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Quantencomputer: Neuer Siliziumchip bricht Rekorde

Damit sie ihre volle Leistungsfähigkeit entfalten, müssen Quantencomputer im Industriemaßstab hergestellt werden können und weniger Fehler produzieren. Ein neuer Siliziumchip könnte den Weg zu langlebigen Qubits ebnen.
Siliziumchips
Unsere elektronischen Geräte basieren auf Siliziumchips – Quantencomputer vielleicht auch.

Neue Wirkstoffe, unverhoffte Wundermaterialien und die blitzschnelle Planung optimaler Routen: Die Versprechen von Quantencomputern sind enorm. Doch bisherige Prototypen umfassen nur wenige Recheneinheiten, die darüber hinaus extrem fehleranfällig sind. Um spinbasierte Quantencomputer stabiler zu machen, haben Forschungsteams der University of Melbourne und der University of Manchester gemeinsam den bisher reinsten Siliziumchip hergestellt: Er besteht aus fast ausschließlich einem einzigen Siliziumisotop.

Quantencomputer nutzen die Eigenheiten der Quantenphysik, um bestimmte Berechnungen schneller durchzuführen als herkömmliche Rechner. Ihre Recheneinheiten, so genannte Qubits, können wie ein herkömmliches Bit einer Eins oder einer Null entsprechen – oder aber einem Quantenzustand irgendwo dazwischen. Solche überlagerten Zustände spielen eine wichtige Rolle bei Quantenberechnungen, doch sie sind extrem störanfällig. Kleinste Erschütterungen oder Temperaturschwankungen können dazu führen, dass ein Qubit seinen überlagerten Zustand (etwa zu 40 Prozent Eins und zu 60 Prozent Null) verliert und zu einer eindeutigen Null oder Eins wird. Eine weitere wichtige Eigenschaft von Qubits ist, dass man sie miteinander verschränken kann: In diesem Fall sind die Informationseinheiten aneinander gekoppelt, so dass der Zustand des einen vollständig vom Zustand des anderen abhängt. Verschränkung und Überlagerung sind die beiden Schlüsselmerkmale, die es Quantencomputern erlauben könnten, Probleme zu lösen, an denen klassische Rechner scheitern.

Bit versus Qubit

Klassische Bits (links), wie sie heutige Computer nutzen, können zwei verschiedene Zustände einnehmen: eins oder null. Die Informationseinheiten von Quantencomputern, so genannte Qubits (rechts), können ebenfalls eins oder null sein – und alles dazwischen. Wenn sie sich in einem überlagerten Zustand befinden (durch den Pfeil dargestellt), entsprechen sie einer Kombination von null und eins. Fachleute veranschaulichen diese Vielfalt an Überlagerungen durch eine Kugeloberfläche, die so genannte Blochsphäre.

Quantencomputer können jeden ihrer Qubits in einen gewünschten Zustand führen. Der Pfeil, der den Zustand des Qubits darstellt, kann also auf jeden Punkt der Kugeloberfläche gelenkt werden. Sobald aber eine Messung vorgenommen wird, etwa am Ende der Berechnung, kollabiert der überlagerte Zustand des Qubits zu null oder eins.

Die wahre Vielfalt der Qubits kann also nur während der Berechnungen ausgenutzt werden. Zudem müssen die Recheneinheiten von der Umwelt abgeschirmt werden, da äußere Störungen wie Messungen wirken: Wenn der Zustand des Qubits inmitten einer Berechnung ungewollt kollabiert, verfälscht das das Ergebnis.

Bisher gibt es mehrere technische Ansätze, um Qubits zu realisieren. Firmen wie Google oder IBM setzen beispielsweise auf supraleitende Schaltkreise, die den Informationseinheiten entsprechen, während Quantinuum auf Ionenfallen zurückgreift oder QuEra auf ultrakalte Atome. Ein weiterer viel versprechender Ansatz sind spinbasierte Qubits, welche die gängige Halbleitertechnologie nutzen. »Elektronische Chips, wie man sie heute in Rechnern verwendet, bestehen aus Milliarden von Transistoren – diese können auch zur Erzeugung von Qubits für Quantencomputer auf Siliziumbasis verwendet werden«, sagt der Physiker Ravi Acharya, Hauptautor der im Fachjournal »Communications Materials« erschienenen Arbeit.

Bei spinbasierten Quantencomputern nutzt man so genannte Quantenpunkte. Indem man Transistoren auf wenige Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt (um die minus 270 Grad Celsius) abkühlt, lassen sich einzelne Elektronen durch eine angelegte Spannung in einem Potenzialtopf fangen. Das Elektron ist dann von der restlichen Umgebung isoliert und kann diskrete Energieniveaus einnehmen. So kommen seine vollen quantenmechanischen Eigenschaften zur Geltung – darunter auch der Spin. Diesen kann man sich wie einen kleinen Magneten vorstellen, dessen Nordpol entweder nach oben oder unten gerichtet ist. Diese Ausrichtung des Magneten entspricht dem Zustand eins oder null des Qubits.

Quantenpunkt | Indem man das elektrische Feld in einem gekühlten Halbleiter anpasst, lassen sich Quantenpunkte erzeugen. Dabei handelt es sich um Potenzialtöpfe, die ein einzelnes Teilchen, beispielsweise ein Elektron (gold), umfassen. Auf diese Weise kommen die quantenmechanischen Eigenschaften der isolierten Teilchen zum Vorschein, etwa ihr Spin (blauer Pfeil).

Diese Qubits werden inzwischen auf Siliziumchips realisiert. »Das Problem ist, dass das natürlich vorkommende Silizium hauptsächlich aus dem Isotop Silizium-28 besteht, darin aber auch etwa 4,5 Prozent Silizium-29 enthalten sind«, erklärt der Physiker David Jamieson von der University of Melbourne, ein Koautor der aktuellen Studie. Der Atomkern von Silizium-28 hat keinen eigenen Spin, der die gefangenen Elektronen stören könnte; bei Silizium-29 ist das anders. Durch das zusätzliche Neutron besitzt das Isotop einen Kernspin, der die Zustände der Qubits bei Berechnungen ändern kann. Das ist eine der größsten Fehlerquellen bei spinbasierten Quantenberechnungen.

Ein Strahl aus Siliziumisotopen

Doch nun haben die Forschenden um Jamieson und Acharya eine Möglichkeit gefunden, Siliziumchips aus reinem Silizium-28 herzustellen. Dafür feuerten sie einen Strahl aus Silizium-28-Isotopen auf einen gewöhnlichen Siliziumchip, wodurch die unerwünschten Isotope herausgelöst wurden. Damit sank der Anteil an Silizium-29 von etwa 4,5 Prozent auf 0,0002 Prozent. »Die gute Nachricht ist, dass wir dafür jetzt eine Standardmaschine – einen Ionenimplantator – verwenden können, den es in jedem Halbleiterlabor gibt«, sagt Jamieson. Kommende Versuche werden zeigen, ob sich durch den reineren Chip tatsächlich die Überlebensdauer überlagerter Zustände verbessert.

Aktuell können einzelne spinbasierte Qubits bis zu 30 Sekunden lang in einem überlagerten Zustand verharren – was rund 1000-mal länger ist als bei Qubits aus supraleitenden Schaltkreisen. Dafür lassen sich spinbasierte Qubits bisher erst in sehr überschaubarer Anzahl produzieren: Die größten spinbasierten Quantenprozessoren umfassen bloß etwa ein halbes Dutzend Qubits. Eine Schwierigkeit stellt die Verkabelung dar, denn jedes Qubit muss mit drei Kabeln verbunden sein, gleichzeitig dürfen die Abstände zwischen den Recheneinheiten nicht zu groß sein. Daran wird der reinere Siliziumchip zunächst nichts ändern. Doch durch langlebigere Qubits lassen sich mehr Rechenoperationen hintereinander ausführen, was einen großen Fortschritt markieren würde.

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