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Protoplanetare Scheiben: Winde in planetarischen Kinderstuben

Astronomen untersuchten die protoplanetare Scheibe um einen jungen Stern und beobachteten asymmetrische Strukturen und Abweichungen von Bewegungen auf Kreisbahnen. Scheibenwinde und gravitative Wechselwirkungen mit einem nahen Begleiter könnten hierfür verantwortlich sein.
Ein junges Sonnensystem

Durch Beobachtungen mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) zeigte ein Forscherteam um Colette Salyk vom National Optical Astronomy Observatory, dass das Gas in der protoplanetaren Scheibe um den jungen, rund 407 Lichtjahre entfernten T-Tauri-Stern AS 205 N im Sternbild Schlangenträger sein Zentralgestirn nicht auf reinen Kreisbahnen umläuft. Die Astronomen deuten das als einen Hinweis auf nach außen gerichtete Ströme, die dafür sorgen, dass die Scheibe langsam an Materie verliert.

Protoplanetare Scheiben, die in ihren Zentren junge Sterne beherbergen, gelten als Geburtsstätten von Planeten. Sie bestehen zum Teil aus Staub, jedoch größtenteils – insbesondere in ihren frühen Phasen – aus Gas. Daher lässt sich mit Hilfe von Beobachtungen der Gaskomponente auf die Physik in der Scheibe schließen. Dabei bilden Untersuchungen im Infraroten die inneren, stärker aufgeheizten Bereiche der Scheibe ab. Gas, das sich weiter außerhalb befindet, wird bei längeren Wellenlängen im Millimeterbereich abgetastet.

Gasströme in protoplanetaren Scheiben | Die künstlerische Darstellung zeigt den jungen Stern AS 205 N. Gas strömt von der protoplanetaren Scheibe des Sterns zu seinem stellaren Begleiter über.

Das Forscherteam untersuchte den jungen Stern AS 205 N, weil hier bereits frühere Infrarotbeobachtungen zu unerwarteten Ergebnissen führten: Bei Material, das sich innerhalb von Scheiben auf Kreislinien um ein zentrales Objekt bewegt, ist zu erwarten, dass sich bei entsprechender Orientierung zum Beobachter die Bewegung als ein "Doppelhöcker" im Linienprofil widerspiegelt. Das liegt an dem Dopplereffekt: Während sich ein Teil vom Beobachter entfernt und rotverschoben wird, nähert sich der gegenüberliegende an und wird entsprechend blauverschoben. Doch die Scheibe um AS 205 N, wie auch viele weitere protoplanetaren Scheiben, zeigte Abweichungen von dem erwarteten Profil.

Als die Wissenschaftler die Abstrahlung des Kohlenmonoxids um den Stern beobachteten, stellten sie fest, dass das Gas keine wohlgeformte Scheibe ausbildet. Es weist asymmetrische Strukturen auf, und seine Geschwindigkeiten unterscheiden sich mit bis zu rund einem Kilometer pro Sekunde von gewöhnlichen Kreisbahnen. Anhand von Modellrechnungen lässt sich zeigen, dass Gasströmungen, die von der Scheibe wegführen, die Beobachtungen erklären. Solche "Winde" könnten zum Beispiel im Zusammenspiel mit Magnetfeldern entstehen. Des Weiteren wäre es auch möglich, dass die Anziehungskraft eines nahen stellaren Begleiters, der zusammen mit AS 205 N ein Doppelsternsystem bildet, für die Ströme verantwortlich ist.

Welcher der beiden Prozesse bei dem System vorliegt, oder ob es sich sogar um eine Kombination dieser handelt, wird erst durch weitere Beobachtungen geklärt werden können. Sie sind auch deswegen wichtig, weil viele protoplanetare Scheiben ähnliche Eigenschaften aufweisen. Astronomen möchten daher verstehen, wie solche Winde, wie auch der mit ihnen einhergehender Massenverlust, die Entwicklung von protoplanetaren Scheiben und damit die Entstehung von Planeten beeinflussen.

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