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Lexikon der Biochemie: Lectine

Lectine, Phytohämagglutinine, laut Definition durch das Nomenclature Committee der IUB ist ein L. ein "zuckerbindendes Protein oder Glycoprotein nichtimmunen Ursprungs, das Zellen agglutiniert und/oder Glycokonjugate ausfällt." Diese Definition kann erweitert werden, um ähnliche Proteine einzuschließen, die komplexe Saccharide zwar spezifisch binden, jedoch nicht agglutinieren bzw. ausfällen. Bei diesen Proteinen handelt es sich um "monovalente Lectine". L. kommen in fast allen Haupttaxa blühender Pflanzen und auch bei einigen nichtblühenden Pflanzen vor. Es wurden auch vertebrate und mikrobielle L. identifiziert. L. binden an Erythrocyten, Leukämiezellen, Hefe und einige Bakterienarten. Da die Bindung saccharidspezifisch ist, können L. keine Zellen agglutinieren, die nicht die passenden Oberflächensaccharide tragen. Es wird erwartet, dass um so mehr L. gefunden werden, je mehr Arten an Oberflächensacchariden bei Screening-Assays verwendet werden. Vermutlich sind sie ubiquitär. L. können bis zu 10 % der löslichen Proteine in Extrakten von reifen Samen ausmachen; in anderen Pflanzenteilen sind sie in geringeren Konzentrationen enthalten. Die L., die in vegetativen Geweben vorkommen, unterscheiden sich oft von den Samenlectinen der gleichen Pflanze. Die physiologische Wirkung der Pflanzenlectine ist unbekannt. Man vermutet, dass sie die Infektion von Leguminosenwurzelhaarspitzen durch Rhizobium fördern, oder dass sie pathogene Mikroorganismen hemmen. Die Vertebratenlectine üben möglicherweise bei der Entwicklung eine Funktion aus und spielen eine Rolle bei der rezeptorvermittelten Endocytose.

Die bekanntesten Pflanzenlectine sind Concanavalin A (Con A) aus der Jackbohne (Canavalia ensiformis), das 1919 von Sumner kristallisiert wurde, die Agglutinine aus Weizenkeimlingen (WGA, engl. wheat germ agglutinins), Lima-, Garten- (Phaseolus) und Sojabohne, Rizinus und Kartoffel (Tab.). WGA ist sehr gut charakterisiert. L. mit ähnlichen Spezifitäten und ähnlicher Struktur kommen bei Roggen und Gerste vor. Samen aus 90 anderen Vertretern der Gräserfamilie weisen L. auf, die immunologisch mit WGA identisch sind, sich jedoch bezüglich der Spezifitäten unterscheiden. Die Samenlectine der Gräser werden nur in den Embryonen gefunden. Leguminosensamen sind sehr reich an L. und von einer Reihe dieser L., einschließlich des Con A, ist die vollständige Aminosäuresequenz bekannt. Zwischen den L. verwandter Leguminosen bestehen umfassende Homologien. Strukturuntersuchungen von Con A haben einen neuen Proteinreifungstyp offenbart [D.J. Bowles et al. J. Cell Biol. 102 (1986) 1.284-1.297]. Con A (bestehend aus vier identischen Untereinheiten, jede mit Mr 27,5kDa) zeigt maximale Sequenzähnlichkeit mit den L. von Linsen, Sojabohnen und Bohnen, wenn sein N-Terminus in die Nähe der Mitte der anderen Lectinsequenzen gebracht wird. Man weiß jetzt, dass das primäre Translationsprodukt einer Transpeptidation unterworfen wird, es kommt also nicht zu einer proteolytischen Spaltung mit nachfolgender Ligation. Dieser Mechanismus ist sonst nur noch vom letzten Schritt der Peptidoglycansynthese bei Bakterien (Murein) bekannt. [M.E. Etzler Ann. Rev. Plant Physiol. 36 (1985) 209-234; T.C. Bøg-Hansen u. E. van Driessche (Hrsg.) Lectins: Biology Biochemistry, Clinical Biochemistry, Bd. 5, de Gruyter, Berlin, 1986; s. a. die vorangehenden Bände dieser Serie]

Lectin. Tab. Relative Molekularmassen und Untereinheitenstruktur einiger Lectine aus Pflanzensamen.

Herkunft Mr Untereinheiten Bemerkungen
[kDa] Anzahl Mr [kDa]
Jackbohne bei pH > 7
110
4 27 238 Aminosäuren, n. k.
(Concanavalin) bei pH < 6
54
2 27 Primärstruktur bekannt, Lipoprotein
Limabohne 247
124
4
2
62
62
Glycoprotein, n. k.
247
124
8
4
31
31
Glycoprotein, k.
Gartenbohne 140

35
35
36,5
Glycoprotein
126 4 31
Weizenhämagglutinine 34 2 17 kein Glycoprotein, n. k.
Rizinus 125 1
1
1
33
30
27,5
Glycoprotein, k.
Kartoffel 95 2 46 Glycoprotein (50 % Kohlenhydrat), n. k.

k. = kovalent, n. k. = nicht kovalent verbundene Untereinheiten

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