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Atomkernuhr: Einzigartiger Quantenübergang soll eine neue Art von Uhr ermöglichen

Ein lange gesuchter Energiezustand des Thoriumatomkerns verspricht Präzision weit jenseits heutiger Atomuhren. Dabei wäre eine solche Atomkernuhr sogar weniger komplex.
Eine stilisierte Darstellung eines Atoms, die tatsächlich in jeder nur denkbaren Hinsicht falsch ist.
Bei bisherigen Atomuhren misst man die Frequenz von Übergängen in der Elektronenhülle. Eine Atomkernuhr, bei der Übergänge zwischen Kernzuständen Taktgeber sind, wäre deutlich genauer.

Eine Sekunde Abweichung in 15 Milliarden Jahren – und doch ist das nicht genau genug. Unsere heutige Zeitmessung basiert auf charakteristischen Strahlungsübergängen in der Elektronenhülle des Cäsiumatoms. Die Frequenz der ausgesandten Mikrowellenstrahlung dient als eine Art Pendel, das exakt 9 192 631 770-mal in einer Sekunde schwingt. Doch diese Präzision zu erzeugen, ist extrem aufwändig: Die Atome müssen ultrakalt sein und von Magnetfeldern abgeschirmt werden. Und dennoch sind diese Uhren nicht präzise genug für manche Zwecke.

Ein anderer, seit geraumer Zeit vergeblich gesuchter Quantenübergang könnte nun den Weg weisen zu Uhren, die nicht nur genauer, sondern sogar einfacher und stabiler sind. Einem Team um Ekkehard Peik von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig und Thorsten Schumm vom Atominstitut der Technischen Universität Wien ist es nun gelungen, einen ganz besonderen Energiezustand im Thoriumatomkern gezielt mit einem Laser anzuregen – und zwar im Atomkern. Wie das Team in der Fachzeitschrift »Physical Review Letters« berichtet, handelt es sich um einen Übergang zu einem so genannten Kernisomer mit einer etwas anderen inneren Ladungsverteilung. Entscheidend ist, dass dieser Übergang eine für Kernzustände einzigartig niedrige Energie hat. Dadurch konnten die Fachleute ihn mit einem einfachen Tischlaser anregen.

Übergänge in Atomkernen haben gegenüber solchen in der Elektronenhülle einige Vorteile. Der Kern ist wesentlich kompakter, und während äußere Einflüsse die Elektronen stören können, schirmen diese den Kern ab. Deswegen kann man sich bei Kernübergängen das ganze Brimborium mit ultrakalten Atomen im Vakuum sparen: Das Team um Peik und Schumm lagerte die Thoriumatome einfach in einen Kalziumfluoridkristall ein. Der größte Vorteil jedoch ist bei Kernübergängen, dass die entstehende Strahlung eine weit höhere Frequenz hat. Dadurch kann man auch Zeiten deutlich präziser messen.

Die hohe Frequenz bei Atomübergängen ist aber gleichzeitig das große Problem: Einfache Laser reichen dafür normalerweise nicht aus. So haben andere Fachleute bereits einen ähnlichen Kernübergang im Element Scandium anregen können – allerdings ist der dafür nötige Laser, der 3,4 Kilometer lange Röntgenlaser European XFEL, für alltägliche Anwendungen etwas unhandlich. Deswegen ist der ungewöhnlich energiearme Kernübergang im Thoriumatom so bedeutsam. Die Kombination aus einfacher Lasertechnik, dem Kristall als Taktgeber und der enormen Präzision des Kernübergangs bringt nicht nur unvorstellbar präzise Atomkernuhren in Reichweite, sondern macht auch transportable Geräte vorstellbar, die zum Beispiel Gravitationsfelder mit bisher unerreichter Genauigkeit vermessen können.

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  • Quellen
Phys. Rev. Lett. 132, 182501, 2024.

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