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»Die Melancholie des Mammuts«: »De-extinction«: ausgerottet, um zurückzukehren?

Massimo Sandal denkt differenziert über das Aussterben von Arten und die Versuche nach, einige von ihnen zurückzuholen.
Wollhaarmammut auf Wanderschaft

2023 gewannen Forscher erstmals RNA aus einem getrockneten Tasmanischen Tiger. Ihre Hoffnung: dass die darin enthaltenen Informationen helfen könnten, das ausgestorbene Beuteltier mit den charakteristischen Streifen eines Tages wiederzubeleben.

Ausgestorbene Arten zurückzuholen, ist inzwischen nicht mehr nur Sciencefiction. Für Schlagzeilen sorgte etwa das US-amerikanische Biotechnologie- und Gentechnikunternehmen »Colossal Biosciences« mit seiner Ankündigung, bis 2027 mit Hilfe gentechnischer Verfahren wie CRISPR-Cas9 einen »Wollhaarmammut-Hybriden« erschaffen zu wollen – also ein Tier, das Merkmale der ausgestorbenen Mammuts wie Fell, kleine Ohren und einen hohen Körperfettanteil hat und von einem Asiatischen Elefanten, dem engsten noch lebenden Verwandten des Mammuts, zur Welt gebracht wird. Nach Vorstellung von »Colossal Biosciences« sollen diese Eigenschaften den Hybriden und seine Nachfolger vor Kälte schützen, so dass sie in der arktischen Tundra überleben und dort sogar einen Beitrag zum Klimaschutz leisten könnten, indem sie die Landschaft so gestalten, dass weniger der in den Böden gespeicherten Treibhausgase in die Atmosphäre entweichen. Auch für andere prominente Arten wie den Dodo und die Wandertaube gibt es ähnlich spektakulär klingende Pläne für eine »Wiederauferstehung«.

Der Wissenschaftsjournalist und Schriftsteller Massimo Sandal hat sich folglich für sein Buch ein aktuelles und umstrittenes Thema ausgesucht. Dessen Untertitel »Ausgestorbene Tierarten und wie sie zu neuem Leben erweckt werden können« klingt dabei ein wenig so, als wäre der Autor ein Anhänger der so genannten »De-extinction«. Das täuscht jedoch. Tatsächlich diskutiert Sandal das Thema vielschichtig und weist dabei auf viele Schwierigkeiten hin – angefangen von dem Aufwand, mit Hilfe von Gentechnik ein lebensfähiges Tier zu erschaffen, bis zu der Frage, ob etwa die Mammuthybriden in der Lage wären, eine stabile Population aufzubauen und nicht eher der Unterhaltung als dem Klimaschutz dienen würden. Spannend gestaltet sich auch die Überlegung des Autors, weshalb es gerade Arten wie das Mammut »verdient« haben sollten, wiederbelebt zu werden, unzählige andere, die seitdem ausgestorben sind, dagegen nicht. Er erklärt dies schlüssig am Begriff des taxonomischen Chauvinismus: die Tendenz, bestimmte Arten mehr wertzuschätzen als andere und ihnen deshalb auch mehr Gewicht in der Forschung oder bei Schutzbemühungen einzuräumen – manchmal unabhängig von ihren Funktionen im Ökosystem.

Keine klaren Antworten

Sandal gibt dabei keine Antwort, ob er die Versuche, ausgerottete Arten wiederzubeleben, für richtig oder falsch hält. Vielmehr stellt er Fragen, die ihm selbst bei der Recherche gekommen sind, und analysiert, weshalb einige Menschen überhaupt den Drang haben, etwas zurückzuholen, das es unter anderem wegen zu großer Bejagung nicht mehr gibt. Man würde sich wünschen, dass diese Überlegungen auch an anderer Stelle getroffen werden, bevor vielleicht irgendwann tatsächlich das erste »Mammut« durch die arktische Tundra stampft.

Schade nur, dass sich erst der vierte Teil des Buchs – also nur rund 50 Seiten – konkret um das Wiederbeleben von Arten dreht. Zuvor befasst sich Sandal unter anderem mit den vergangenen fünf großen Massenaussterben in der Erdgeschichte und der Rolle des Menschen am Rückgang der Artenvielfalt. Das ist aber auch für bereits informierte Leserinnen und Leser nicht uninteressant und liest sich flüssig. Wer allerdings die vielen Quellen und Anmerkungen prüfen will, sollte beim Lesen einen Computer oder ein Smartphone zur Hand haben: Sie sind nur durch einen QR-Code oder Link am Ende des Buchs abrufbar.

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