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Teilchenphysik: Das Rätsel der Antimaterie

Hochempfindliche Experimente spüren einem winzigen Ungleichgewicht im Elektron nach. Es könnte erklären, warum kurz nach der Entstehung des Universums die Materie Oberhand gewonnen hat. Doch dieses hypothetische Dipolmoment müsste man erst einmal messen.
Zwei Kugeln dicht beieinander, eine soll Materie, die andere Antimaterie darstellen
Materie und Antimaterie zerstrahlen zu reiner Energie, wenn sie aufeinandertreffen. Eine kleine Asymmetrie bei diesen Vorgängen hätte gewaltige Folgen gehabt.
Eigentlich sollte es das Universum gar nicht geben. Laut allem, was wir über Teilchen und ihre Wechselwirkungen wissen – zusammengefasst in einer Theorie namens Standardmodell –, hätten beim Urknall gleiche Mengen an Materie und Antimaterie entstehen sollen. Bei Antimaterie handelt es sich um spiegelbildliche Versionen der uns bekannten normalen Teilchen. Sie sind in jeder Hinsicht gleich, tragen aber eine entgegengesetzte Ladung. Wenn Materie und Antimaterie aufeinandertreffen, zerstören sie sich gegenseitig. Seit der Entstehung des Universums sollte sich daher jedwede Masse vollständig wieder ausgelöscht haben. Das Ergebnis wäre ein leerer Kosmos, der bloß Strahlung enthält. Dennoch ist offensichtlich genug Materie übrig geblieben, um daraus Galaxien, Sterne und Planeten zu bilden. Hingegen beobachten wir fast keine Antimaterie. Dieses Ungleichgewicht ist also eine für uns existenzielle Anomalie – und die mögliche Ursache dafür stellt eines der größten Rätsel der modernen Physik dar.Es gibt viele Hypothesen, mit denen sich das Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie erklären lassen soll. Wir wissen nicht, ob eine davon zutrifft und welche das sein könnte. Einige Modelle verschaffen der Materie die Oberhand, indem sie neue Teilchen postulieren. Wenn diese zerfallen, könnten sie mehr Materie als Antimaterie erzeugen; oder die Teilchen wechselwirken mit Materie auf andere Weise. Laut manchen derartigen Ideen müssten zusätzliche Effekte auftreten, die sich vielleicht nachweisen lassen. Das würde Belege für eine der Theorien liefern.Ein Beispiel für solche potenziell beobachtbaren Auswirkungen ist eine hypothetische Eigenschaft von Elektronen, das so genannte elektrische Dipolmoment. Dabei handelt es sich um die Folge einer kleinen Differenz zwischen dem Punkt, auf den sich die Masse eines Elektrons konzentriert, und seinem Ladungsschwerpunkt. Eine solche Verschiebung wurde noch nie nachgewiesen, und wenn es sie gibt, dürfte sie wesentlich geringer sein, als sich mit den derzeitigen Experimenten messen lässt. Allerdings sagen viele vorgeschlagene Erweiterungen des Standardmodells, die das Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie zu erklären versuchen, erheblich größere Werte für das elektrische Dipolmoment voraus.Gemeinsam mit meinem Team spüre ich im Labor jenem Effekt nach. In einem JILA genannten Institut der University of Colorado Boulder in den USA haben wir dazu einen anderen Weg eingeschlagen als bei vergleichbaren Experimenten üblich. Diese Pionierarbeit ermöglichte es uns, das elektrische ...

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  • Quellen

Caldwell, L. et al.: Systematic and statistical uncertainty evaluation of the HfF+ electron electric dipole moment experiment. Physical Review A 108, 2023

Roussy, T. S. et al.: An improved bound on the electron's electric dipole moment. Science 381, 2024

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