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Weltwassertag 2009: Geteilte Verantwortung

Pünktlich zum Weltwasserforum und dem Weltwassertag bricht in der Türkei Streit über eine geplante Privatisierung von Flüssen und Gewässern aus. Die hitzige Debatte wirft ein Schlaglicht auf die Frage, wie Staaten mit einer Ressource umgehen, die sie nicht allein besitzen.
Fluss im Danum
"Wasser ist ein Menschenrecht" – dieser Slogan der Wasserrechtsbewegung gewinnt in der Türkei derzeit besondere Bedeutung. Denn die türkische Regierung unter der Führung der konservativen AKP will anscheinend einen großen Teil der Wasserressourcen des Landes privatisieren. Für 49 Jahre sollen Konzessionen an Privatunternehmen vergeben werden, berichten Nichtregierungsorganisationen.

Sie berufen sich auf entsprechende Äußerungen des türkischen Ministers für Energie und natürliche Ressourcen, Hilmi Guler, aus dem Jahr 2007. Während der damaligen Wasserknappheit in Istanbul und Ankara erklärte er, dass die türkische Regierung zwölf bis dreizehn Flüsse privatisieren wolle, um so zukünftige Wasserprobleme zu lösen. "Für einige Flüsse wie Euphrat und Tigris wurden sogar schon konkret erwartete Verkaufserlöse genannt", schreibt das globalisierungskritische Netzwerk Attac in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel. Umgesetzt werden sollen die Pläne voraussichtlich in diesem Jahr.

Weltwasserforum sorgt für Konfliktstoff

Seit Montag treffen sich in Istanbul internationale Vertreter aus Politik und Wirtschaft zum fünften Weltwasserforum, das sich der besseren Kooperation von Wasserwirtschaft, Politik und Gesellschaft verschrieben hat. Das Treffen endet am 22. März, den die Vereinten Nationen zum Weltwassertag ausgerufen haben. Thema des Tages ist dieses Jahr treffenderweise die gemeinschaftliche Verantwortung beim Umgang mit transnationalen Flüssen und Gewässern.

Wichtige Ressource | Sauberes Trinkwasser ist ein kostbares Gut.
Kritiker fürchten, dass die türkische Regierung das Weltwasserforum nutzen könnte, um für ihr umstrittenes Vorhaben zu werben: "Das Treffen in Istanbul soll zur Initialzündung für die geplante Entscheidung der türkischen Regierung werden", sagt etwa Yildiz Köremezli-Erkiner, eine Mitorganisatorin der türkischen Protestbewegung gegen die Privatisierung türkischer Gewässer. Sie hat mit Mitstreitern ein Gegenforum auf die Beine gestellt, das in dieser Woche auf die Pläne der türkischen Regierung hinweisen soll.

Die Privatisierungspläne sind nicht das einzige Vorhaben, mit dem die türkische Regierung Wasserrechtsorganisationen gegen sich aufbringt. Auch das so genannte Südostanatolien-Projekt steht in der Kritik: Mit insgesamt 22 Staudämmen sowie 19 Wasserkraftwerken und Bewässerungsanlagen will die Türkei bis 2010 knapp 30 Prozent ihrer Wasserressourcen kontrollieren. Anrainerstaaten betrachten die Baumaßnahmen mit Sorge: "Das Projekt sorgt für Konflikte mit den Unterliegern des Flusslaufs, Syrien und Irak", sagt auch Wolfgang Kinzelbach, Hydrologe am Institut für Umweltingenieurwissenschaften der ETH Zürich. Besonders kritisch ist das Ilisu-Staudamm-Projekt am Tigris. Er soll kurz vor der Grenze zu Syrien das Wasser aufstauen. Zusammen mit den Staudämmen am Euphrat hätte die Türkei so faktisch die Möglichkeit, die zwei wichtigsten Wasseradern des regenarmen Syriens zu kontrollieren.

Wer entscheidet über die Nutzung transnationaler Gewässer?

Zwar garantieren bislang Abkommen zwischen beiden Länder, dass das Nachbarland ein Mindestmaß an 500 Kubikmeter Wasser pro Sekunde erhalten bleiben soll. Doch die Angst wächst, dass die Türkei Wasser auch als Druckmittel einsetzen könnte. So sagte etwa der ehemalige türkische Ministerpräsident Turgut Özal schon vor Jahren: "Mit dem Wasser ist es wie mit dem Öl. Wer an der Quelle sitzt, hat ein Recht darauf." Die Brisanz solcher Äußerungen ist der türkischen Regierung anscheinend bewusst: Die Staudämme des Südostanatolien-Projektes sind mit Flugabwehrraketen gesichert.

"Insgesamt kann man sagen, dass Wasser eine Ressource ist, die eher zur Kooperation anregt."
(Wolfgang Kinzelbach, ETH Zürich)
Das Beispiel Türkei zeigt, wie schwierig es mitunter sein kann, die Nutzung transnationaler Flüsse gerecht zwischen den Anrainerstaaten aufzuteilen. 263 Flüsse und Gewässer rinnen weltweit durch mehrere Länder, hinzu kommen über 300 unterirdische Aquifere, die sich nicht an Grenzen halten wollen. Wenn hier keine gerechten Vereinbarungen über die Nutzung der kostbaren Ressource ausgehandelt werden, ist das Risiko für kriegerische Auseinandersetzungen hoch. Das sieht auch das deutsche Außenministerium mit Sorge. "Wo Wasser knapp wird, wo um Wasser gestritten wird, drohen Unfrieden, Destabilisierung und Konflikte. Die Versorgung mit Wasser wird zu einem strategischen Zukunftsthema", sagte Frank-Walter Steinmeier auf einer Wasserkonferenz im April 2008.

Mehr Kooperationen als Konflikte

Dennoch gibt es Anlass zur Hoffnung. Die Vereinten Nationen etwa errechneten, dass es in den letzten 50 Jahren genau 37 akute Wasserkonflikte gegeben hat – während gleichzeitig knapp 300 internationale Wasser-Abkommen geschlossen wurden. "Insgesamt kann man sagen, dass Wasser eine Ressource ist, die eher zur Kooperation anregt", berichtet Wolfgang Kinzelbach. "Ein Damm kann den Unterstrom positiv und negativ beeinflussen, je nach Jahreszeit. Damit ist immer eine Verhandlungsbasis für Kompromisse vorhanden."

Donaudelta | Der am dünnsten besiedelte Landstrich Europas beherbergt zahlreiche Süßwasserfische und Vogelarten – wie zum Beispiel Pelikane.Das Donaudelta wurde 1991 von der UNESCO zum Weltnaturerbe ernannt.
Nicht allein die Nutzung, auch die Reinhaltung von Flüssen ist ein wichtiger Bestandteil von Kooperationen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Donau. Auf den fast 3000 Kilometern von ihren zwei Quellflüssen im Schwarzwald bis zum Delta im Schwarzen Meer durchquert sie zehn Länder. Dämme, Umweltverschmutzung und Wasserverbrauch setzten dem Fluss in den vergangenen Jahrzehnten stark zu. Gerade die hinteren Anrainer hatten in den 1990er Jahren unter dem verdreckten Wasser zu leiden.

1994 jedoch schlossen sich die Donauländer zu einer Schutzkommission zusammen. Seither verringern sie gemeinschaftlich die schädlichen Einleitungen von Abwässern, Düngemitteln und Abfällen. Sie schufen Nationalparks und renaturierten einige Stellen des stark begradigten Flusses – mit Erfolg. Die Verschmutzungen des Flusses sind deutlich zurückgegangen. Heute hat der Fluss zumindest die Gewässergüteklasse zwei bis drei erreicht.

Ob auch die gemeinschaftliche Nutzung von Euphrat und Tigris so harmonisch verlaufen wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass der Umgang mit der Ressource Wasser in den nächsten Jahrzehnten noch für einigen Gesprächsstoff sorgen wird.

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