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Umweltschutz: Alte Autoreifen taugen nicht als künstliches Riff

Die Idee war bestechend: Man versenkt alte Autoreifen im Meer, um künstliche Riffe für Meeresorganismen zu bauen. Doch die billige Entsorgung erweist sich als Fehlschlag.
Alter Autoreifen am Strand

Pünktlich zu den bis Sonntag, 24. Mai, laufenden Filmfestspielen von Cannes begannen französische Behörden damit, eine alte Umweltsünde zu beseitigen: Taucher holten rund 2500 alte Autoreifen aus dem Mittelmeer vor der französischen Riviera – ein Pilotprojekt, mit dem getestet werden soll, ob sich alle der dort versenkten 25 000 Pneus ohne größere Probleme entfernen lassen. Das berichtete "Le Monde". Vielfach liegen die abgefahrenen Gummis seit Jahrzehnten im Meer zwischen Cannes und Antibes: Sie sollten gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Denn damals erhoffte man sich von den versenkten Reifenbergen, dass sie künstliche Riffe bilden, an denen sich Pflanzen und Tiere ansiedeln, die wiederum den Fischfang steigern könnten. Und zugleich wurde man billig den Müll los, da sich die Pneus damals nur schlecht wiederverwerten ließen. Weltweit wurden deshalb Millionen Reifen in den Ozeanen entsorgt; mindestens 200 derartiger "Riffe" sollen vor allem vor den Küsten der USA, Japans, Malaysias und Israels existieren.

Doch die Erwartungen erfüllten sich nicht. Die relativ leichten Reifen wurden ein Spielball der Gezeiten und Meeresströmungen, welche die Gummiberge auseinanderrissen und die Einzelteile über den Grund trieben. Die umherirrenden Pneus zerstörten Seegraswiesen und echte Riffe, dagegen beherbergen sie deutlich weniger Organismen als erwartet. Verglichen mit anderen Kunstriffen – beispielsweise aus Beton – leben hier 40 Prozent weniger Tiere, wie Zählungen zeigten. Zudem sickern aus den Kunststoffen Schwermetalle und toxische Kohlenwasserstoffverbindungen in die Umwelt, die sich in der Nahrungskette anreichern und die vorhandenen Lebewesen belasten. Im weltweiten Vergleich sind die französischen Probleme jedoch überschaubar: Hier liegen schätzungsweise nur 90 000 Kubikmeter Reifen im Meer, während es rund um Japan 20 Millionen Kubikmeter sein sollen. Das Osborne-Autoreifenriff vor Fort Lauderdale in Florida wurde übrigens unter großzügiger Mithilfe des Reifenproduzenten Goodyear geschaffen: Von den ursprünglich zwei Millionen Reifen lagern immer noch 700 000 auf dem Meeresboden und erweisen sich als ökologisches Desaster. Mit Hilfe des US-Militärs werden sie seit 2007 nach und nach vom Grund gefischt.

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