Schutz gegen Korrosion und eine ansprechende Optik, das sind die
wichtigsten Funktionen der etwa 90 000 Tonnen Lack, die pro Jahr in
Deutschland auf fast sechs Millionen Neuwagen aufgetragen werden. Jede Karosserie durchläuft dabei nicht weniger als fünf verschiedene Beschichtungsprozesse, bevor ihre neue Außenhaut allen technischen und visuellen Anforderungen genügt.
Autolacke bestehen üblicherweise aus mehreren leicht flüchtigen Komponenten,
heute meist auf Wasserbasis, und nicht flüchtigen Bestandteilen,
die nach dem Aushärten des Lacks auf der Karosserie verbleiben: Bindemitteln,
Pigmenten, Füll- und Hilfsstoffen. Damit eine Mischung dieser Substanzen
dauerhaft auf Metall haftet, muss dieses vorbehandelt werden. Eine
phosphorsäurehaltige Lösung raut dazu seine Oberfläche auf und erzeugt
eine Schicht aus Phosphaten, beispielsweise bei einer bereits verzinkten Karosserie
aus Zinkphosphat sowie Phosphaten von Mangan und Nickel. Weil
deren Kristallgitter dem des Metalls sehr ähnelt und die Sauerstoffatome der
Phosphatgruppen eine große Neigung zur Bindung an das Metall aufweisen,
haftet ein solcher Untergrund besonders zuverlässig. Andererseits vermittelt
er auch zum Epoxidharz der Grundierung eine gute Adhäsion, denn dessen
elektrisch polare Gruppen wechselwirken mit dem Phosphat.
In einem Bad wird diese Grundierung elektrochemisch aufgetragen. Sie trägt den Hauptanteil am Korrosionsschutz. Unebenheiten
gleicht ein Füllerlack aus. Seine Bindemittel sind Polyester oder
Polyurethane, ihre Elastizität macht den gesamten Schichtaufbau unempfindlicher gegen Stein- und Splittschlag.
Erst der nun folgende Basislack gibt der Lackierung ihre Farbe oder ruft
besondere Lichteffekte hervor. Unilacke enthalten Buntpigmente, Metallic-Lacken
setzen die Hersteller mikroskopische Aluminiumplättchen zu, für
Perlglanz oder Farbflop – Farbänderungen je nach Betrachtungsrichtung -
zeichnen metalloxidbeschichtete Glimmerpartikel verantwortlich. Prestigeträchtige
Sonderlackierungen, die das Changieren von Seidenstoffen oder
das Schillern von Schmetterlingsflügeln nachahmen, kosten oft einige tausend
Euro mehr als die Standardausführung.
WUSSTEN SIE SCHON?
Mit den Nitrolacken, Lösungen von Nitrozellulose in organischen
Estern, begann in den 1920er Jahren die Fließbandlackierung
von Kraftfahrzeugen, fast vierzig Jahre nach den
ersten motorisierten "Velocipeden" von Carl Benz. Nach dem
Aufspritzen waren die Lackschichten innerhalb weniger Minuten
trocken und schleifbar, erlaubten also kurze Taktzeiten.
Eine Klarlackschicht auf Acrylat-Grundlage versiegelt schließlich den
Basislack und verleiht ihm Glanz, Witterungsbeständigkeit und in gewissem
Maße auch Kratzfestigkeit. Füller, Basis- und Klarlack werden zum größten Teil elektrostatisch
von Automaten in Reinraumkabinen aufgesprüht, jeder an einer eigenen
Station. Üblicherweise verfügt jede über einen
"Dachautomaten" mit drei Zerstäubereinheiten für die Lackierung von
Motorhaube, Dach und Heckklappe sowie zwei "Seitenautomaten" mit je
drei Einheiten für die seitlichen Karosserieteile. Die elektrostatischen Sprühtechniken
arbeiten äußerst effektiv: Etwa neunzig Prozent des eingesetzten
schichtbildenden Materials kommen schlussendlich tatsächlich auf der
Karosserie an.
Die einzelnen Lackschichten härten bei 120 bis 180 Grad Celsius in
Durchlauftrocknern mit Umluft oder Wärmestrahlung aus. Grundierung,
Füller und Klarlack werden außerdem an verunreinigten Stellen geschliffen
und gesäubert (der Basislack würde durch das Schleifen unschöne Riefen
zeigen). Bis eine Karosserie diese Abfolge durchlaufen hat, vergeht
heutzutage etwa eine Arbeitsschicht von sieben Stunden.
"Wissenschaft im Alltag" ist eine regelmäßige Rubrik in Spektrum der Wissenschaft. Eine Sammlung besonders schöner Artikel dieser Rubrik ist soeben als Dossier erschienen.
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