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Feiertage: Wissenschaftlers Weihnachtsrat

Alles hängt ja bekanntlich irgendwie mit allem zusammen. Und weil "mit allem" insbesondere auch "mit Weihnachten" heißen kann, leuchtet in der stillen Zeit über dem Redaktionspostkasten ein prachtvoller Weihnachtsstern. Angezündet von zahlreichen Forschungseinrichtungen, soll er die Aufmerksamkeit auf gute und kuriose Ratschläge frisch aus der Forschung lenken, ganz so wie weiland der Stern von Bethlehem auf die Krippe Christi.
Weihnachtskekse
Kein Zusammenhang ist zu weit hergeholt, kein Ernährungsratschlag zu dick aufgetragen und kein Gefahrenhinweis zu banal, wenn alle Jahre wieder engagierte Presseabteilungen ihre Begeisterung dafür entdecken, wie sich Forschung und Fest vereinen lassen.

So kommt es dann, dass der allweihnachtliche Plätzchenverkauf an der Grundschule seiner Kinder den Soziologen und Mediziner Nicholas Christakis von der Harvard Medical School in Boston dazu veranlasst, seinen Landsleuten öffentlich und rundheraus eine "mass psychogenic disorder" zu attestieren – eine "Massenhysterie" zu Deutsch. Auslöser: die einfache Erdnuss oder wohl eher die rigide Anti-Erdnuss-Doktrin vieler US-amerikanischer Schulen.

Erdnussalarm

Dieser zufolge gehört die üble Hülsenfrucht zum Schutz von Allergikern gänzlich aus dem Gesichtskreis der Kinder verbannt. Und als im Advent wieder einmal der Verkauf unkontrollierbarer Backwaren anstand, schrillten süß die Alarmglocken. Zumal erst kürzlich an der offiziell für "nussfrei" erklärten Schule eine Erdnuss durch ein Sicherheitsleck gekullert kam und auf den Boden eines Schulbusses fiel. Der sei daraufhin evakuiert und gereinigt worden, erzählt Christakis und schimpft auf "völlig überzogene" Maßnahmen und kontraproduktive Angstmacherei [1].

Erdnüsse | Nicht ganz ungefährlich: Für manchen Allergiker sind Erdnüsse lebensbedrohlich. Doch scheint die Sorge teilweise auch übertrieben.
Aus Furcht würden immer mehr Kinder auf Erdnüsse verzichten – sehr zum Schaden ihres Immunsystems, dem dann der nötige prägende Kontakt damit fehle. Überhaupt sei die Allergie, bei der manchmal schon kleinste Mengen zu heftigen Reaktionen oder sogar zum Tod führen, nur darum auf dem Vormarsch. Doch weil Studien, die genau dies nahelegen, noch umstritten sind, schreiten Paranoia und Forschung weiterhin munter aus: Erst kürzlich stellten Wissenschaftler von der University of Georgia in Tifton gentechnisch veränderte Erdnüsse vor, denen sie – bei angeblich unverändertem Geschmack – die schlimmsten der Allergie auslösenden Proteine herausmontiert hatten [2].

Wie Studienleiterin Peggy Ozias-Akins erklärt, ist die Marktreife der völlig reizfreien Erdnuss leider noch nicht in Sicht, auf den erstklassigen Warnhinweis "Kann Spuren von genetisch modifizierten Erdnüssen enthalten!" können wir uns allerdings jetzt schon freuen.

Weil also alles nichts hilft, bestand die Schule von Christakis' Kindern darauf, dass die Eltern sämtliche Kekse persönlich an einer externen Verladestation abholen. Offenbar wurde nicht einmal die klassische Lieferung durch den Weihnachtsmann in Betracht gezogen, der ja ohnehin angesichts seiner roten Gesichtsfarbe, den geschwollenen Bäckchen und der heiseren Stimme höchst verdächtig ist, Opfer seines eigenen Gifts geworden zu sein.

Schoko pro und contra

Doch falsch gedacht, der gute Mann ist ganz einfach viel an der frischen Luft, um sich die Lust auf Schokolade dauerhaft wegzuspazieren. Dazu raten nämlich aus Anlass der Feiertage Forscher der University of Exeter in England. Ein flotter Marsch von 15 Minuten Dauer reduzierte bei ihren Probanden signifikant den Hunger auf Schokolade. Selbst das Auswickeln eines Riegels konnte die für drei Tage auf Entzug gesetzten Schokoladenesser nicht in Versuchung führen [3].

Schokolebkuchen und Dominosteine | Was wäre Weihnachten ohne Schokolade! Doch die drohenden Pfunde... Laut Forschern macht dunkle Schokolade aber lange satt – und ein ausgedehnter Spaziergang verhindert dann auch noch den Griff zur nächsten Leckerei.
Wie Versuchsleiter Adrian Taylor berichtet, halte der Effekt immerhin ganze zehn Minuten an. Für schokoladenfreie Feiertage dürften da schon einige Kilometer zusammenkommen, weshalb Taylor seine Methode insbesondere auch Abnehmwilligen anempfiehlt.

Ebenfalls um Gewichtsprobleme während der kritischen Tage sorgen sich die Autoren einer Studie der Universität Kopenhagen, raten allerdings zum fast genauen Gegenteil, nämlich einer "Schokoladendiät". Versuchspersonen, denen sie 100 Gramm dunkler Schokolade verabreicht hatten, aßen anschließend im Schnitt rund 15 Prozent weniger Pizza als die Kontrollgruppe. Das stark kakaohaltige Naschwerk verringere den Appetit auf Fettes, Süßes oder Salziges, schreibt Lone Brinkmann Sørensen, mache schneller satt als Milchschokolade und sei überhaupt ganz schön gesund. In Maßen genossen, versteht sich.

Gut gewogen

Auch Deborah Levine, Historikerin von der Washington University in St. Louis sieht den natürlichen Zusammenhang zwischen Dicksein und Weihnachten, weist aber auf den damit verbundenen Spaßfaktor hin. Sie berichtet von dem im späten 19. Jahrhundert verbreiteten Brauch, aus Edelhölzern gearbeitete und mit prächtigen Intarsien verzierte Personenwaagen im Wohnzimmer aufzubauen. "Sein Gewicht zu kennen, war damals ein absolutes Novum und die Leute hatte einen riesigen Spaß dabei, sich vor und nach dem Essen zu wiegen", sagt Levine. Verrückt, denkt man heutzutage: Womöglich aßen sie dabei sogar noch Erdnüsse.

Besser nicht Feuer und Flamme | Brandschutzmitteln helfen nicht gegen Baum in Flammen, im Gegenteil: Sie vergrößern die Gefahr, da sie die Nadeln austrocknen. Also lieber die Tanne ins Wasser stellen, raten Forscher.
Doch gehen die forscherlichen Tipps weit über Ernährungsratschläge hinaus. So haben Gary Chastagner von der Washington State University und sein Kollege Eric Hinesley von der North Carolina State University die gefahrenfreie Durchführung der Festlichkeiten im Blick, wenn sie davon abraten, frische Weihnachtsbäume mit Brandschutzmitteln einzusprühen. Die beiden getesteten Produkte SafeTree Christmas Tree Fire Retardant und RapidCool FRX Christmas Tree Retardant jedenfalls trockneten die Zweige aus, was sie empfindlicher für Funkenflug mache. Effektiv dagegen: die Tanne in einen Eimer Wasser stellen [4].

Und wie ist es mit der Bescherung und staunenden Kinderaugen, wenn dann endlich der Weihnachtsmann vor der Tür steht? Dass es ihn in Wirklichkeit gar nicht gibt, erfahren Kinder von ihren Eltern, wenn sie alt genug sind, oder finden es einfach selbst heraus. Serge Larivée von der Université de Montréal und Carole Sénéchal von der University of Ottawa haben extra untersucht, ob sich das in der Zeit zwischen einer Befragung aus dem Jahr 1896 und einer von 1979 verändert hat. Leider fehlen die Ergebnisse in der pünktlich herausgegebenen Pressemitteilung.

Immer aktuell

Mit den Weihnachtsstudien ist es ein bisschen wie mit den Geschenken, scheint sich dagegen Ron Eccles vom Common Cold Centre der Cardiff University gedacht zu haben: Man kann sich nicht immer eine Überraschung einfallen lassen! Deshalb macht es auch nichts, dass Eccles dieses Jahr nur herausfand, dass heiße Getränke typische Erkältungssymptome lindern. Seine nun veröffentlichte Studie sei die erste, die sich wissenschaftlich mit diesem Phänomen auseinandersetze, so der Autor [5]. Das glaubt vielleicht der Weihnachtsmann.

Tee für Seele und Körper | Eine heiße Tasse Tee ist nicht nur höchst entspannend, sondern wirkt auch Wunder bei mancher Erkältung.
Eine heiße Mischung wagen dagegen Aaron Carroll und Rachel Vreemann von der Indiana University School of Medicine: Sie rühren einen regelrechten Punsch mit hartnäckigen Volksmythen zusammen, um sie anschließend mittels einer gründlichen Literaturrecherche zu widerlegen [6]. Eine Auswahl kurz zusammengefasst: "Zucker macht Kinder hyperaktiv", "die Selbstmordrate ist über die Festtage besonders hoch", "Christsterne sind giftig", "man verliert die meiste Wärme über den Kopf" und "demnächst erscheint ein Buch der beiden, in dem all dies stehen wird". Wer herausfindet, welche dieser Vermutungen sich am Ende als richtig herausstellen wird, gewinnt ein Freiexemplar.

Kurz vor Schluss heißt es noch mal die Zähne zusammenbeißen: Joe Philip und Kollegen vom Leighton Hospital im englischen Crewe warnen eindringlich vor zu schweren Klobrillen. Bereits vier Fälle seien aktenkundig, in denen sich zwei bis vier Jahre alte Jungs ihr bestes Stück in einem herunterfallenden Toilettensitz eingeklemmt haben. Glücklicherweise kamen alle vier mit nur leichten Quetschungen davon [7]. Den aktuellen Trend zu Brillen aus Holz oder Keramik sehen die Autoren trotzdem problematisch und raten dazu, den Jungen beizubringen, den Sitz mit der freien Hand in einer aufrechten Position zu fixieren. Was das mit Weihnachten zu tun hat? Das ist wirklich schwer zu erkennen, weshalb Philip die Erklärung frei Haus direkt mitliefert: Während der Festtage zieht es viele Familien zu Oma und Opa oder Onkel und Tante, und deren massive Klodeckel blieben traditionell unbeachtet.

Keine Diskussion über den weihnachtlichen Anlass gibt es dagegen bei der letzten Untersuchung, derzufolge die Fähigkeit, überhaupt irgendeinen sinnvollen Zusammenhang herstellen zu können, mit jeder Tasse Glühwein rapide abnimmt. Das fand jetzt ein Team um Richard Zinken von der spektrumdirekt-Redaktion in Heidelberg heraus. Die subjektive Wahrnehmung sei davon jedoch nicht betroffen, berichten die Forscher, die in ihrer groß angelegten Studie außerdem nachweisen konnten, dass es den definitiv besten Glühwein auf dem Heidelberger Weihnachtsmarkt direkt gegenüber der Alten Aula gibt.

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