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Plaudern über Evolution - (k)ein fischiges Vergnügen

Forscher plaudern über ihr Fachgebiet: Dieses Konzept steckt hinter der Reihe "Erzählte Wissenschaft" des supposé-Verlages. Nobelpreisträger Harald zur Hausen, Werner Nachtigall, Mojib Latif, Anton Zeilinger, Jürgen Tautz – die Liste der dafür gewonnenen Koryphäen ist so lang wie das Themenspektrum umfangreich.

Und angesichts des Darwinjahres 2009 gehört natürlich auch das Thema "Evolution" dazu. Als Erzähler dafür erkor supposé Axel Meyer, seines Zeichens Professor für Zoologie und Evolutionsbiologie an der Universität Konstanz. Sein besonderes Fachgebiet: Buntbarsche, diese "Paradebeispiele für die Fantasie der Evolution", wie er sie selbst bezeichnet. Und wer beim Thema Fisch eher an Filet denkt als an komplexes Verhalten, Selektion, Anpassungsmechanismen und Darwin, der dürfte nach den 79 Minuten O-Ton Meyer seine Meinung wohl geändert haben.

Denn: Axel Meyer kann gut erzählen. Er hat eine angenehme Stimme, moduliert, und eh man sich versieht, hat man anhand von kleinen, bunten Fischen einen lockeren Spaziergang durch Fachbegriffe und Prozesse der Evolution hinter sich – allgemein verständlich und anschaulich präsentiert.

Allerdings muss man dafür die etwas willkürlich wirkenden und wohl eben dem Darwinjahr geschuldeten ersten Tracks überstehen. In ihnen tauchen statt Buntbarschen zunächst jede Menge Vögel auf, während Meyer versucht, einen kurzen Abriss über die Geschichte der Evolutionsbiologie ab Darwin zu geben und im Telegrammstil unter anderem das Artkonzept, Selektionsmechanismen und evolutionäre Fitness erläutert. Trotz der eingesetzten Beispiele springt hier der Funken noch nicht über, der ruhige Ton Meyers wirkt sogar fast einschläfernd. Erschwerend kommt hinzu, dass ein roter Faden und jegliche Einleitung fehlt, der Zuhörer wird direkt überrumpelt und bekommt das Gefühl, dass er wohl aus Versehen das erste Kapitel übersprungen hat – das jedoch ist typisch für diese CD-Serie.

Als Meyer daher am Ende von Track 7 mit deutlichem Lachen in der Stimme erklärt, er solle nun vielleicht doch besser mal über Buntbarsche reden, kann man ihm nur zurufen: Oh ja, bitte. Denn das meistert er im Anschluss mit Bravour.

Obwohl es auch hier weiterhin Unterteilungen in Einzelstücke gibt, kann Meyer nun flüssig aus dem wissenschaftlichen Nähkästchen plaudern. Er erzählt vom Erfolg jener Buntbarschmännchen mit dem größten "Appartmentblock" aus Schneckenhäusern, mit denen sie Weibchen zu locken versuchen, Schuppenfressern und Algenrasplern, von den Vor- und Nachteilen der Sprösslingspflege im Maul von Mama oder Papa, Pädophagen, der wichtigen Rolle gelber "Eiflecken" an der Afterflosse der Männchen und dem zweiten Kiefer, den manche Arten auf erstaunliche Weise nutzen.

Der nun endlich gesponnene rote Faden entspricht denn auch tatsächlich dem Titel: All diese Besonderheiten schildert Meyer, um daran immer wieder neue Facetten dieser evolutionär so erfolgreichen Fische aufzuzeigen. Dabei demonstriert er auch, wie rasant diese Entwicklungen vor sich gingen – und schlägt dabei einen Bogen von Zeiten seiner eigenen Doktorarbeit in den 1980er Jahren bis hin zu den ökologischen Problemen, die das Einsetzen des Nilbarsches in den Viktoriasee heute mit sich bringt. Durch Sätze wie "Mir fällt gerade noch ein Beispiel ein für..." könnte man als Zuhörer wirklich meinen, Meyer sitzt einem gegenüber im Ohrensessel und erzählt einfach mal drauf los. Entspannt, begeistert, fundiert.

Angesichts der fehlenden strukturierten Einführung ins Thema wäre es dann aber schön gewesen, vielleicht eine solche Unterstützung im Booklet zu finden, das als "ausführliche, schön gestaltete Infobroschüre" angekündigt ist. Leider Fehlanzeige. Zwar ergänzen tolle Fischaufnahmen so manches Erzählte, doch abgesehen von einer kurzen Definition des biologischen Artkonzeptes nach Theodosius Dobzhansky und Ernst Mayr (eine Variante von vielen), bietet das kleine Heftchen keine weitere Hilfestellung – dabei wären auch einige Literaturhinweise durchaus bereichernd und erfreulich gewesen.

Insgesamt also ein netter Hörspaß für alle, die sich für eine anschauliche Darstellung von Evolution im Allgemeinen und die spannenden Eigenheiten einer Fischfamilie im Besonderen interessieren. Wenig überzeugend bleibt dabei nur die Zweiteilung in einen Abschnitt ohne und einen Abschnitt mit Buntbarschen: Meyer wäre sicher in der Lage gewesen, die in den ersten Tracks erläuterten grundlegenden Prinzipien ebenfalls mit Geschichten aus der Buntbarschforschung zu untermalen – dann wäre daraus wirklich eine runde Sache geworden.

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