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Publikationswunder: 7 wissenschaftliche Durchbrüche trotz Widerständen

Manchmal versagen wissenschaftliche Gutachter - und erkennen echte Durchbrüche nicht. Wir stellen sieben Errungenschaften vor, die einen Umweg nehmen mussten.
7 wissenschaftliche Durchbrüche, die dem Widerstand der Gutachter trotzten

Wie Jack Steinberger, US-amerikanischer Physiker und Nobelpreisträger, ganz richtig feststellte, "ist es nicht immer einfach, neue Ideen zu akzeptieren – manchmal sogar für die intelligentesten und aufgeschlossensten Menschen nicht". Viele grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse wären wohl erst später beachtet worden, hätten sie nicht der ein oder anderen Ablehnung durch die Gutachter renommierter Fachzeitschriften getrotzt – dabei wurden einige dieser Wissenschaftler im Nachhinein für ihre bahnbrechende Forschung sogar mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

7. Higgs-Modell, 1966 |

Mit der Begründung, sein theoretisches Modell garantiere keine schnelle Publikation auf Grund von physikalischer Irrelevanz, wurde das Manuskript des britischen Physikers Peter Higgs von "Physics Letters", einem führenden Journal, zuerst abgelehnt, bevor es von den "Physical Review Letters" im Jahr 1966 doch veröffentlicht wurde. In seinem Standardmodell beschrieb Higgs, wie die Grundbausteine der Materie unter Einfluss von vier wesentlichen Kräften miteinander interagieren. Eine seiner Hauptprognosen war die Existenz eines neuen Elementarteilchens, von dem alle anderen ihre Masse erhalten haben – dieses schwer fassbare, so genannte Higgs-Boson wurde 2012 am Large Hadron Collider des CERN bestätigt. Im Jahr darauf folgte die Verleihung des Nobelpreises für Physik an Peter Higgs und seinen belgischen Kollegen François Englert.

Higgs, PW (1966). Spontaneous symmetry breakdown without massless bosons. Physical Review, 145(4), 1156.

6. Laser, 1960 |

Am 22. Juni 1960 schickten Redakteure der "Physical Review Letters" mit den Worten, der Herausgeber sei nicht länger an repetitiven Manuskripten über Maser interessiert, einen Ablehnungsbescheid an den US-amerikanischen Ingenieur und Physiker Theodore Maiman, den Erfinder des ersten funktionsfähigen Lasers überhaupt. Diesmal half die Wiedervorlage des kurzen Berichts beim renommierten britischen Fachmagazin "Nature": Maimans innovative Idee wurde am 6. August 1960 veröffentlicht und erhielt zudem das Patent für die Entdeckung und Entwicklung dieses mit künstlichen Rubinen betriebenen Lasers. Heutzutage sind Lasergeräte geradezu omnipräsent: Die schmalen, aber intensiv leuchtenden Lichtstrahlen finden unter anderem beim Lesen von CDs, beim Lenken von Raketen, bei der Entfernung von Geschwüren, der genauestens definierten Abbildung von Geweben und bei der Stahlherstellung ihren Einsatz – und nicht zu vergessen dienen sie der Unterhaltung in Lasershows.

Maiman TH (1960). Stimulated Optical Radiation in Ruby. Nature 187, 493–494.

5. Endosymbiontentheorie, 1967 |

Mit ihrer im Jahr 1966 aufgestellten Behauptung, Genome von Zellorganellen wie Chloroplasten oder Mitochondrien seien die Relikte einst frei lebender, einzelliger Bakterien, die sich im Lauf der Evolution durch Fusion zu mehrzelligen, komplexeren Lebensformen entwickelten, biss die US-amerikanische Evolutionsbiologin Lynn Margulis bei rund fünfzehn wissenschaftlichen Herausgebern auf Granit. Der Grund: Zu dieser Zeit herrschte das Dogma, Chloroplasten und Mitochondrien enthielten gar keine DNA – der Inhalt der theoretischen Forschungsarbeit über den Ursprung eukaryotischer Zellen war demnach schlicht zu revolutionär. Doch was einen nicht umbringt, härtet ab: Lynn Margulis trotzte diesem Widerstand gegen neue Ideen hartnäckig und überzeugte ein Jahr später die Fachzeitschrift "Journal of Theoretical Biology" mit ihrer Theorie. Die bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts vom russischen Biologen Constantin Mereschowksy aufgestellte, jedoch von Margulis eigens ausgefeilte Symbiogenesis-Hypothese, gilt heute als Meilenstein der Evolutionsbiologie.

Sagan/Margulis, L. (1967). On the origin of mitosing cells. Journal of Theoretical Biology 14 (3): 225–274.

4. Kernspintomografie, 1973 |

Was heutzutage ein unverzichtbares Werkzeug zur hochauflösenden Bildgebung von Gewebs- und Organstrukturen ist, musste zunächst ebenfalls eine Ablehnung der "Nature"-Gutachter hinnehmen: Die Rede ist von der Kernspintomografie, auch bekannt unter dem Namen Magnetresonanztomografie (MRT). Die ersten, dem Manuskript beigefügten MRT-Aufnahmen wurden anfänglich als "zu verschwommen" abgetan – obgleich sie den Unterschied zwischen schwerem und normalem Wasser deutlich sichtbar machten. Lohn für die Ausdauer des Erfinders, des US-amerikanischen Chemikers Paul Lauterbur: Dank Wiedervorlage veröffentlichte "Nature" die Entdeckungen 1973 schließlich doch noch; zudem wurde Lauterbur zusammen mit dem britischen Physiker Sir Paul Mansfield im Jahr 2003 dafür der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin verliehen. Das medizinische Diagnostikverfahren ermöglicht eine dreidimensionale Bildgebung der Anatomie ohne ionisierende Strahlung.

Lauterbur, PC (1973). Image formation by induced local interactions: examples employing nuclear magnetic resonance. Nature, 242(5394), 190-191.

2. Mendelsche Vererbungslehre, 1866 |

Auch wenn diverse eingereichte Manuskripte in früheren Jahrhunderten nicht einmal eine formelle Begutachtung durchleben mussten (Paradebeispiel wäre Albert Einstein), stieß dieser österreichische Mönch und Naturforscher jahrelang auf heftigen Widerstand: Die Rede ist von Gregor Mendel, dem Urvater der modernen Genetik, der mit seinen Erbsenexperimenten den Grundstein für die uns heute bekannten mendelschen Vererbungsregeln legte. Seine Gesetze über die kombinatorische Vererbbarkeit von Eigenschaften der Eltern auf die Nachkommenschaft galten als Verletzung der zur damaligen Zeit dogmatisierten darwinschen Pangenesishypothese. Seine Forschungsergebnisse wurden dennoch im Jahr 1866 in einer deutschsprachigen Fachzeitschrift veröffentlicht. Die Schrift zählt in Forscherkreisen zu einer der drei "bedeutendsten und berühmtesten" in der Geschichte der Biologie.

Mendel, G. (1866). Versuche über Pflanzenhybriden. Verhandlungen des naturforschenden Vereines in Brünn, Bd. IV für das Jahr 1865, Abhandlungen, 3–47.

1. Hawking-Strahlung, 1974 |

Der britische Kosmologe Stephen Hawking ist einer der berühmtesten Wissenschaftler der Welt. Doch auch seine theoretischen Arbeiten trafen teilweise auf Widerstand – darunter sein heute als wichtigstes Werk anerkanntes Postulat der Hawking-Strahlung, die Schwarzen Löchern entkommt und somit diese an Energie und damit auch an Masse schrumpfen lässt. Obgleich Hawking die bisherige Prognose, Schwarze Löcher schluckten Informationen von Objekten, im Januar dieses Jahres widerlegte, verletzte er damit ursprünglich einen Grundsatz der Quantentheorie. "Nature" zierte sich zunächst, das Manuskript zu veröffentlichen, tat es im Jahr 1974 aber schließlich doch noch und räumte dieses historische Fehlurteil später sogar offiziell ein. Durchhaltevermögen lohnt sich also – um es mit den Worten dieser lebenden Legende zu sagen: "It matters if you just don't give up."

Black hole explosions. S.W. Hawking (1974). Nature, 248, 30-31.

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