr langsam ab: Weil in dem einzigartigen Habitat Erdöllager viele für Wachstum und Vermehrung notwendige Nährstoffe wie Phosphat und Spurenelemente schlicht fehlen, bleiben die umsetzenden Bakterien stets dünn gesät. Das anglo-kanadische Forscherteam glaubt nun aber daran, die Bakterien vor Ort mit geeigneten Bakteriendüngern päppeln zu können und dadurch die Umsetzungsraten zu erhöhen: "Wir könnten den natürlichen Prozess drastisch beschleunigen – und dann vielleicht zwanzig Prozent des gesamten globalen Schweröls an Ort und Stelle zu Methan umsetzen", meint Larter. Zudem sei das gewonnene Methan ein deutlich saubererer und besser verwertbarer Brennstoff als das schmutzige Rückstandsöl.

Das vielleicht bald etwa per eingespritztem Kunstdünger turboproduzierte Methan aus der Tiefe müsste von dort nur irgendwie abgepumpt werden – ein technisches Problem, mit dem sich die Forscher zwar noch nicht praktisch beschäftigt haben, das aber nach ihrer Ansicht leichter zu lösen sein wird als die heute praktizierte Gewinnung der Schwerölteere. Im Jahr 2009 sollen erste Versuche in freier Wildbahn beweisen, dass all dies mehr als eine kühne Vision ist.

Vielleicht, so denken die Wissenschaftler noch einen Schritt weiter, ist aber das ungefähre Gegenteil ihres Plans sogar noch vielversprechender: Wenn die Methan produzierenden Bakterien nicht gedüngt würden, sondern gezielt abgetötet, und die verbliebenen Rohöl verdauenden Keime ihren ersten Schritt der Stoffwechselkette dennoch weiter durchführen – dann würde dort unten aus Rohöl nicht Methan, sondern massenhaft Wasserstoff entstehen. Mithin ein Treibstoff aus fossilen Ablagerungen, dessen Verbrennung gar keine klimawirksamen Kohlendioxid-Rückstände in die Atmosphäre blasen würde. Keine ganz schlechte Idee aus dem Lager der Ölförderer.

Das bleibt allerdings noch nur visionär und wird wohl auch nach 2009 mit ziemlicher Sicherheit nicht so bald marktreif sein. Bis die letzten Schwerölreste unter der Erde also endlich kostengünstig zu Gas gemacht werden können bleibt zu hoffen, dass ein paar andere pfiffige alternative Ideen in der Zwischenzeit helfen, den Energiehunger klimaneutral zu besänftigen.

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