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Sexualität: Tu mir weh!

Trotz des Erfolgs von "Fifty Shades of Grey" werden Paare, die ihre sadomasochistischen Fantasien offen ausleben, ­weiterhin schief angesehen. Unterscheiden sie sich von Menschen mit gewöhnlichen erotischen Vorlieben?
Eine Frau ist im Stil des Bondage gefesselt

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im kargen Untersuchungsraum eines Forschungslabors. Auf dem Fernsehbildschirm vor Ihnen läuft ein Pornofilm. Ihr Körper ist verkabelt: Elektroden an Brust und Fingerspitzen überwachen Herzrate und Hautleitfähigkeit, Ihr Genital ist mit einem Sensor verbunden, der die sexuelle Erregung misst. Noch dazu klebt an Ihrem Arm ein dünnes Kabel, das geradewegs zu einem elektrischen Stimulator führt. Über dem Fernsehbildschirm leuchten drei kleine Signallämpchen in zufälliger Reihenfolge auf: Das erste kündigt mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Elektroschock an. Das zweite Lämpchen ebenfalls – aber nur dann, wenn Ihre sexuelle Erregung einen bestimmten Wert nicht überschreitet. Ein Aufleuchten des dritten Lämpchens bleibt hingegen folgenlos.

Was nach einer bizarren erotischen Kurzgeschichte klingt, war tatsächlich ein psychologisches Experiment, das der Sexualforscher David Barlow von der State University of New York at Albany 1983 durchführte. Zu­sammen mit Kollegen untersuchte er, wie seine zwölf männlichen Probanden auf diese Furchtkonditionierung reagieren würden. Interessanterweise schienen die angekündigten Schmerzreize der sexuellen Erregung nicht im Weg zu stehen. Ganz im Gegenteil: Ein Aufleuchten der Lämpchen 1 und 2 führte dazu, dass der Penisumfang der Versuchspersonen kurzzeitig deutlich anschwoll – sehr zur Überraschung der Teilnehmer selbst, die eher mit dem gegenteiligen Effekt gerechnet hatten. Das Ergebnis stand im Widerspruch zur damals herrschenden Auffassung, Angst wirke prinzipiell lustmindernd.

Zwar spielt Barlow in der Sexualforschung eine eher zweifelhafte Rolle (zu seinen wissenschaftlichen Interessen gehörte auch die "Therapie" von Homosexuellen). Doch seine Studie zeigt eindrucksvoll, dass nicht nur positive Empfindungen wie Freude oder Geborgenheit mit sexueller Erregung verknüpft sein können. Auch Furcht und Anspannung können im richtigen Kontext durchaus stimulierend wirken. ...

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  • Quellen

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Barlow, D. et al.: Anxiety Increases Sexual Arousal. In: Journal of Abnormal Psychology 92, S. 49 – 54, 1983.

Briken, P.: Paraphilie und paraphile Störung im DSM-5. In: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 9, S. 140 - 14, 2015.

Joyal, C. et al.: What Exactly is an Unusual Sexual Fantasy? In: The Journal of Sexual Medicine 12, S. 328 - 340, 2015.

Krafft-Ebing, R.: Psychopathia sexualis. Mit besonderer Berücksichtigung der conträren Sexualempfindung: Eine klinisch-forensische Studie. Verlag von Ferdinand Enke, 1907.

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Sagarin, B. et al.: Hormonal Changes and Couple Bonding in Consensual Sadomasochistic Activity. In: Archives of Sexual Behavior 38, S. 186 – 200, 2009.

Wismeijer, A. et al.: Psychological Characteristics of BDSM Practitioners. In: The Journal of Sexual Medicine 10, S. 1943 - 1952, 2013.

Witte, E. et al.: Konsensueller Sadomasochismus. Eine empirische Prüfung von Bindungsstil und Sozialisationseinfluss. In: Hamburger Forschungsberichte zur Sozialpsychologie, 2008.

Wright, S.: Kinky Parents and Child Custody: The Effect of the DSM-5 Differentiation Between the Paraphilias and Paraphilic Disorders. In: Archives of Sexual Behavior 43, S. 1257 - 1258, 2014.

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