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Brauereigeschichte: Bier aus Schiffswrack war mit seltener Hefe gebraut

Vor 126 Jahren sank der Frachter »Wallachia« mit unzähligen Flaschen Bier an Bord. Die Genanalyse zeigt nun: Damals braute man in Schottland mit zwei sehr ungewöhnlichen Hefen. Sie sollen jetzt auch modernen Bieren zu ungewöhnlichen Aromen verhelfen.
Bierflaschen am Wrack der Wallachia.

Eine Überraschung ergab die Analyse von schottischem Bier, das aus einem 1895 gesunkenen Schiff geborgen wurde. Beim Brauprozess kamen ungewöhnliche Hefen zum Einsatz statt der heute meist üblichen Bierhefe. Das berichtet eine Arbeitsgruppe um Keith Thomas vom Forschungsunternehmen Brewlabs, das mit Hilfe der PCR das Erbgut der Mikroorganismen in den Flaschen verschiedenen Arten zuordnete. Wie das Team im »Journal of the Institute of Brewing« schreibt, identifizierte es die Arten Brettanomyces bruxellensis und Debaryomyces hansenii in den Heferückständen dreier Flaschen aus dem Wrack der vor 126 Jahren vor der schottischen Küste gesunkenen »Wallachia«. Während Brettanomyces eine bekannte Brauerhefe ist, die auch heute noch in speziellen Bieren zum Einsatz kommt, ist Debaryomyces in Bier sehr ungewöhnlich. Der Organismus sei nur in einigen spontan vergorenen belgischen Bieren zu finden. Die Fachleute hoffen nun, mit diesen klassischen Hefestämmen auch das Repertoire moderner Biere zu erweitern.

Heutige untergärige Biere werden meist mit reinen Kulturen der Bierhefe Saccharomyces pastorianus ssp. carlsbergensis gebraut, um den Brauprozess und damit Eigenschaften und Geschmack des Bieres besser zu kontrollieren. Dieser Hefestamm, entwickelt 1888 im Labor der Brauerei Carlsberg, verbreitete sich sehr schnell in der Bierindustrie und verdrängte viele zuvor eingesetzte Hefekulturen. Allerdings bestimmt die Hefe einen großen Teil des Biergeschmacks, so dass Fachleute heute mit anderen Hefen experimentieren, um mehr Aromenvielfalt zu erhalten. Die Hefekulturen aus dem Wrack der Wallachia und anderen ähnlich alten Bierproben sind dafür besonders interessant, weil sie zwar der Vor-Saccharomyces-Ära entstammen, aber schon Teil einer modernen industriellen Bierproduktion waren.

Neben den beteiligten Hefen identifizierten Fachleute diverse Bakterienstämme, die auch in modernen Bieren vorkommen und mutmaßlich zum Geschmack eines Bieres beitragen. Außerdem analysierten sie die chemischen und physikalischen Eigenschaften der drei geborgenen Biere, die zwar heute nicht mehr trinkbar sind, aber einen großen Teil ihrer ursprünglichen Aromakomponenten bewahrt haben. Bei zwei der Flaschen gelang es der Arbeitsgruppe außerdem, die Hefen Brettanomyces bruxellensis und Debaryomyces hansenii aus den Zellrückständen in den Flaschen zu kultivieren. Derzeit versucht Brewlab, mit ihrer Hilfe das 126 Jahre alte schottische Bier nachzubrauen.

Der Artikel wurde geändert, weil der Name der untergärigen Brauhefe fälschlicherweise mit S. cerevisiae angegeben wurde. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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