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Genetik: Neue Risikogene für Autismus

Drei Wissenschaftlerteams haben neue Genvarianten ausfindig gemacht, die das Risiko für eine Störung im autistischen Spektrum erhöhen. In allen Fällen seien Bereiche betroffen, die einen entscheidenden Beitrag zur frühkindlichen Hirnentwicklung leisten. Den Wissenschaftlern zufolge verdichteten sich damit die Hinweise, dass eine Vielzahl von Genveränderungen den erblich bedingten Autismus und verwandte Krankheiten auslöse, die jeweils nur einen geringen Effekt haben oder bei einer Minderheit in Erscheinung treten.

Die größte der drei Studien identifizierte eine Erbgutvariante, die sich zwischen den Genen CDH9 und CDH10 befindet [1]. Beide Gene kodieren für so genannte Cadherine, die unter anderem dafür sorgen, dass sich zwei Zellen miteinander verknüpfen. "Die Cadherine sind daran beteiligt, die Struktur des Gehirns während des Wachstums zu formen und die Verknüpfung einzelner Hirnteile untereinander sicherzustellen", erläutert der Leiter der Studie Hakan Hakonarson von der University of Pennsylvania. Die Forscher schätzen, dass die beobachteten Variationen an dieser Position für 15 Prozent der Erkrankungen verantwortlich sind.

Die Wissenschaftler konnten überdies nachweisen, dass insbesondere CDH10 bei der Entwicklung des Frontallappens eine Rolle spielt – einer Hirnregion, die vor allem für höhere kognitive Leistungen verantwortlich ist. Gerade solche Funktionen sind bei Autismus in Mitleidenschaft gezogen. Studien in der Vergangenheit haben immer wieder darauf hingewiesen, dass bei den verschiedenen Formen von Autismus Nervenverbindungen im Gehirn schwächer ausgeprägt sind.

Ähnliche genetische Veränderungen wie Hakonarson beobachteten Forscher um Anthony Monaco von der University of Oxford, allerdings auf Chromosom 7 [2]. Dort ist das Gen DOCK4 betroffen. Es fördert ebenfalls Zellverbindungen, indem es zur Bildung von Synapsen beiträgt.

Einen anderen Ansatz wählten die Wissenschaftler der dritten Studie, die gleichfalls unter der Leitung von Hakonarson arbeiteten: Hier suchten sie gezielt nach so genannten Copy Number Variations. Viele DNA-Abschnitte liegen in Form mehrerer Kopien vor, deren Anzahl sich von Mensch zu Mensch unterscheiden kann. Die Genetiker entdeckten jetzt veränderte Häufigkeiten bei Erbfaktoren, die Zell-zu-Zell-Verbindungen herstellen sowie in Signalketten, die den Abbau funktionsuntüchtiger oder unnötiger Proteine regeln. Die Auswertung habe aber ergeben, dass solche Veränderungen in der Gen-Kopienanzahl eher selten Autismus verursachen, betonen die Wissenschaftler.

An den drei Untersuchungen waren über 100 Wissenschaftler und dutzende Forschungsinstitute beteiligt. In der größten der drei Studien wurde die DNA von weit über 10 000 Personen mit automatisierten Methoden ausgewertet, darunter das Erbmaterial von 780 Familien mit autistischen Kindern.

Weil Störungen aus dem autistischen Spektrum in manchen Familien gehäuft auftreten, spekulieren Wissenschaftler schon seit Längerem über einen genetischen Hintergrund. In den vergangenen Jahren stießen sie außerdem immer wieder auf Risikogene. Nicht in jedem Fall war dabei ein Zusammenhang der Gene zur Hirnentwicklung oder kognitiven Leistungen erkennbar. (jd)

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  • Quellen
[1] Wang, K. et al.: Common genetic variants on 5p14.1 associate with autism spectrum disorders. In: Nature 10.1038/nature07999, 2009.
[2] Maestrini, E. et al.: High-density SNP association study and copy number variation analysis of the AUTS1 and AUTS5 loci implicate the IMMP2L-DOCK4 gene region in autism susceptibility. In: Molecular Psychiatry 10.1038/mp.2009.34, 2009.
[3] Glessner, J. T. et al.: Autism genome-wide copy number variation reveals ubiquitin and neuronal genes. In: Nature 10.1038/nature07953, 2009.

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